Irland Westküste

Manche mögen sie, manche nicht: Die Galgen am Wild Atlantic Way in Irland. Im vergangenen Winter hatten die Lokalverwaltungen im Auftrag der Tourismusbehörde Failte Ireland an 188 Orten an Irlands Atlantikküste 3,5 bis 5 Meter hohe Markierungspfähle samt Info-Hier IrlandDisplays aus Rohstahl aufgestellt. Die von weit her sichtbaren Masten tragen den Namen des Ortes und das Wild Atlantic Way Logo. Die Form der zwar rostenden und dennoch wetterfesten Masten, die von Designern der Paul Hogarth Company in Belfast entwickelt wurden, erinnert an einen Galgen und könnten auch in Corks Fußgängerzone stehen. Diese eisernen Photo Points an den 188 schönsten, markantesten, wichtigsten oder interessantesten Stellen der Westküste sollen Besucher des Wild Atlantic Way darauf hinweisen, wo es sich lohnt anzuhalten und ein Foto von der Landschaft zu machen. Der Markierungsmast soll selber Teil des Fotos werden, indem er dieses einrahmt. Ein Hilfsmittel für Besucher also. Zumindest so wollen es die Verantwortlichen.

Man darf annehmen, dass jeder Besucher von Irlands wildem Westen die Galgen mittlerweile kennt und eine Meinung dazu hat – zu den Diskussionen um den ästhetischen Gehalt der Rostständer aber gesellte sich diesen Sommer eine neue Debatte: Wie werden die Informations-Displays wohl aussehen, deren nacktes Gerüst jetzt vielerorts schon seit einem Jahr direkt neben dem Galgen steht? Vor allem aber: Wann werden die Informationen mit schön getexteten Werbe-Formeln für die Orte und Ausblicke am irischen Atlantik wohl in den Displays Einzug halten?

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Wir wissen es nicht. Wir haben jedenfalls noch keinen Eisenrahmen entdeckt, der bereits mit Informationen bestückt worden wäre. Schon macht das Gerücht an Irlands wilder Küste die Runde, die leere Fläche der Displays sei ein Raum für eigene Notizen der anhaltenden Landschaftsbetrachter. Und tatsächlich hat ein wacher Alltagsphilosoph das leere Display von Dooneen auf der Beara Halbinsel bei Allihies genau dafür benutzt. Er füllte es mit Sinn und der mit Kreide geschriebenen Bemerkung: “You are here”. Du bist hier. Stimmt genau, und macht sich auf hintersinnige Weise lustig über die 3,5 Millionen Euro teure informationsfreie Zone.

Mich erinnerte der Spaß an die häufigst gehörte Frage unserer Kinder, wenn wir früher von Ort zu Ort, damals noch galgen-frei, reisten: “Papa, wann sind wir da?”. Ich antwortete darauf jahrelang: “Wir sind nie da, wir sind immer hier”. Die Kinder haben es irgendwann, Jahre später, verstanden. Und irgendwann werden auch Informationen in die Displays am Wilden Atlantischen Weg Einzug halten – wenn die Displays bis dahin nicht längst weg gerostet sind . . .

Hier, Irland. Du.

Fotos: Markus Baeuchle. Mehr Informationen zu den Wild-Atlantic-Way-Galgen gibt es übrigens hier: Klick und hier: Klick