Kirche Eyeries

Saint Kentigern war im 19. Jahrhundert das Zentrum des Lebens der Menschen von Eyeries

Geschichten von der Beara-Halbinsel im Süd-Westen Irlands (Teil 9)

von Peter Bernhardt* 

Wir setzen den Geschichten-Zyklus über das ländliche Irland an der Atlantikküste fort. Geschrieben von unserem Freund Peter Bernhardt. Er forscht gern in der Vergangenheit und lässt ein Stück “altes Irland” lebendig werden. Heute erzählt uns Peter weitere wahre Geschichten, die das Leben im Dörfchen Eyeries auf Beara im 19. Jahrhundert schrieb. 

Darby und Mary heirateten im April 1849. Selbst nach vielen Jahren stellte sich kein Nachwuchs ein. Der Priester von Eyeries ermunterte Darby, doch endlich einmal etwas an seinem Anwesen zu verbessern, das inzwischen schon ein wenig heruntergekommen war. Doch Darby meinte, es hätte keinen Sinn, zumal er ja keinen Erben hätte, dem er die Farm übergeben könne. Doch der Priester ließ nicht locker und drängte Darby immer wieder, etwas an der Farm zu verbessern und versprach ihm, er würde schon irgendwann ein Kind bekommen. Darby tat, was ihm der Priester geraten hatte, und im März 1865, 16 Jahre nach der Hochzeit, wurde ihnen der ersehnte Sohn geboren.

Die neuen Kirchenfenster – erst vor einigen Jahren gestiftet von Familien im Dorf.

Die neuen Kirchenfenster – erst vor einigen Jahren gestiftet von Familien im Dorf.

Dan war ein Champion im Mähen von Heu mit der Sense, und seine Dienste waren bei den größeren Farmern sehr gefragt. Eine Zeitlang war er bei der Dunboy Farm eingestellt und es sollte zu einem Wettkampf mit einem anderen Mann kommen. Wer von ihnen würde in einer vorgegebenen Zeit das meiste Heu mähen? Als die Dinner Time heranrückte, hatte Dan schon einen guten Vorsprung vor seinem Herausforderer. Der machte sich Gedanken, wie er Dan stoppen könnte und mischte in einem günstigen Augenblick ein bestimmtes Salz in Dans Getränk. Gegen Abend tat das Getränk seine Wirkung. Dan mußte jetzt öfters unterbrechen und über den Zaun hinweg der Natur freien Lauf lassen. Der „Ruf der Natur“ wurde aber immer schlimmer und so kam, was kommen mußte: Dan konnte nicht mehr rechtzeitig die Hosen runter lassen und „beschmutzte“ sich. Der Herausforderer hatte inzwischen gut aufgeholt. Doch er sollte sich täuschen: Dan zog einfach seine Hose aus, mähte nackt weiter und gewann der Wettbewerb!

Big Patrick war ein großartiger Charakter mit wunderbarem Gefühl für Humor. Es ergab sich, daß Patrick Vater von Zwillingen wurde (ca. 1900). Nach der Tauf-Zeremonie übergab Patrick dem Priester einen Umschlag mit dem üblichen Obolus für ein Kind. Als der Priester den Umschlag öffnete und sah, daß da nur das Geld für ein Kind war, rief er Patrick zu sich: „Komm her Patrick, hast Du nicht Zwillinge bekommen? Du hast nur für ein Kind bezahlt“. „Das ist richtig, Vater“ antwortete Patrick: „Zwei kamen – aber es war nur eins von mir bestellt.“

Tadhg Riobard war als exzellenter Athlet bekannt. Es wird erzählt, daß er einstens in der Mitte des 19. Jahrhunderts einen Hasen im Lauf gefangen hat. Er war aber auch als hervorragender Springer bekannt. Eines Tages arbeitete Tadhg für Gillman, einen Hotelbesitzer, der zu diesem Zeitpunkt ein paar Gäste hatte, von denen sich einer brüstete, ein guter Springer zu sein. Gillman wettete fünf Pfund, daß er einen Mann kenne, der aber noch viel besser sei. Der Test sollte ein sechs Fuß, also etwa 1,80 Meter (!) hohes Eisentor sein, das auf der Oberseite auch noch mit spitzen Zacken versehen war. Tadhg Riobard wurde gerufen, als er gerade dabei war, den Torf zu stechen. Spät am Abend kam Tadhg in seiner gewöhnlichen Arbeitskleidung, den Spaten über der Schulter, und übersprang das Tor um einige Inches souverän. Gillman gewann die fünf Pfund, gab aber Tadhg noch nicht einmal keinen Half-Penny ab. Jahre später wanderte Tadhg in die USA aus. Eines Nachts brach ein Feuer im Haus aus. Um den Brand zu entkommen, sprang Tadhg aus dem oberen Fenster – in den Tod.

Eyeries IrlandMaggie (geb. 1870) wanderte nach Butte (Montana) aus, wo sie einen Armagh-Mann heiratete. Später zogen sie weiter in ein Bergbau Camp nach British Columbia, Canada. Eines Nachts, während die Männer unter Tage arbeiteten, wurde das Camp von einem Erdrutsch verschüttet und begrub alle schlafenden Frauen und Kinder im Schlaf – auch Maggie, deren Tochter und eine Nichte.

Mike war auf dem Rückweg vom Sein Fishing, damals eine häufig angewendete Form des Fischfangs, als sein Boot ganz in der Nähe von Caherkeem auf einen knapp unter der Wasseroberfläche ruhenden Felsen auffuhr und kenterte. Mike konnte sich nicht retten und ertrank – und mit ihm vier weitere Männer. Nur ein Mann überlebte den Unfall, der sich Mitte des 19. Jahrhunderts ereignet hatte. Mikes Frau rief den Priester und bestürmte ihn, er möge doch alles daransetzen, den Leichnam Mikes zu finden. Darauf hin nahm der Priester sich an einem ruhigen Tag ein Boot, zündete eine gesegnete Kerze an, platzierte sie in einem Bündel Stroh, setzte es aufs Wasser und überließ es der Strömung. Nach einer Weile begann das Bündel Stroh mit der gesegneten Kerze darin sich zu drehen. Das nahm der Priester als Zeichen und verkündete Mikes Frau, daß der Körper ihres Mannes mit Sicherheit gefunden wird. Und so geschah es auch. Mikes Leichnam war von der Strömung abgetrieben worden und wurde in der Nähe von Travara gefunden. Die Leichname der vier anderen Männer blieben spurlos verschwunden.

Darby war Schreiner und ein Mann mit viel Sinn für Humor. Er lebte in der Zeit der großen Hungersnot, der Famine. Als er wieder einmal den Auftrag für einen Sarg bekam, entschied er, diesen Sarg selbst einmal auf Größe und Komfort auszuprobieren. Er trug den Sarg hinaus vor seine Werkstatt, legte sich in voller Länge hinein und rauchte sein Pfeifchen. Johanna, seine Frau, kam des Weges und sah den Qualm und dachte, der Sarg hätte sich entzündet. Sie rannte ins Haus und kam mit einem Eimer voll Wasser, den sie über den Sarg schüttete und ihren Darby damit fast ertränkte. Eine bemerkenswerte Fügung: Die nächste Person, die in diesen Sarg gelegt wurde, war tatsächlich Darby selbst – diesmal allerdings tot.

Fortsetzung folgt . . . 

Peter in Clogher 2013_IMG_1710Der Autor: Peter Bernhardt lebt seit dem Jahr 2000 in Eyeries auf der Beara Peninsula in West Cork. Bis zu seinem Ausscheiden aus seinem Arbeits-Leben war er Art Direktor und Werbeleiter. Seine Liebe zu Irland hat er 1967 auf einer fünfwöchigen Fahrradtour durch den Süden entdeckt. Danach folgten mehrere Irland-Urlaube mit Familie, bis 1987 ein altes Cottage seine Aufmerksamkeit weckte und darum warb erworben zu werden. Peters Interessen sind unter anderem Archäologie, lokale Geschichte und Storytelling

Peters Geschichten von der Beara Peninsula erscheinen regelmäßig hier auf Irlandnews.

Fotos: Peter Bernhardt