No Line on the Horizon. Heute erscheint das neue Album der irischen Rockband U2. Fast größer als das musikalische ist allerdings das politische Getöse um den Ober-Gutmenschen der Band: Sankt Bono, dem Fast-Nobelpreisträger, Weltenretter und Buddy der Mächtigen, wird nun in seiner irischen Heimat mal wieder Scheinheiligkeit vorgeworfen.
Grund ist erneut die Steuerflucht in die Niederlande im Jahr 2006, nachdem die irische Regierung die Steuerfreiheit für Künstler auf 250.000 Euro pro Jahr begrenzt hatte. Heute nun jault Bono in der Irish Times laut auf und jammert, dass ihn vor allem der Vorwurf der Scheinheiligkeit sehr schmerzt, und dass die Aufrichtigkeit seines Aktivisten-Daseins für die geschundene Welt in frage gestellt wird.
Pro Globo, pro Patria oder nur pro Bono? Irische Jungs, die selbst ihren musikalischen Aufstieg aus vermeintlich kleinsten Dubliner Verhältnissen wie einen irischen Traum stilisieren, sollten ihre Steuerangelegenheiten möglichereise nicht zur “Privatsache” erklären und dem Land, das sie groß gemacht hat, in schwierigen Zeiten die Unterstützung versagen.
Der Konzern U2 spart, während alle irische Welt nun erwartet, dass Bono-Kollegin Angela (die Mörkel) die Kohle in den kommenden Monaten kistenweise über die Irische See westwärts schippert, um den Staatsbankrott auf der Insel abzuwenden.
Praktiziertes Gutmenschentum in Irland könnte heißen: Bono und Co. tragen dazu bei, dass die Schüler des Landes auch künftig Schulbus fahren dürfen, ohne dass die Familie Privatkonkurs anmelden muss, dass die Renter ihre Rente bekommen und dass Kranke in Irland eine faire Überlebenschance, vergleichbar mit der in anderen Ländern Europas, bekommen.
Blogger-Freund Harald kommentiert die Kritik an der irischen (Zwie-) licht-Gestalt Bono gestern so:
… Demonstration in Dublin gegen die Steuerpolitik von U2: Die Demonstranten beschwerten sich über die Scheinmoral, dass U2 immer für die Armen der Welt Steuernachlässe fordern (was ich ja gut finde), selber aber schon seit 2006 einen Großteil ihres eigenen Unternehmens aus Steuergründen in die Niederlande ausgelagert haben …Der Umsatz von U2 belief sich selbst in einem Jahr ohne neues Album und Tournee wie 2007 auf ca. 21 Millionen Euro. In Zeiten von Sparpaketen und Jobverlusten stößt diese “finanzschonende Firmenpolitik” der Vorzeigerocker den Iren wohl eher bitter auf.
Man muss ihm zustimmen.
PS: Habe gerade das neue U2-Album bei iTunes heruntergeladen und im Schnelldurchlauf gehört: Es klingt richtig gut, frisch, leichter als zuletzt. Ich mag´s.
Passend zum Thema Bono hier noch als Nachtrag ein Auszug aus der aktuellen Albumrezession im Schweizer Tagesanzeiger von Jean-Martin Büttner:
Zugleich haben es die frommen Iren verstanden, ihren Milliardärsstatus mit dem Auftritt singender Sozialarbeiter zu kaschieren. Kaum eine Band verlangt von den Veranstaltern höhere Margen als U2, die sich inzwischen auch Live Nation angeschlossen hat, der weltweit operierenden Konzertagentur. Gleichzeitig gibt sich kaum eine Band dermassen menschenfreundlich: U2 rocken, singen und reden für die Hungernden in der Dritten und gegen die Finanzmanager der Ersten Welt. Sie sind gegen Atomkraft und für die Menschenrechte. Gegen Aids und für Amnesty International. Kurz: Kapitalismus mit Dreitagebart.
Die Widersprüche zwischen Gewinnmaximierung und Wohlfühlparolen werden von Sänger Bono Vox zusammengehalten, dem Charismatiker mit dem übersteigerten Sendungsbewusstsein. Beides geht bei ihm in einem Pathos auf, das den Gesangsstil und die Moralappelle gleichermassen bestimmt. Bono, wie ihn die Politiker nennen, die sich so gerne mit ihm zeigen, verkörpert das ambulante Gewissen der Globalisierung. Er reist als Wanderprediger mit Sonnenbrille um die Welt, lässt keine Benefizveranstaltung aus und sorgt bei internationalen Managertreffen für Coolness und Blitzlicht.
Noch treffender als meine Aussage finden ich den Kommentar des Gombeen-Man zu diesem Artikel:
—Bono geht mir auf die Nerven, Harold. “A pompous hypcrite” nach meiner Meinung!!!—
Wer weiß, vielleicht ist ja mit dem Albumtitel “No Line on the Horizon” auch die unbegrenzte Möglichkeit des Geldscheffelns mittels steuerschonender Unternehmenspolitik gemeint ;-)