Das Tabu wurde vor zwei, drei Jahren erstmals in Frage gestellt: In Irland öffneten einige Geschäfte am Stefanstag und begannen, eine der letzten großen Ruhezonen im irischen Jahreskalender zu demolieren. In diesem Jahr nun trachteten die Händler auf der Insel auf breiter Front nach dem Weihnachtsgeld der Bevölkerung: In den großen Städten wurde der zweite Weihnachtstag zum verkaufsoffenen Sonntag erklärt, die traditionellen Jahres-Schlussverkaufs-Plakate mit Rabatt-Versprechen bis zu 70 Prozent wurden in Stellung gebracht, Zeitungen und Fernsehen informiert. Der Einzelhandel hat zwei starke Argumente, um die weihnachtliche Konsum-Pause endgültig aus dem Weg zu räumen: die tiefe Rezession und das frostig-eisige Winterwetter im Dezember. Beides ließ die vereinigte Käuferschaft 2010 spürbar schrumpfen, nun wollen die 7 Prozent Verlust gegenüber dem ebenfalls schon schlechten Vorjahr wieder eingespielt werden.

So wirkte die Innenstadt von Cork, der großen City im Süden der Insel, gestern wie an einem vorweihnachtlichen Samstag: Die Massen pilgerten kauffreudig zu den Konsumtempeln auf der Patrick Street und zur großen Shopping Mall von Mahon. Die Händler hatten die Rechnung jedoch ohne die Parkhausbetreiber der Stadt aufgemacht. Diese ließen sich in ihrer Weihnachtsruhe nicht stören und hielten die Rolltore geschlossen. Die hunderte Meter langen Schlangen vor den geschlossenen Parkhäusern wurden schließlich von der Polizei aufgelöst. So erlebte Cork am vermeintlich ruhigen Stefanstag, von der anglo-irischen Bevölkerung auch Boxing Day genannt,  unvermutet ein ansehnliches Verkehrschaos.