Coast Guard Station Castletownbere aus dem 19. Jahrhundert. Heute verschwunden.

Geschichten von der Beara-Halbinsel im Süd-Westen Irlands (Teil 21)

von Peter Bernhardt* 

Heute erzählt Peter Bernhardt die Geschichte der Küstenwache auf der Beara Peninsula. Die britischen Coast Guard Stations waren im Unabhängkeitskampf der Iren vor einem Jahrhundert ein bevorzugtes Angriffsziel.

 

Der Schutz der Beara-Küste vor Angriffen hat eine lange Tradition: Wie ich schon in meiner Geschichte über Bere Island geschrieben habe, waren die Briten stets bemüht, die Küste Irlands und damit ihre eigene Hintertür vor Angriffen zu schützen. Das geschah unter anderem durch den Bau von Coast Guard Stations. Auf der Beara Halbinsel sind sieben Stützpunkte der Küstenwache auf der 6-Inch-Landkarte dokumentiert: Die Orte liegen in Castletownbere, Ballydonegan/Allihies, Adrigole, Bere Island, Garinish, Collorus und Ballycrovane/Eyeries. Allerdings muß man wissen: Diese 6-Inch-Karten wurden in den Jahren 1829 bis 1842 erstellt, seitdem sind einige dieser Coast Guard Stations verschwunden und andere kamen zwischenzeitlich hinzu.

Die Coast Guard Station in Castletownbere. Historische Aufnahme

 

Dort steht heute das Krankenhaus, das mittlerweile als Altenpflegeheim dient

Die Coast Guard Station in Castletownbere war ursprünglich im Gebäude des heutigen Bera Bay Hotel untergebracht, das auch schon einmal den englischen Offizieren als Kasino diente. Der „Neubau“ wurde wohl nach 1842 errichtet. Im Jahre 1920 wurde diese Station von der lokalen IRA-Einheit attackiert. Zwei IRA-Männer in englischen Uniformen kamen zum Tor mit einem großen Umschlag, den sie dem Wachhabenden überreichten und während er den Umschlag entgegennahm, überwältigten sie ihn und die restlichen Angreifer stürmten die Station.

Der ursprüngliche Standort der Küstenwache in Castletownbere am Ort des heutigen Beara Bay Hotel-Gebäudes

Doch das Unterfangen ging schief, denn die Wärter waren aufmerksam und eröffneten das Feuer. Drei der irischen Angreifer wurden verwundet. Die schwerste Verwundung trug ein Johnny McCarthy davon. Eine Kugel traf ihn kurz unterm Herz. Seine Kameraden konnten ihn gleich über die Straße zu den Nonnen ins Workhouse bringen, wo sie ihn versorgten, ihm Nonnenkleider anzogen und mit Haube und Bibel in der Hand ins Bett legten. Die kurz darauf eintreffenden britischen Soldaten verwechselten den Verwundeten mit einer Nonne und ließen ihn in Ruhe. Johnny trug die Kugel sein ganzes Leben lang mit sich herum. Er wanderte nach Amerika aus und kämpfte nach seiner Rückkehr in O’Duffy’s Irish Brigade im spanischen Bürgerkrieg. Johnny starb im Jahr 1940. Heute steht an der Stelle der Cost Guard Station in Castletownbere das örtliche Krankenhaus, das mittlerweile ein Altenpflegeheim ist.

 

Bei einem Überfall auf Bere Island gelang es aufständischen Iren, am 5. Juni 1918 Schießbaumwolle zu entwenden. Es war die größte Menge, die während des Unabhängigkeits-Krieges in Irland erbeutet wurde. Mit diesem Sprengstoff wurden in den folgenden Jahren eine ganze Reihe von Kasernen in West Cork attackiert. So auch beim Überfall auf die Coast Guard Station in Ballydonegan/Allihies.

Die Coast Guard Station von Allihies. Gut sichtbar das durch Sprengung verursachte Loch in der Mauer

Verschiedene IRA-Kompanien griffen am 12. Februar 1920 die Coast Guard Station in Allihies an. In die rückwärtige Gebäudemauer wurde ein 15 Fuß großes Loch gesprengt. Bei dieser Explosion wurde Wachtmeister Michael Neenan getötet und ein weiterer Wachmann schwer verwundet. Trotzem weigerte sich die britische Wachmannschaft unter dem diensthabenden Offizier Nugent, sich zu ergeben. Seán O’Sullivan, einer der irischen Angreifer beschrieb die Situation später wie folgt: „Das Geheul von Schmerz und Angst war herzzerreißend. Einige von unseren Leuten hatte Mitleid mit den Eingeschlossenen, weil wir keine persönliche Animosität gegen sie hatten. Aber es war Krieg, in dem wir entweder gewinnen oder verlieren.“

Spurensuche: Das ist heute von der Coast Guard in Allihies übrig . . .

Die aufkommende Morgendämmerung zwang die IRA-Männer zur Aufgabe. Trotzdem wurde die Station am Tag darauf evakuiert und diese westliche Seite der Halbinsel war von da an „frei von Polizei“. Heute ist von dieser Coast Guard Station außer einem überwachsenen Hügel und einer löcherigen Umgehungsmauer nichts mehr zu sehen.

Die Küstenwache von Eyeries an der Coulagh Bay. Heute eine weithin sichtbare Ruine

Anders dagegen die Coast Guard Station in Ballycrovane/Eyeries. Sie steht als mahnende Ruine am Eingang zur Kenmare Bay. Auch diese „Festung“ wurde 1920 von lokalen IRA-Männern mit Erfolg angegriffen und  in Brand gesteckt. Die Legende erzählt, daß eine Frau vom Ort den IRA-Männern verriet, daß das Waffenlager in der Station gut gefüllt sei und eine gute Beute für die stets waffen-klammen Freiheitskämpfer sein könnte. Obwohl diese Coast Guard Station eine Ruine ist, kann man noch sehr gut die Räume sehen, in denen die britischen Wachleute lebten und schliefen und ein waches Auge über die Coulagh Bay hatten. Ganz nah am Strand sind das intakte Bootshaus und der Anlegesteg erhalten, den das britische Militär benutzte.

Die ehemalige Küstenwache von Eyeries am Eingang zur Kenmare Bay

Präziser als die gerne erzählte Legende ist da der Bericht eines IRA-Mannes, der aktiv am Überfall auf die Station teilgenommen hat. Es war Liam O’Dwyer, der Vater von Riobard, der als ein engagierter Kämpfer für die Befreiung Irlands eintrat und dafür auch kämpfte und verschiedene Male im Gefängnis saß. Mit Hilfe von Bewohnern von Eyeries, die sich das Vertrauen der Offiziers-Frau erschlichen, erfuhren die IRA-Männer alle wichtigen Details über die Lage in der Station und wie sich die Wärter auf einen möglichen Angriff vorbereitet hatten. Die Station war mit zwölf Mann besetzt, in der Mehrzahl Marinesoldaten, inklusive zwei Offizieren, bewaffnet mit Gewehren und Pistolen und einem bestens gefüllten Waffenlager. Man erfuhr auch, daß nur die oberen Fenster mit Sandsäcken geschützt waren, da man sich vom ersten Stock aus verteidigen wollte. Die Angreifer, 15 an der Zahl, hofften also auf einen glücklichen Umstand, um ins Erdgeschoß eindringen zu können, um von dort aus zu kämpfen. Die Idee war, ans Paraffin-Lager zu kommen, um die Küstenwache in Brand zu setzen. Alles war gut vorbereitet. Tag und Uhrzeit wurde auf Sonntag, den 25. Juli, 12 Uhr mittags festgesetzt, gleich nach dem Angelus-Läuten.

Vier starke Männer mit Vorschlaghämmern standen bereit, die Eingangstüren einzuschlagen. Esels-Gespanne warteten versteckt, um den Abtransport der erbeuteten Waffen und Munition zu ermöglichen. Ein Beobachtungsposten mit Leuchtraketen wachte darüber, daß keine Hilfe unbemerkt aus Castletownbere kommen konnte. Man hatte auch nicht vergessen, kurz vor dem Angriff die Telefonleitung zu kappen. Und alle Angreifer trugen Tarnkleidung. Liam beschreibt dann im Detail, wieviele Gewehre, Revolver und Munition jeder Mann mit sich trug und welche Aufgabe die Männer hatten. Liam sollte sich der beiden Offiziere annehmen: Chief Officer Snowen und Officer Browne.

Liams Sohn Riobard wurde Lehrer und unterrichtete an der Grundschule im Townland Kilmacowen (zwischen Castletownbere und Eyeries). Schon als junger Mann interessierte er sich für Genealogie. Und so besuchte er in seiner Freizeit die Menschen auf der Beara-Halbinsel, um deren Familien-Stammbaum zu dokumentieren. Er vertiefte sich auch in Kirchen-Büchern und Volkszählungs-Akten. Im Laufe von vielen Jahren erwarb sich Riobard den Ruf als Ahnenforscher und wurde von vielen irischstämmigen Menschen aus der ganzen Welt angeschrieben und aufgesucht, die etwas über ihre irischen Wurzeln erfahren wollten. Vor einigen Jahren erreichte Riobard eine E.Mail von einem Richard H. Snowen, der Nachforschungen über seinen Großvater anstellte. Der Großvater war besagter Chief Officer in der Ballycrovane Coast Guard Station gewesen, um den sich Riobards Vater Liam “kümmern” solllte. Riobard berichtete dann, was er von seinem Vater erfahren hatte (frei übersetzt):

„Der Kampf für die Freiheit Irlands war im Gange. Black & Tans (englische Paramilitärs) hatten das Haus meines Vaters in Brand gesetzt, meine Familienmitglieder mußten unter freiem Himmel schlafen. Mein Vater und einige seiner Brüder kämpften gegen die Black & Tans in dieser Zeit. Unter dem Kommando von Christy O’Connell und meinem Vater wurde der Plan entwickelt, die Coast Guard Station in Ballycrovane zu überfallen. Die Männer näherten sich der Station von Seeseite her bis auf 50 yards, dann robbten sie bis zur Umgehungsmauer und überwanden diese. Beauts, der Offiziers-Hund begann heftig zu bellen und Mrs Brown verfiel in ein furchtbares Geschrei.  Mein Vater rief den Offizieren zu: „Hands up“, aber die ignorierten diese Warnung und begannen auf Liam zu schießen. Liam suchte Schutz hinter einer Säule und die Kugeln von Snowen und Brown flogen links und rechts daran vorbei. „Kill now, or be killed“ rief Liam, während er einen raschen Blick auf die Schießenden wagte. Liam feuerte aus der Deckung heraus, hörte einen dumpfen Aufschlag und ein kurzes Stöhnen – und Brown war tot. Liam wechselte seine Position und feuerte wieder ohne genau hinzuschaun und da war ein anderes Aufschlagen zu hören – und Snowen war tot. Liam rief Christy zu, daß beide Offiziere tot seien, aber die Marinesoldaten, die Christy und seine Mannen unter Feuer hatten, gaben nicht auf. Erst als Liam und ein Kamerad die beiden toten britischen Offiziere für alle sichtbar auf den Hof gezogen hatten, kapitulierten die Soldaten. Chief Officer Snowen und Officer Brown waren zwei tapfere Männer, die für ihr Land kämpften und unsere Wiederständler waren ebenso tapfere Männer, die für die Freiheit ihres Landes kämpften – Ireland. Such is war!“

 

Das Schicksal der anderen Coast Guard Stationen will noch entdeckt werden. Doch das ist eine andere Geschichte.

 

 

 Peter BernhardtDer Autor: Peter Bernhardt lebt seit dem Jahr 2000 in Eyeries auf der Beara Peninsula in West Cork. Bis zu seinem Ausscheiden aus seinem Arbeits-Leben war er Art Direktor und Werbeleiter. Seine Liebe zu Irland hat er 1967 auf einer fünfwöchigen Fahrradtour durch den Süden entdeckt. Danach folgten mehrere Irland-Urlaube mit Familie, bis 1987 ein altes Cottage seine Aufmerksamkeit weckte und darum warb erworben zu werden. Peters Interessen sind unter anderem Archäologie, lokale Geschichte und Storytelling.

PS: Peters Geschichten von der Beara Peninsula erscheinen regelmäßig hier auf Irlandnews.

Fotos: Peter Bernhardt (mit Ausnahme der historischen Aufnahmen, die Peter in akribischer Arbeit aufgespürt hat).