Apple Irland

Irlands Regierung führt uns gerade klar wie nie vor Augen, warum so viele Menschen in Europa die Schnauze gestrichen voll haben von der etablierten Politik. Die Europäische Union bringt endlich die Courage auf und fordert von Apple, einem der mächtigsten Unternehmen der Welt, ein Teil des Geldes zurück, dass der Tech-Konzern mit Hilfe der irischen Regierung seit dem Jahr 1991 an allen Finanzämtern Europas vorbei schleusen konnte: Die EU verlangt nun, dass Apple dafür 13 Milliarden Euro an den irischen Staat zahlt. Denn Apple hat in mehr als 20 Jahren auf die in Europa erwirtschafteten Gewinne so gut wie keine Steuern bezahlt. Steuerquote nahe null Prozent. Und was macht die Regierung Irlands? Sie lehnt das Geld ab und will sich gegen diese Entscheidung juristisch wehren. Verbrämt wird dieses sture Festhalten an grob un-ethischem Verhalten mit vermeintlich nationalem Interesse und nationaler Souveränität. Verteidigt wird die zwar legale, aber heute völlig illegitime irische Spezialität des Baus von Steuerschlupflöchern gigantischen Ausmaßes.

Sieben Jahre lang quälte sich die Mehrheit der Menschen auf der grünen Insel durch die tiefste Finanz- und Wirtschaftskrise, die das Land seit Jahrzehnten gesehen hatte.Der Staat hatte im September 2008 eine komplette Garantie für alle Bankeinlagen gegeben und war quasi über Nacht in die Zahlungsunfähigkeit gestürzt. Um Banken zu retten, Spekulanten und Hasardeure auszuzahlen und die europäische Finanzwelt zu befriedigen, wurde Mary und Paddy seit 2008 Milliarden Euros vom Mund abgespart: Durch immer neue Gesetze, Verordnungen, Steuer- und Abgabenerhöhungen – und viele Menschen haben das Tal der Tränen bis heute nicht verlassen, auch wenn die offizielle Hymne davon singt, dass Irland es längst wieder “geschafft hat”. Ungeschoren davon kamen Big Business und Big Finance. Die Multinationals dürfen weiterhin jährlich zig Milliarden Euro in wenige private Taschen schaufeln, die ganz klar den Staaten, den Gemeinwesen und den Gemeinden zustehen.

Menschen, mit denen ich in diesen Tagen spreche, kämpfen angesichts der Haltung ihrer Regierung im Fall Apple mit Übelkeit, Wutkrämpfen und Brechreiz: Ministerpräsident Enda Kenny und seine Kabinettskollegen – es gibt nur wenige rühmliche Ausnahmen – lassen die Bürger gerade völlig im Regen stehen: Sie schlagen sich erneut auf die Seite der globalen Konzerne, sie verteidigen eine 25 Jahre alte unmoralische Steuer-Vermeidungspraxis, die damals nach Art der Viehhändler unter der Ägide des korrupten Regierungschefs Charley Haughey für Apple (und andere Konzerne) handgestrickt wurde.

Was könnten 13 Milliarden Euro ändern in einem Land, das sich vor einer Dekade mal kurz als das reichste Land Europas feierte, aber infrastrukturell noch immer daher kommt wie ein Schwellenland? Mit der Weigerung, reinen Tisch zu machen und das den Menschen auf der Insel zustehende Geld treuhänderisch sinnvoll zu investieren, enthält die Regierung ihren Bürgern das Recht vor, endlich ordentliche Schulen, Krankenhäuser, Straßen, Wasserwerke und Kläranlagen zu bekommen, indem sie trotzig an den Fehlern der letzten Jahrzehnte festhält und sich erneut auf die Seite der anscheinend übermächtigen Konzerne schlägt – mit dem Argument, Arbeitsplätze hätten eben ihren Preis . . .  Und ja, sie festigt damit das üble Image Irlands als einem Finanz-Schurkenstaat, in dem noch immer alles möglich ist, was den profitgierigen Multis andernorts verwehrt bleibt. Es mag sein, dass diese Weigerung, den Status der mächtigsten Steuer-Oase für Multinationals in Europa aufzugeben, den überfälligen Reinigungsprozess noch ein paar Jahre verzögert. Stoppen kann sie ihn nicht. Wir werden noch viele dieser wahren Gruselgeschichten zu lesen bekommen – und der Schaden, der mit dem Verzögern und Verschleppen gesellschaftlich angerichtet wird, wird dadurch nicht kleiner.

Es stimmt. Apple hat Irland viele Arbeitsplätze und damit Wohlstand gebracht. Es stimmt: Die Globalisierung hat ihre Vorteile. Doch genauso stimmt, dass  die von Technik-Konzernen und Finanzkapital rasend schnell vorangetriebene Globalisierung die Ungleichheit in Europas Gesellschaften drastisch vergrößert hat, dass sie den sozialen Frieden erschüttert und dass sie viele Millionen Menschen mental wie materiell nicht mitgenommen hat. Ob in Irland, in Frankreich, in Klein-Britannien oder in Mecklenburg-Vorpommern: Zurück bleiben desorientierte, verunsicherte, ratlose und oft auch wütende Menschen, die sich in ihrer Welt nicht mehr auskennen, die sich in ihrer Existenz bedroht sehen und die sich von ihren Regierungen nicht mehr wahrgenommen fühlen. Auch die politische Führung in Irland ist gerade dabei, sich um Kopf und Kragen zu regieren . . .

Wie sie wohl weiter geht, die wahre Grusel-Geschichte von Paddy und dem Apfel-Monster?