Eine alte irische Mühle

Geschichten von der Beara-Halbinsel im Süd-Westen Irlands (Teil 23)

von Peter Bernhardt* 

Heute erzählt Peter Bernhardt die wahre Geschichte der Tuck Mill und des Müllers von Castletownbere, der sich mit einem existentiellen Problem herumschlagen musste: Er hatte nicht genug Wasser . . .  

Es klappert die Mühle am irischen Bach . . . aber nur, wenn auch ausreichend Wasser fließt! Es war einmal ein Müller, der lebte im 19. Jahrhundert in Castletownbere und hatte am Kista-Bach eine wunderschöne Tuck Mill, sie war bekannt als Florry Key’s Mill. Hierhin brachten die Menschen ihre Wolle, um sie kardieren und zu Fäden verarbeiten zu lassen. Das Kardieren dient im Prozess des Spinnens oder bei der Herstellung von Vliesstoffen zur ersten Ausrichtung der losen Textilfasern zu einem Flor oder Vliesstoff. Es wird berichtet, daß diese Mühle auch Korn mahlen konnte.

Am Berg Maulin kann der Graben des Müllers bis heute erkannt werden

Eine andere Beschreibung der Tuck Mills lautet: Die irischen Tuck Mills des 17. und 18. Jahrhundert waren kleine Mühlen, in denen Woll-Kleidung durch Reinigung und Verfilzung vor dem Gebrauch ihren letzten Schliff erhielten. In vielen Gegenden Irlands war es üblich, daß diese Wollwaren auf Hand-Webstühlen in Heimarbeit gewebt wurden. Der Mechanismus in diesen Tuck Mills war schlicht und wuchtig. Ein Wasserrad trieb eine tiefliegende Nockenwelle an. Die hölzernen Nocken waren mit Eisen überzogen.

So funktionierte die Mühle

Doch der Müller hatte beim Bau seiner Mühle offensichtlich nicht bedacht, daß es regenschwache Zeiten gab und dieser Bach nicht genug Wasser lieferte, um sein Business am Laufen zu halten. Und so zog er aus, um in den nahe gelegenen Bergen nach einer Möglichkeit Ausschau zu halten, wo es einen weiteren Bach gibt, den er „anzapfen“ könnte, um die Trockenzeiten zu überbrücken.

Auf der Nord-Westseite vom Berg Maulin fand er einen Wasserlauf, den er für geeignet hielt. Das Problem war nur: Er mußte einen Graben mit entsprechendem Gefälle um einen Hügel herum graben und dann auch weiter, bis er eine geeignete Stelle fand, wo er den neuen Zulauf mit dem  bestehenden Bach verbinden konnte. Zum einen war das eine ausgezeichnete Ingenieur-Leistung, zum anderen aber auch sicherlich eine wochenlange, harte und schweißtreibende Grabarbeit.

Diese Mühlen wurden im 17. Jahrhundert in Irland benutzt

Als die Arbeit getan war und der Durchstich erfolgreich verlief, drohte eine weitere Hürde. Ein anderer Müller aus Eyeries, dessen Bach der Müller angezapft hatte, und auch die Farmer, durch deren Land der Kanal führte, klagten vor Gericht auf Einstellung. Das Gericht gab den Klägern Recht und der arme Müller hatte all die Mühen umsonst aufgewendet. Er musste mit wasserarmen Zeiten leben, so gut es ging. Sein von Hand gegrabener Kanal ist aber auch noch heute an vielen Stellen zu sehen – allerdings nur, wenn man durch einen Ortskundigen darauf hingewiesen wird.

Die ursprüngliche Straße von Glengarriff nach Castletownbere verlief nur knapp oberhalb dieser Tuck-Mühle über den Kista-Bach. Die schöne, alte Brücke mit dem Namen Aghakista Bridge ist noch gut erhalten, manche nennen sie auch Cromwell-Bridge, obwohl Cromwell und seine Mannen nie in diese Gegend gekommen sind. Diese Old Road war der Vorläufer der jetzt südlich verlaufenden Straße, wo eine neue, breitere Brücke mit dem Namen Brandy Hall Bridge gebaut wurde, die vor ein paar Jahren nochmals erweitert wurde, weil der Verkehr zum sicheren Hafen von Castletownbere dies erforderte.

Historische Aufnahme der Aghakista Bridge

An dieser Stelle befand sich auch eine National School für Jungs mit gleichem Namen. Brandy Hall – ein eigenartiger Name für eine Schule. War da vielleicht einstens eine Bar? Ortsansässige verweisen auf die nahe gelegene Bucht, ideal gelegen für Schmuggler. Wenn man die Situation sieht, kann man sich gut ein Boot mit Schmuggelware im Dunkel der Nacht vorstellen, das da seine Ladung löscht. Und Brandy, besser bekannt als Cognac, war ein begehrtes Getränk in diesen Zeiten.

 


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By the way: Es hat in fast jedem Ort auf der Beara Peninsula Mühlen gegeben. Die Farmer waren Selbstversorger, und da sie alle Schafe besaßen und somit auch ausreichend Wolle, haben die Frauen sich die langen Winterabende im Schein der Öllampe mit Stricken und Weben die Zeit vertrieben.

Aktuelle Aufnahme der Aghakista Bridge

Denis F. MacCarthy, der Großvater der jetzigen MacCarthys-Bar-Besitzerin, Adrienne MacCarthy, in Castletownbere, hat über den Mühlenplatz und die dort lebenden Familien folgendes Gedicht geschrieben:

 

The Old Mill

There’s a dear little spot at the side of Clountreem
Where Foildarrig slopes down to the swift running stream,
Where the Powers and the Murphys, the Kellys and Sheas,
Drew their first breath of life and enjoyed their best days
When the Mill and the School stood within a stone’s throw,
And the seine boat and sand barge were anchored below
Where the green linnet warbled from furze bush all day,
And corncrake nightly was heard o’er the bay
Generations of Murphys, O’Sheas, Kellys and Powers,
Around the old carding mill spent many hours
While over the Bridge where the sea joined the stream,
The children got schooling and religion free
And west of the Bridge stood Tim Harrington’s cot
And Clarke’s modest mansion must not be forgot
Nor the Bridewell that never was built there for use,
‘Cept for pounding a donkey caught roaming loose
The school and the priest’s house, the Mill, Bridge and stream,
Have figured in many a fond exile’s dream
And where-ever they are, from Clountreem to Cathay,
A Power or a Murphy, a Kelly or a Shea,
Everlasting longs for the glad sight once more
Of the Mill and the school on that beautiful shore
And the graves of fond parents who rest on the hill
Set halos around Florry Kelly’s Mill.

 

Peter Bernhardt

Der Autor: Peter Bernhardt. Peters Geschichten von der Beara Peninsula erscheinen regelmäßig hier auf Irlandnews.

Fotos  und Reproduktionen in diesem Beitrag: Peter Bernhardt