“Our Lady’s Choral Society” bei der Aufführung von Händels “Messiah” in Dublin

 

Dublin IrlandDublin Tales: Tiefe existenzielle Not auf der einen Seite, künstlerischer Triumph auf der anderen — Mitte des 18. Jahrhunderts war Dublin ein Ort der Kontraste. Während sich der englische Adel einen Prachtbau nach dem anderen bauen ließ und die Stadt nach Osten zur Bucht hin expandierte (wir sind in der Zeit der georgianischen Könige), versank die übrige Bevölkerung in tiefer Armut. 1740 und 1741 kam es in Dublin zu Aufständen der notleidenden Bevölkerung. Doch in eben diesem Dublin sollte nur ein Jahr später, am 13. April 1742, Musikgeschichte geschrieben werden, und im Mittelpunkt stand ein Deutscher.

1741 befand sich der in London lebende deutsche Komponist Georg Friedrich Händel in einer tiefen Schaffenskrise. Der 56-Jährige war hochverschuldet, gesundheitlich angeschlagen, von den Kritikern verhöhnt, vom englischen Publikum fallengelassen. Da erhielt er vom Lord Lieutenant von Irland, dem Duke of Devonshire, die Einladung, ein Oratorium zu schreiben und in Dublin aufzuführen. Die Einnahmen sollten wohltätigen Stiftungen zugutekommen. Händel nahm die Einladung bereitwillig an, nicht ahnend, dass damit nicht nur sein Leben eine Wendung zum Besseren nehmen sollte, sondern der Welt eines der bekanntesten Stücke sakraler Musik beschert werden würde.

Die Rede ist von Händels “Messias”. Händel benötigte nur wenige Wochen, um sein Meisterwerk zu Papier zu bringen, um die Worte aus dem Libretto in Musik zu verwandeln. Er schrieb und komponierte Tag und Nacht, erfüllt von einem Feuer und einer Inbrunst, wie es sich nur in jenen magischen, äußerst seltenen Momenten höchsten kreativen Schaffens zeigt, und den Stefan Zweig in seinen “Sternstunden der Menschheit” ausschmückte. Über die bekannteste Passage des Stücks, den berühmten “Halleluja”-Chor, sagte Händel später: “Ich glaube, dass Gott mit mir gewesen ist, als ich es schrieb.”

 

Halleluja! – die Sängerinnen der “Our Lady’s Choral Society” bei der Aufführung

 

Im November 1741, die Tinte auf seinen Notenblättern war kaum getrocknet, setzte Händel nach Dublin über. der Komponist und seine Musik waren bereits sehr populär in Dublin und seine Ankunft war ein großes Ereignis. Über die Wintermonate bis April 1742 gab er in der gerade erst fertiggestellten “New Musick Hall” in der Fishamble Street (gleich neben der Christ Church Cathedral) zunächst einige kleinere Konzerte, die allesamt gut besucht waren.

Dann, am 13. April 1742, einem Dienstag drei Wochen nach Ostern, war der “Messiah” an der Reihe. Obwohl die Proben hinter verschlossenen Türen abgehalten wurden, hatte es sich herumgesprochen, dass da ein ganz besonderes musikalisches Kunstwerk geschaffen worden war. Mit Spannung fieberte die Stadt der Uraufführung entgegen. Die Nachfrage war derart groß, dass die Damen gebeten wurden, ohne Reifröcke zu erscheinen, und die Kavalliere ohne ihre Degen, damit möglichst viele Zuhörer in der kleinen Musikhalle Platz finden konnten. Über 700 begeisterte Zuhörer erlebten eine grandiose Aufführung und brachen in Beifallsstürme aus, als am Ende der Vorstellung der völlig hingerissene Händel sein Dirigentenpult verließ, auf die Bühne stürmte und persönlich in den “Halleluja”-Chor mit einstimmte.

Die Fishamble Street heute: Wo heute das Büro von Kennan & Sons steht, stand früher die "New Musick Hall", Schauplatz der Uraufführung von Händels "Messiah"

Die Fishamble Street heute: Wo heute das Büro von Kennan & Sons steht, stand früher die “New Musick Hall”, Schauplatz der Uraufführung von Händels “Messiah”

Händels “Messiah” war eine musikalische Sensation, und die Aufführung ein Ereignis, von dem die Stadt noch lange schwärmte. Die wohltätigen Stiftungen, die Nutznießer der Aufführung, freuten sich über reichlich Einnahmen. Händel selbst feierte mit seinem umjubelten “Messiah” seine musikalische Wiederauferstehung. Er blieb noch einige Monate in Dublin, gab noch weitere Konzerte, bis er im August 1742 nach London zurückkehrte, wo er noch viele weitere musikalische Triumphe feiern sollte. Obwohl er es sicherlich vorhatte, sollte er vor seinem Tod im Jahr 1759 Dublin nicht noch einmal besuchen.

Die Uraufführung von Händels “Messiah” im Jahr 1742 ist ein historisches Ereignis, das die Stadt Dublin heute noch feiert. Die “New Musick Hall” in der Fishamble Street ist inzwischen längst den Weg alles Irdischen gegangen. Doch an derselben Stelle führt heute jedes Jahr am 13. April die “Our Lady’s Choral Society” unter freiem Himmel Auszüge aus dem “Messiah” auf. Jahr um Jahr steigt erneut das jauchzende “Halleluja! Halleluja!” zum Himmel empor — und lässt so diesen glorreichen Moment in der Geschichte der Stadt Dublin wieder aufleben.

 Erinnerungstafel am Gebäude von Kennan & Sons in der Fishamble Street

Erinnerungstafel am Gebäude von Kennan & Sons in der Fishamble Street

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