Die Werber von Tourism Ireland, die Irland als Urlaubsland weltweit vermarkten, haben sich Großes vorgenommen: Sie wollen der Destination Irland mit einem Spiel auf Facebook den Online-Weg zu Ruhm und Umsatz ebnen. Der Wanderer hält sich von Video-Spielen eher fern, aber er kennt jemanden, der gerne daddelt: Kollege Tom Brütting vom Irland-Nachrichten-Service www.gaelnet.de ist ein begeisterter Computer-Spieler. Tom hat “Ireland Town” für Euch durchgespielt und gibt Auskunft. Tendenz: Daumen runter. Nach neuer Google-Terminologie: Dis-plusoned, oder um es like Facebook zu sagen: Would-love-to-like-if-it-was-good.

„You never get a second chance to make a first impression“, lernen junge Werbetreibende schon früh. Auf Deutsch heisst das, vor der Veröffentlichung einer Kampagne lieber zweimal hinzusehen, als durch Schlamperei den angestrebten Marketingeffekt ins Gegenteil zu verkehren. Dass derart „verkehrtes“ Marketing und Verkehrsmarketing durchaus eins sein können, hat Tourism Ireland (TI) in den letzten Tagen bewiesen. Irland braucht Touristen und so wird zur Zeit rund um die Welt massiv geworben – kreativ, unterhaltsam und, wie in den TV-Spots durchaus mit einem Augenzwinkern.

Als Marketingclou des Jahres hat man sich auf ungewohntes Terrain gewagt. Mit einem Social-Media-Spiel auf Facebook soll die Zielgruppe animiert werden, sich mit Irland zu beschäftigen und im letzten Schritt natürlich eine Reise zu buchen. Wer die Zielgruppe auf dem sozialen Netz seiner Wahl abholen kann, hat vieles richtig gemacht, weiß auch Mark Henry, Marketingdirektor von TI. Der machte vor dem Launch von „Ireland Town“ keinen Hehl daraus, dass er auf den viralen Werbeeffekt des Spiels setze.

Und die optimistischen Prognosen von Mark Henry deuten darauf hin, dass man sich in einer Liga mit dem milliardenschweren und 1600 Mitarbeiter starken Unternehmen Zynga, der Entwicklerfirma der erfolgreichsten Facebook-Spiele Cityville und Farmville wähnt. “Geht man davon aus, dass TI zur Zeit eine Fanbasis von rund einer Viertelmillion Menschen rund um die Welt hat und dass wiederum jeder Fan seinerseits 130 Freunde hat, dann kann TI mit dem neuen “Ireland Town”-Spiel bis zu 32,5 Millionen Menschen erreichen,” zählte Henry in der Pressemitteilung zum Spielstart schon die Hühner, bevor die Eier gelegt waren.

Das größte Ei haben sich die Verantwortlichen bei Tourism Ireland allerdings selbst gelegt, als sie „Ireland Town“ noch voller Bugs und katastrophal übersetzter Texte online stellten und so offenbarten, dass es an entsprechender Supervision des Projekts gemangelt hatte. Beispiel gefällig? “Willkommen bei St. Patrick’s Festival. Glücklich St. Patrick’s Day! Shake your Shillelagh! Embrace Ihre Irischsein! Und feiern die weltweit beliebteste Festival im Herzen der Partei in Irland.” Die Nachfrage bei TI ergab, dass a) eine Übersetzungsfirma mangelhafte Übersetzungen geliefert hatte, b) die deutschen TI-Mitarbeiter die Texte erst online zu lesen bekamen, und c) die deutsche Version am Ende eingestampft und auf Englisch umgestellt wurde.

Heute ist “Ireland Town” zwar keine Großbaustelle mehr, aber immer noch quälen Bugs die Spieler. Ein vergleichender Blick auf Farmville offenbart die Mankos.

1) Gameplay

Farmville fordert Aktivität und bietet soweit möglich ein gewisses Maß Realismus. Parzellen müssen gepflügt, angesät und abgeerntet werden, für Arbeit gibt es Geld. Hat man genug Geld verdient, kann man sich entsprechende Maschinen leisten, die die „Arbeit“ erleichtern.

„Ireland Town“ beschränkt sich vom Aufbau des Dorfs abgesehen aufs Anklicken von Textboxen. Vom Postamt (Textbox 1) eilt man zur Bushaltestelle und wählt in Textbox 2 sein Ziel irgendwo auf der Insel. Textbox 3 bietet eine Kurzinfo zum Reiseziel und in Textbox 4 steht schließlich die Liste der zu lösenden Aufgaben an diesem Ort, etwa „Chat at the bar“ oder „Try some Irish dancing“. Interaktion oder Animation Fehlanzeige! Aufgabe anklicken – fertig!

Als Belohnung gibt es gelegentlich goldene „Tokens“ und für erfüllte Quests bekommt man „Badges“ (wenn die Badgezuteilungsroutine irgendwann mal funktioniert), Ist aber auch nicht so schlimm, denn wofür man Tokens und Badges braucht, weiß keiner – eventuell für die angekündigten Gewinnspiele.

2) Kreativität

Farmville lässt dem Nutzer kreative Freiheit zu entscheiden, wo er ackert oder in der Sonne chillt, ob er Blaubeeren oder Baumwolle anbaut und ob Kühe oder Hühner die Farm bevölkern. Dazu kann der Spieler seine Farm nach Gusto und Spielgeldkontostand beliebig dekorieren und seine individuelle Farm schaffen.

In „Ireland Town“ steht der Aufbau der Stadt schon fest, der Spieler kann lediglich auswählen, wann er welches Gebäude „bauen“ will. Die Leistung des Spielers beschränkt sich aufs sporadische Einsammeln der Miete. Nach nur wenigen Tagen ist die Stadt fertig, alle 18 Gebäude errichtet.

3) Soziales Netzwerk

Farmville lässt Spieler mit ihren Freunden interagieren, deren Felder düngen, ihnen bei bestimmten Aufgaben helfen und in beschränktem Umfang Handel treiben.

In “Ireland Town” gibt es kaum Interaktion. Man kann Freunde einladen und Jobs wie Molkerei- oder Brauereimanager vergeben. Eine Interaktion im Sinne gegenseitiger Hilfe findet nicht statt.

So hart diese Kritik auch ausfällt, so sehr muss man Kreativität und Mut des TI-Marketings, sich mit einem Social Media-Spiel auf Neuland zu wagen, anerkennen. Man hätte den Entwicklern aber öfter mal über die Schulter schauen und vor allem das Spiel mit mit genug zeitlichen Vorlauf und allen 160 TI-Mitarbeitern auf Herz und Nieren testen müssen. Viele Bugs und Unzulänglichkeiten wären dann schon früher aufgefallen.

Ich habe „Ireland Town“ gespielt, weil ich Irland mag und weil mich die Umsetzung des Irland-Themas interessierte. Am besten gefällt mir noch die grafische Umsetzung des hübsch gezeichneten Dorfes, das sehr gekonnt beliebte Irland-Klischees bedient – doch mit ansprechenden Bildern allein ist es nicht getan. Das Spiel hat es leider nicht über eine monotone Abwicklung von Klickroutinen hinaus gebracht und mit der fast völlig fehlenden Interaktivität steht und fallen der soziale Charakter des Spieles und seine Chancen zum neuen viralen Renner zu werden.”

Danke Tom,  für diese Fleißarbeit.