Eine wahre irische Geschichte von Marie-Louise Lagger

Chinesen in IrlandIn den frühen siebziger Jahren fuhr ein Bekannter mit seiner Frau durch Connemara. Sie waren in ihrem Schweizer Auto unterwegs. Damals war der Tourismus noch nicht so verbreitet und Autos mit fremden Nummernschildern (außer vielleicht englischen) eine Seltenheit. Sie erfreuten sich beide an der wildromantischen Landschaft und vergaßen ein wenig Gott und die Welt.

Auf einmal bemerkte Frieder, so hieß mein Bekannter, dass das rote Laempchen der Benzinuhr blinkte. Ohje, vielleicht sollten sie sich bald einmal nach einer Tankstelle umsehen. Nach einer Weile erfolglosem Weiterfahrens, hörte das Lämpchen zwar auf zu blinken, brannte jedoch nun dauerhaft. Die Lage war nun Ernst. Was nun? Langsam begann es zu dämmern. Die Beiden holten zum wievielten Male ihre Straßenkarte hervor. Doch diese schien völlig nutzlos zu sein. Waren doch die Ortsnamen in Englisch auf der Karte und in Gälisch auf den Straßenschildern. Es war zum Mäusemelken.

Endlich trafen sie auf einen Bauern, der mit seinem Traktor am Straßenrand stand. Sie fragten Ihn nach der nächsten Tankstelle. Er meinte, in zirka zehn Minuten würden sie zu einem größeren Dorf kommen und dort würden sie eine Tankstelle finden. So fuhren sie guter Dinge weiter. Das größere Dorf entpuppte sich als eine Kirche, ein Friedhof und ein Haus, indem sich die Post, der Dorfladen und ein Pub befanden. Von Tankstelle keine Spur. So fragten sie im Pub, wo sie denn tanken könnten. “No problem, follow me” Der Pubbesitzer war ein ältere Ire mit einen sehr eindrucksvollen Connemara-Akzent. Hinter dem Haus befand sich ein Gartenschlauch. Der Mann steckte den Gartenschlauch in den Autotank und ging zum Haus zurück.

Er fragte, wieviel Benzin sie denn haben möchten. Frieder nannte die Menge und der Mann öffnete einen Hahn an der Wand. Von einem Zaehler war keine Spur zu sehen. Der Mann schielte auf seine Armbanduhr und drehte den Hahn nach einer Weile zu. Frieder staunte. Als er zum Auto ging und kontrollierte, war sein Tank voll und kein Tröpfchen ging daneben. Sie tratschten noch eine Weile über dies und das.

Auf einmal ging der Ire mehrmals um das Auto herum, besah sich das Nummernschild und das CH-Zeichen, schüttelte seinen Kopf und schien scharf nachzudenken. Frieder fragte ihn dann: “Is everything ok?” Der Ire beruhigte ihn und meinte: “Yes, Sir, everything is fine. But, can I ask you something?” (“Darf ich Euch was fragen”)Frieder meinte: “Sure you can.” Der Ire fragte nun ein wenig verlegen: “You don’t look like Chinese, don’t you?” (“Ihr seht gar nicht wie Chinesen aus”) und zeigte auf das Länder-Zeichen CH an Frieders Auto. Frieder war sprachlos. Es dauerte eine Weile, bis er die Frage verstand. Dann beruhigte er den Iren. “No we are Swiss” (“Nein wir sind Schweizer”). Das schien dem guten Mann allerdings nicht gerade viel zu sagen. Er verabschiedete sich freundlich und stapfte in sein Pub zurück. Frieder und seine Frau fuhren schmunzelnd weiter. Als Chinesen hatte man sie noch nie bezeichnet. Eine interessante Begegung in Connemara.

Geschichten aus dem Glen, Irland

 

* Marie Louise Lagger lebt seit dem Jahr 2006 im County Mayo in der Nähe von Westport, Irland. Die Schweizerin kennt Irland seit ihrem ersten Besuch im Jahr 1980. Seitdem ging ihr die Grüne Insel nicht mehr aus dem Kopf. Heute trotzt sie der massiven Rezession in der Wahlheimat mit  Optimismus.

Für das Foto bedanken wir uns bei kostuem-planet.de mit einem Link!