Irland Pubs

MacCarthy´s Bar in Castletownbere.

Geschichten von der Beara-Halbinsel im Süd-Westen Irlands (Teil 20)

von Peter Bernhardt* 

Heute erzählt Peter Bernhardt die Geschichte der Familie MacCarthy. 

Die Beara Peninsula ist auch bekannt unter dem Namen O’Sullivan Bere Peninsula. Hier hatte der Sullivan-Clan mit seinen vier Burgen (Castles) über viele Jahrhunderte das Sagen. Doch wie in Deutschland die Namen Müller, Maier, Schulze weit verbreitet sind, so sind hier auf Beara die Namen Harrington, Murphy und MacCarthy dominierend. Und wenn dann noch jeder zweite Mann Paddy heißt, dann wird es für einen Suchenden richtig schwer, an die gewünschte Adresse zu gelangen. Und so haben fast alle Familien einen Nickname, also einen Spitznamen.

Castle Dermot. Heute verschwunden.

Heute möchte ich die Geschichte einer Familie mit dem Namen MacCarthy erzählen. Dieser Zweig der MacCarthys lebt schon in Castletownbere, als sich die ersten Häuser zu einem Städtchen formierten. Der Name Castletown leitet sich von Castle Dermot ab, das einstens von einem MacCarthy erbaut wurde. Von dem Castle ist nichts mehr übrig geblieben. Nur eine alte Karte, angefertigt in der Zeit, als das berühmte Dunboy Castle von Sir George Carews Soldaten belagert und erobert wurde (1601), zeigt den Standort.

Die MacCarthys sind geblieben und haben ein Unternehmen gestartet, das viele Jahre erfolgreich betrieben wurde. Den ersten Gemischtwarenladen in Castletown gründete Michael MacCarthy im Jahre 1860 im Alter von 33 Jahren. Mit den Jahren kamen der Handel mit Kohle und Salz hinzu, sowie der Ankauf und Export von Fisch.  Michael belieferte auch die Royal Navy, die schon seit 1796 eine Basis auf Bere Island unterhielt.

Die MacCartys waren auch die ersten Leute in Castletownbere, die eine Lizenz für den Ausschank von Bier hatten. Dazu gibts eine kleine Geschichte: Ein Brauerei-Handelsvertreter kam nach Castletownbere und klopfte zunächst bei D.D. Harrington an, ob er interessiert sei, Gastwirt zu werden. Seine Frau, die bei diesem Gespräch zugegen war, antwortete für ihren Mann, daß sie unter keinen Umständen ihren Laden in einen Pub umwandeln würde. Der Vertreter ging darauf hin zur nächsten Tür, um dort anzufragen, ob ein Interesse bestünde – es war die Tür von Michael McCarthy. Als auch die Ehefrau Einspruch erheben wollte, schickte Michael sie in die Küche mit dem Auftrag, sich um Küche und Lebensmittelladen zu kümmern. Er selbst willigte ein, baute sein Geschäft um und eröffnete den ersten Pub in Castletown, der noch heute ganz in alter Tradition zu bestaunen ist. Im vorderen Teil ist ein Lebensmittelgeschäft. Im hinteren Teil der Pub. Und gleich neben der Eingangstür ein “Snug“ (ein Mini-Raum für Frauen, die dort einen Drink zu sich nehmen konnten, ohne gesehen zu werden. Denn Frauen in einem Pub war zu diesen Zeiten ein „no go area“! Aber auch Heiratsvermittlungen fanden in diesem Räumchen statt.)

Das Pub heute. Immer noch mit Shop.

Michael und seine Frau hatten eine große Familie, fünf Töchter und vier Söhne. Timothy, der älteste Sohn, geboren 1862 bekam eine gute Ausbildung. Zunächst in der lokalen National School. Mit 13 Jahren besuchte er die Handelschule in Cork. Nach drei Jahren wechselte er aufs College in Maynooth und wiederum nach drei Jahren zog er nach Cork, um dort den Technik-Lehrgang im Queen’s Collage zu belegen. Tim ist dann ausgewandert nach New York und beendete sein Arbeits-Leben als Stadt-Bauingenieur. Er starb im Alter von 67 Jahren in New York.

Der zweitälteste Sohn James D. studierte an der Universität in Cork, wurde Rechtsanwalt und praktizierte später in Carlow, wo er als reifer Mann zum County-Sheriff ernannt wurde. Er war der letzte Träger dieses Titels, nach seinem Tod wurde der Sherriff abgeschafft.

Denis F. war der jüngste MacCarthy-Sohn. Als sein Vater, Old Michael, starb, übernahm Denis das Unternehmen und baute weiter aus. Denis F. wurde Lloyd-Repräsentant für das hiesige Gebiet, ebenso Vertreter für die Shipwrecked Mariners and Fishermen’s Association und für die North German Lloyd Liners. Im Jahr 1903 sollte König Eduard VII die Royal Navy Basis in Castletown besuchen, und Denis wurde ausgewählt, die Begrüßungs-Rede zu halten. Zu diesem Anlass mußte Denis extra einen Hut und einen Frack kaufen. Alles verlief erfolgreich.Wenige Wochen, nachdem der König Irland wieder verlassen hatte, kam aus London das Angebot, Denis in den Ritterstand zu erheben. Keiner weiß, warum er das Angebot abgelehnt hat. Es wird vermutet, dass Denis´ Vater, der noch gute Erinnerungen an die schweren Zeiten der Hungersnot hatte, und der darunter stark gelitten hatte, für die Ablehnung mit verantwortlich war.

Die MacCarthys hatten einen Nachbarn mit dem gleichen Namen, und um Irritationen zu vermeiden entschloß sich D. F., wie Denis genannt wurde, 1911 den Namen von Mac in Mc zu ändern. Das ist auch heute noch im Mosaik im Eingangsbereich des schmucken Pubs am Square in Castletown zu sehen – obwohl über dem Eingang wieder das alte MacCarthy steht.

High Life im Snug.

Eine weitere Geschichte ist von der Familie überliefert: Als Vater Michael sterbenskrank im Bett lag und der Prister zur letzten Ölung gerufen wurde, erschien er auch, blieb aber unter dem Türstock stehen und verkündete, er würde die Schwelle nicht übertreten, weil in diesen Räumlichkeiten Alkohol verkauft würde. D. F. war außer sich vor Wut, aber es blieb ihm nichts anderes übrig, als dem sterbenden Vater selbst den letzten rituellen Dienst zu erweisen. Obwohl D. F. selbst auch ein religiöser Mensch war, weigerte er sich in den folgenden Jahren, zur Messe zu gehen. D. F. heiratete am 4. Januar 1904 Julia Murphy. Das Paar bekam zehn Kinder, fünf Söhne und fünf Töchter.

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde Castletown zur Boomtown. Gigantische Kampf-Geschwader errreichten den geschützen Hafen, und mit ihnen trafen Seeleute und Soldaten ein, die alle versorgt werden wollten. Und D.F. half wesentlich dabei, alle zufrieden zu stellen. Er eröffnete eine Bäckerei und erweiterte seine Lagerkapazität. Das ging natürlich einher mit der Einstellung von örtlichen Arbeitskräften. Und es wurde noch besser, als Amerika 1917 in den Krieg eintrat. Castletownbere wurde in diesem Krieg zu einer der reichsten Städte ihrer Größe im Vereinigten Königreich. In diesem Krieg war Irland noch ein Teil des britischen Empire. Über 200.000 Iren kämpften für Großbritannien und fast 50.000 verloren ihr Leben. Als der Krieg 1918 endete, brach die Stadt in eine viertägige Jubelfeier aus. Der Alkohol floß in Stömen und so mancher Soldat fiel berauscht ins Hafenbecken. Drei ertrunkene Seeleute wurden gefunden, niemand weiß, wieviele vermißt blieben.

Mit dem Endes der Ersten Weltkriegs und dem Abzug der englischen und amerikanischen Geschwader endete auch die Blütezeit der Stadt, der Boom war vorüber und Castletownbere versank in einen Dornröschenschlaf.

Das sechste Kind der Familie MacCarthy war übrigens ein Sohn mit Namen Aidan, geboren 1913. Er würde die Geschäfte der MacCarthys übernehmen. Sein Leben war ein großes Abenteuer. Aber das ist eine andere Geschichte . . .

Pubs Beara

MacCarthy´s Bar. Sehenswert. Liebenswert.

 Peter BernhardtDer Autor: Peter Bernhardt lebt seit dem Jahr 2000 in Eyeries auf der Beara Peninsula in West Cork. Bis zu seinem Ausscheiden aus seinem Arbeits-Leben war er Art Direktor und Werbeleiter. Seine Liebe zu Irland hat er 1967 auf einer fünfwöchigen Fahrradtour durch den Süden entdeckt. Danach folgten mehrere Irland-Urlaube mit Familie, bis 1987 ein altes Cottage seine Aufmerksamkeit weckte und darum warb erworben zu werden. Peters Interessen sind unter anderem Archäologie, lokale Geschichte und Storytelling.

PS: Peters Geschichten von der Beara Peninsula erscheinen regelmäßig hier auf Irlandnews.

Fotos: Peter Bernhardt (2), Antje Wendel (3, 4)  Markus Baeuchle (1, 5)