Wie steht es um Irland? Geht es wirtschaftlich bald bergauf? Dürfen die Hausbesitzer, die Arbeitslosen, die Menschen mit den großen Bank-Krediten wieder hoffen? Die Lage ist unübersichtlich, es ist die Zeit der Nebelwerfer, der Verschleierer und der Täuscher. Die politische Führung des Landes macht in Optimismus und hält das Wahlvolk im Ungewissen. Wie sagte der Busfahrer auf dem Weg nach Cork kürzlich zu einer Kundin: “Die da in Dublin behandeln uns wie Pilze. Sie halten uns im Dunkeln”. Gestern nun erlebte die irische Öffentlichkeit einen der seltenen lichten Momente, in dem sich klare und scharfe Trennungslinien zwischen Wahrheit, Hoffnung, Illusion, Lüge und Unwissen auftaten: Der Dubliner Ökonomieprofessor Morgan Kelly hatte wieder einmal seinen Nebelscheinwerfer ausgepackt und warf ein grelles Licht auf die Gegenwart und die Zukunft des Landes.

Kelly hat schon in Zeiten des Keltischen Tigers Klartext geredet und beschrieb schnörkellos und direkt, wo die irische Sause einmal enden würde. Damals wurde er als “Nestbeschmutzer” verunglimpft. Jetzt zeichnet er in der Irish Times das große Gemälde von der harten Wirklichkeit Irlands und schenkt allen, die nicht so viel von Wirtschaft und Finanzwirtschaft verstehen, reinen Whiskey ein. Kellys Analyse der Lage ist niederschmetternd. Hier seine wichtigsten Befunde zum Stand der Dinge:

* Entgegen aller Beteuerungen: Irland ist bereits heute pleite.
* Irland hat im September 2010 seine Unabhängigkeit abgegeben.
* Die Republik Irland als unabhängige finanzielle Institution gibt es nicht mehr.
* Irland befindet sich in der Hand der Europäischen Zentralbank, die das Land bereits finanziert.
* Verursacht wurde die Pleite durch eine fatale Entscheidung: Die Garantie der Regierung für die Banken und die Verpflichtung, die irischen Banken zu retten.
* Neben der Anglo Irish Bank liegen auch die Banken AIB und BOI am Boden: Die Summe zur Rettung der Banken beträgt 70 Milliarden Euro – und nicht 34 Milliarden, wie die Regierung behauptet.
* Das Banken-Loch verschluckt die gesamten Einkommenssteuern der kommenden fünf Jahre.
*  Der massive Druck der europäischen Partner auf Rückzahlung der Bankschulden von 55 Milliarden Euro im September 2010 hatte einen einfachen Grund: Die Banken in Großbritannien, Frankreich und Deutschland wollten ihr Geld wiedersehen – und haben es bekommen. Zwischenfinanziert von der Europäischen Zentralbank.

Und wie sieht die Zukunft laut Morgan Kelly aus? Noch schlimmer:

*  Irland ist faktisch pleite. Doch früh im Jahr 2011 wird Irland auch das geliehene Geld endgültig ausgehen.
* “Beobachter” aus Europa sind im Finanzministerium in Dublin eingezogen und bereiten die nächsten Entscheidungen vor. Man nennt sie “The Germans.”
* Die zweite Eskalations-Stufe der irischen Krise steht bevor: 100.000 bis 200.000 Hausbesitzer werden ihre Hypothekenkredite nicht mehr bedienen können und müssen Privat-Bankrott anmelden.
* Die Hauspreise gehen noch weiter in den Keller.
* Große soziale Konflikte ziehen auf.
* Es wird eine streng rechte Tea-Party-ähhnliche politische Bewegung entstehen.
* Die beiden großen Parteien Fianna Fail und Fine Gael werden nahezu bedeutungslos.
* Eine rechte, nationalisitsche, anti-europäische Partei wird starken Zulauf haben.

Das Schlimmste offenbart Morgan Kelly am Ende seines Aufsehen erregenden Beitrags:
Keiner hat derzeit eine Lösung für Irland, auch er selber nicht. Er weiß aber: Von jetzt an hat Irland nur noch eine Hoffnung: die Freundlichkeit von Fremden. Es wird an Europa und an den starken Nachbarn Deutschland und Frankreich liegen, ob dem Land faire Konditionen zur Entschuldung und Erholung gewährt werden. Aus eigener Kraft kann Irland nicht mehr gesunden.

Schöne Aussichten! Der Letzte macht das Licht aus. Hier der Originaltext von Morgan Kelly in der Irish Times.