Sparland Irland. Banken gerettet, Bevölkerung verarmt .

Sparland Irland. Banken gerettet, Bevölkerung verarmt .

Irland ist nicht Griechenland — und Enda Kenny schon gar nicht Alexis Zypras. Beide Länder standen im Jahr 2010 vor der Pleite. Irland, genauer die irische Regierung, hatte sich deshalb flugs dem Spardiktat der Troika — der neuen Herren im Land von EU, Europäischer Zentralbank EZB und Internationalem Währungsfond IWF – bedingungslos unterworfen, die Souveränität zeitweise abgegeben und sich mit einer ferngesteuerten Austeritäts-Politik vom restlichen Europa als Spar-Weltmeister feiern lassen. Griechenland fügte sich dagegen eher vermeintlich bis halbherzig und sucht nun seit einigen Wochen den offenen Konflikt mit einer EU-Politik, die Banken rettet und Menschen finanziell und gesundheitlich bedroht und zerstört.

Natürlich sind beide Länder nicht zu vergleichen: Irland hat das nachweislich solidere Wirtschafts- und Verwaltungsssystem, ist strukturell besser augestellt – und doch fällt auf, wie wenig zuletzt, angesichts des Dramas um Griechenland, in Brüssel, Berlin oder Paris die alte Erfolgsstory vom sogenannten Musterpatienten Irland erzählt wird. Irland kommt als Referenz (Bittere Medizin geschluckt und deshalb am Gesunden) derzeit nicht vor, und die Gründe liegen auf der Hand.

Proteste in Irland: Die Troika war kaum ein Grund, das Wasser ist es.

Zahlreiche Menschen auf der Insel leben aufgrund der strengen Sparpolitik der vergangenen sieben Jahre in Armut oder am Rande der Armut. In diesem Land hungern längst wieder Kinder, Menschen leben auf der Straße, kleine Geschäftsleute haben ihre Existenz verloren, andere ihren Job, viele Iren wissen nicht, wie es finanziell und beruflich weitergehen soll. Die beiden irischen Post-Celtic-Tiger-Regierungen zeigten sich servil bis zum Gehtnichtmehr und muteten ihren Bürgern heftige Belastungen zu —nachweislich zugunsten der großen europäischen Banken, der Finanzmärkte und der sogenannten Wirtschaft. Heute lebt die Mehrheit der Iren wesentlich bis empfindlich schlechter als vor fünf Jahren, und wenn die Rede von einem spürbaren Aufwärtstrend der Wirtschaft im Land ist, reagieren viele Insulaner nur mit Zynismus.

Der Druck des Sparens, Weniger-Verdienens und Mehr-Bezahlens wurde im vergangenen Jahr so groß, dass auch den geduldigsten Menschen in Europa dann doch noch massenweise der Kragen platzte: Ausgerechnet am Thema Wasser und mit teilweise dümmlichen Parolen (Warum Wassergebühren zahlen in einem Land, wo es so viel regnet) entlud sich der Zorn auf die devote Regierung und die Absahner-Elite in deren Dunstkreis in Massenprotesten gegen die neuen Wassergebühren. Die etablierten Parteien in Irland verlieren rasend schnell an Zustimmung, unabhängige und linke Gruppierungen sind auf dem Vormarsch.

Die Lage ist auch im neuen Jahr unterschwellig explosiv – und deshalb will man sich im offiziellen Europa nicht mehr zu weit mit dem vermeintlichen Gesundspar-Musterbeispiel Irland aus dem Fenster hängen. Die Fine-Gael-Labour-Regierung sucht derweil mit der Behauptung zu punkten, ihre beispiellose Rosskur ebne gerade den Weg in eine glänzende Zukunft, während die armen Griechen dem totalen Niedergang entgegen sähen. Aber ob Mary und Paddy das auch glauben wollen? Diese Frage wird die nächsten Parlamentswahlen spätestens im kommenden Frühjahr entscheiden. In Vorbereitung des politischen Showdowns blicken deshalb alle politischen Lager in diesen Wochen auf Griechenland – manche beschämt, andere trotzig, dritte bestärkt. 

 Derweil muss sich auch die neue nationale Wasserversorgung die Herzen der Bevölkerung erobern. Gänzlich ungeschickt aufgesetzt als auf den ersten Blick erkennbarer Selbstbedienungsladen für das Management und ausgestattet mit der Option zur Bereicherung für die Mächtigen im Land  (Privatisierung der Wasser-Resourcen), wird die halbstaatliche Irish Water  beweisen müssen, dass sie – auch als Gegenleistung für die neuen Wassergebühren – die gewaltigen Infrastrukturprobleme lösen kann. Heute morgen wurde bekannt, dass das marode Wasserversorgunsgnetz durch Lecks genauso viel Wasser verliert wie es am Ende liefert. Die Abwasser-Reinigung könnte gemessen an europäischen Standards vorsintflutlicher nicht sein, und vielerorts ist die Wasserqualität so schlecht, dass vom Trinken aus dem Wasserhahn heftigst abgeraten werden muss. Und nicht zu glauben: Im regenreichen Irland droht stets die Wasserknappheit: Ein paar Wochen ohne Regen, und viele Städte — vor allem der Großraum Dublin ist betroffen – wähnen sich wasserversorgungstechnisch am Rande der Sahel-Zone.

Die Wut der Iren: Es scheint unverständlich, warum die Iren ausgerechnet beim Thema Wasser auf die Barrikaden gehen — es sei denn, man bleibt im Bild und bemüht den berühmten Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Es könnte aber auch die Wut darauf gewesen sein, dass es die Regierung des einst “reichsten Landes in Europa” noch nicht einmal geschafft hat, in den fetten Jahren nach dem Millenium den eigenen Bürgern ein Lebens-Minimum zu garantieren. Denn Wasser ist, nach der Luft zum Atmen, unser wichtigstes Gut, das uns am Leben hält. Sláinte, Bertie und Co!