Musik-interessierte LeserInnen von Irlandnews erinnern sich sicher an unseren Gastautor Patrick Steinbach (Foto oben), der im Music Corner irische Bands und Interpreten vorstellte. Nach einer kreativen Pause ist Patrick wieder da und spinnt den musikalischen Faden weiter. Im Music Corner 2.0 wird natürlich wieder die Musik Irlands im Mittelpunkt stehen. Neben Musikern von der grünen Insel und solchen, die sich der irisch-keltischen Musik verschrieben haben, wird auch genügend Raum da sein, deren Repertoire oder einzelne Lieder genauer unter die redaktionelle Lupe zu nehmen. Patrick Steinbach ist profunder Kenner der irischen Musik und Herausgeber zahlreicher Notenbücher zur Musik Irlands. Heute zum Auftakt stellt er sich selber vor. Welcome back, Patrick!

 

:: Gerne möchte ich mich zunächst vorstellen und ein kurzes Licht darauf werfen, wie ich zur Musik gekommen bin und was sie mir bedeutet. Hierfür unternehme ich einen kleinen Ausflug in die Vergangenheit und möchte zuerst meine beiden Eltern vorstellen, denn ich bin nicht nur ein Kind der 70er Jahre, sondern auch ein Kind von Eltern, für die Musik etwas sehr Elementares war.

Meine Eltern: Hans-Heinrich Steinbach und Una Mary Kathleen Malone

Mein Vater hat als 13 Jähriger die Schrecken der letzten Kriegstage hautnah erlebt und wohl nur deshalb überlebt, weil er im Spielmannszug der HJ vorne weg das Xylophon spielte und man ihn brauchte. Zwischen Bomben und Trümmern war die Musik ein entscheidender Überlebens-Vorteil. Im Nachkriegsberlin lernte er später von amerikanischen Soldaten Jazzmusik und bekam für seine Auftritte in GI Clubs genügend Anerkennung und Zigaretten, die er auf dem Schwarzmarkt gewinnbringend verkaufen konnte. Auch lernte er, fließend englisch zu sprechen. Es war wohl die beste Zeit im Leben meines Vaters. Immer leuchteten seine Augen, wenn er von den guten und wilden Tagen der 50er Jahre erzählte. Die grenzensprengende Vitalität des Jazz hatte sein Leben gerettet.

Meine Mutter kam aus Dublin. Zwischen strengstem Katholizismus und Feenglaube aufzuwachsen, geprägt von atemabschnürender Moral und Missbrauch, war für ein irisches Mädchen seinerzeit vielleicht normal, nicht aber unbedingt gesund für eine selbstbestimmte persönliche Entwicklung. Ihr Onkel war der bekannte irische Freiheitskämpfer Dan Breen, der in ihrer Fantasie mit seinem Mut und seinem Kampfeswillen ein besseres Leben versprach.

Meine Eltern, der Deutsche und die Irin, lernten sich in einer Jugendherberge in Brüssel kennen.

Als meine Eltern heirateten, war Schluss mit der Musik meines Vaters, schließlich musste er nun eine Familie ernähren und einem vernünftigen Beruf nachgehen. Fortan war der Jazz nur noch eine schöne Erinnerung an eine Lebendigkeit, die er so nie mehr erleben sollte. Meine Mutter hatte eine Schallplatte der Dubliners im Gepäck, als sie in der Nähe von Frankfurt am Main meine beiden Geschwister und mich großzog. Ich erinnere mich, wie unsere Mutter mit Tränen in den Augen diese wunderschönen Lieder mitsang, deren Sinn wir nicht verstanden, die aber trotzdem in der Lage waren, uns in eine andere Welt zu transportieren. Eine Welt voller Helden und Heiligen, eine Welt von Feen und Zauberern. Ja, wir glaubten noch an den Topf mit Gold am Ende des Regenbogens, weil unsere Mutter so stark daran glaubte.

Während Musik für meinen Vater eine Verbindung zu Vergangenem darstellte, in dem er sich dort wieder lebendig fühlte, so war sie für meine Mutter wohl noch viel mehr. Sicherlich eine Erinnerung an das alte Irland, dem sie mehr oder weniger glücklich entflohen war und das sie nun zu idealisieren begann. Vor allem aber waren diese Lieder wehmütige Hoffnungsträger, ein Versprechen auf bessere Zeiten, die es so nie geben würde. In beiden Fällen war die Musik ( der Jazz und der Irish Folk) geprägt von tiefer Emotionalität und Sehnsucht. Versprechung und Erfüllung in einem. Meine Eltern waren beide Alkoholiker.

Ich selber begann mit zehn Jahren Gitarre zu spielen in dem Jahr, als sich meine Eltern trennten. Jazz und Folk bildeten den musikalischen Rahmen meiner Kindheit, zwei Musikrichtungen, die nur schwerlich miteinander zu vereinen waren. Bei der eigenen Identitätssuche war das anfangs wenig hilfreich, so dass mein Erwachsenwerden eher vom metallischen Sound und den Exzessen der 70er und 80er Jahre begleitet wurde. Trotzdem empfinde ich eine tiefe Verbindung, einen unwahrscheinlichen Gefühlsreichtum, wenn ich heute Jazz oder Folk höre.

Ich bin Musiker geworden und suche in meiner Musik weniger Grenzen zu überwinden als Gemeinsamkeiten und Verbindungen aufzuspüren. Vielleicht träume ich von einer Musik, einer Art Weltmusik, die sämtliche unterschiedliche Bereiche zu vereinen oder zumindest zu versöhnen versucht.

Ich danke meinen Eltern zutiefst für alles, was sie mir mitgegeben haben, alle Widersprüche und Verklemmtheiten, alle Steine, die sie mir mit ihrer eigenen verqueren Historie in den Weg gelegt haben, über die ich nach und nach gelernt habe hinwegzuspringen. Ich danke ihnen vor allem für den tiefen Zugang zur Musik.

Dies ist mein persönlicher Hintergrund und meine eigene kleine Aussichtsplattform, von der aus ich in die Welt blicke. Von hier aus werde ich in den kommenden Monaten für Irlandnews den Music Corner 2.0 schreiben. Darauf freue ich mich sehr. ::