Es gibt traurig stimmende Nachrichten über Irland. Aus Ostfriesland. Zitieren wir erstmalig die Ostfriesischen Nachrichten. In ihrer Samstagsausgabe berichtet die Zeitung aus Aurich über ganz spezielle Folgen der itrischen Wirtschaftskrise. Doch eins nach dem andern: Schon mal was vom “Klootscheeten” gehört? Oder vom “Boßeln”?

Nein, nicht, was Sie jetzt denken. Schon mal mitten in der irischen Pampa auf einer einsamen Landstraße von einer Menschenmenge aufgehalten worden, die beim “Ból an bhóthair” dem fachgerechten Wurf einer knapp 800 Gramm schweren Eisenkugel hinterherfiebert?  Schon einmal die in verzückter Streckung in der Luft stehenden Körper der Straßenkegler bewundert? Klootschießen, Boßeln, Irish Road Bowling oder Straßenkegeln sind regionale Variationen eines archaischen Sports, der immer dasselbe Ziel hat: Der Werfer oder das Werferteam muss eine Kugel mit möglichst wenig Würfen über eine festgelegte Distanz “befördern.” In Irland spielen die Road-Bowler vor allem in den Regionen Cork und Armagh auf kleinen Landstraßen über eine Distanz bis zu vier Kilometern. Die Straßen-Bowler sind angesehene Sportler und  wo sie antreten floriert das Wett-Business. Die Fans setzen Geld auf ihren Favoriten, folgen diesem über den Straßen-Parcours, feuern ihn an und sparen nicht mit guten Tipps und Ratschlägen. Die Minen verfinstern sich kollektiv, wenn ihr Werfer die Kugel schon nach kurzer Distanz in die Büsche weitab der Straße setzt.

Die Kegel-Könige der (Land-)Straße werfen ihre Kugeln in Irland nachweislich schon seit dem 17. Jahrhundert. Historikern zufolge war das Road Bowling auf den Britischen Inseln früher weit verbreitet; heute hat es auch Anhänger in irischstämmigen Kreisen in den USA, in Australien oder in Neuseeland. In Europa gibt es derweil alle vier Jahre eine Europameisterschaft, bei der irische Bowler stets eine wichtige Rolle spielen und bei der die deutschen Klootsschießer aus Friesland als “Nationalmannschaft” antreten dürfen.

Wie sich die europäische Straßenkegler-Szene entwickelte, beschreibt Wikipedia: “Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten sich aus Privatkontakten von Boßlern und Klootschießern Verbindungen zwischen den Verbänden in Deutschland, Holland und Irland und erste internationale Wettkämpfe. Die 1969 bei einem Wettkampf in Losser in den Niederlanden gegründete International Bowlplaying Association (IBA) richtet – seit 1980 alle vier Jahre – eine Europameisterschaft aus. Als “Nationen” treten dabei der Friesische Klootschießer-Verband, der Verband Schleswig-Holsteinischer Boßler, der irische Verband Bol Chuman Na h’Eireann, der Nederlandse Klootschieters Bond sowie die Associazione Bocchetta Italiana su Strada an. Es gibt Einzel- und Mannschaftswettbewerbe in vier Alterklassen (Frauen, Männer, weibliche und männliche Jugend) und in drei Disziplinen (Standkampf, Hollandkugel, Straßenboßeln mit der irischen Eisenkugel).Austragungsorte der letzten EM 2008 war Cork, die Europameisterschaft 2012 richtet der italienische Verband in Pesaro aus.”

Nun allerdings endlich zurück zur wenig frohen Kunde aus Ostfriesland über Irland. Die Ostfriesischen Nachrichten schreiben heute morgen:

“Der Friesische Klootschießer Verband (FKV) hält Kurs auf die Europameisterschaft im Boßeln und Klootschießen 2012 in Italien. Der Stand der Vorbereitungen im eigenen Lager befindet sich nach Auskunft von FKV-Chef Jan-Dirk Vogts voll im Soll. Dennoch sorgt sich Vogts. Er macht sich Sorgen um die Teilnahme der Iren an den internationalen Wettkämpfen vom 17. bis 20. Mai 2012 in Pesaro in der Nähe von Rimini.

Anfang Oktober hielt sich Vogts mehrere Tage während des „King and Queen of the road“-Straßenboßelturniers in Irland auf. Er führte zahlreiche Gespräche und befand: „Den Iren geht es nicht gut. Sie spüren die Folgen der Wirtschaftskrise und müssen Geld sparen.” Folgen, die auch nicht vor dem Boßelsport haltmachen. Während der FKV Rücklagen in Höhe von rund 50 000 Euro für die EM angespart hat, ist der irische Verband klamm. Dort müssen die Werfer die EM aus der eigenen Tasche bezahlen. Die Kosten für Flug und Verpflegung von rund 1000 Euro sind für viele Iren ein Problem, sagt Vogts. Die Arbeitslosigkeit sei drastisch angestiegen, in vielen Bereichen wurden die Gehälter gekürzt. „Da überlegt sich jeder zweimal, ob er die Reise nach Italien antreten soll.“

In der friesischen “Nationalmannschaft” will man die Europameister-Titel allerdings nicht geschenkt bekommen. So hoffen die fairen Sportsmänner aus Deutschlands Norden noch immer auf die typisch irische Kunst des letzten Moments. Ober-Klootscheeter Vogts zumindest lässt verlauten: „Ich hoffe, dass wir die besten Iren auf der Straße in Italien erleben werden. Die Iren sind bekannt dafür, dass sie vieles erst auf den letzten Drücker hinbekommen“. Dem ist nichts hinzuzufügen.

 

Foto: Columbus