Wenn wir Irlands herrliche Landschaft fotografieren, haben wir meist eine Vorstellung davon, wie das ideale, das perfekte Foto auszusehen hätte. Im vergangenen Herbst umrundete der Wanderer Sligos fabelhaften Tafelberg Ben Bulben, auf den Lippen das späte Gedicht von William Butler Yeats und dessen sechste Strophe*, vor dem geistigen Auge das Foto, wie es aussehe müsste: Der Berg im satten Grün, Wolken mit blauem Himmel wechsend, ein ursprüngliches Cottage davor – vor allem aber: keine Straßen, keine Stromleitungen, keine Autos und schon gar keine Bagger. Idylle eben. Der Ausschnitt machts.
Am Ende stand ein Foto (oben), in dem etwas stört: Ein Verkehrs-Schild, direkt vor dem Cottage. Für solche Fälle gibt es heute das Bildbearbeitungs-Programm Photoshop, um die Abbildung eines Stücks Wirklichkeit in den höheren Zustand des Klischees zu transzendieren. Wer aber hat uns die Vorstellungen, die inneren Bilder von den perfekten Bildern eingepflanzt? Es waren Leute wie John Hinde.
Hinde, der große englische Fotograf des 20. Jahrhunderts, prägte das Irland-Bild mit seinen Vierfarb-Postkarten aus den 50-er und 60-er Jahren weltweit. Hinde arrangierte und komponierte seine romantisierenden und idealisierenden Irland-Fotografien bis ins letzte Detail. Was störte flog raus, wurde vorher weg geräumt und ausgeblendet oder hinterher mühevoll retuschiert. Hindes Fotos setzten international die Maßstäbe für das Postkarten-Geschäft. Hindes Photoshop in der analogen Ära war eine Säge, die er stets mit sich führte. Das Verkehrsschild vor dem Cottage hätte er kurzerhand mit einigen frisch abgesägten Ästen des nächst-besten Rhododendrons verhängt, um die Spuren der Zivilisation aus dem Bild zu verbannen.
Die nostalgische Vorstellung von Irland als einem zivilsationsfernen, natürlichen und intakten Ort verdanken wir der Macht der Bilder, die John Hinde und seine Kollegen vor Jahrzehnten geschaffen haben – und wir sind berührt, wenn wir dieses romantische Irland in der Landschaft der wirklichen Welt tatsächlich da und dort wiedererkennen. Dort oben in den Bergen des Westens, an den Stränden des Atlantiks, im Black Valley, in den Caha Mountains . . .
Das romantische Irland: Leben ohne Zeitdruck, rothaarige Kinder mit Esel, idyllische Natur in Kerry |
Hallo, lieber Markus,
nach einem Klinik-Aufenthalt schalte ich meinen Laptop ein und was sehe ich unter Deinem
Beitrag vom Montag?
M e i n S l i g o ! M e i n e n B e n B u l b e n !!!
Meine Fotos sind nie retuschiert, romantisiert o. ä., sondern es ist Irland wie ich es eben sehe und
immer authentisch aufgenommen. Auch denke ich, dass Fotos sowieso immer anders im Auge des
jeweiligen Betrachters aussehen können (oder wirken).
Jedenfalls war Dein Foto ein schöner Tagesabschluss und ich nehme es mit in meine Träume (ein-
schließlich meines Heimwehs !!).
Herzliche Grüße auf die Insel, Elke
Antisemitischer Kommentar gelöscht.