Wir Dilettanten. Was haben wir uns nicht alles angeeignet in den letzten zehn, 20 Jahren: Wir fotografieren wie einstmals die Weltmeister. Wir bauen Computer-Präsentationen und Internet-Seiten zusammen. Wir komponieren Musikstücke am PC. Wir sind Hobby-Grafiker und Freizeit-Kartographen, semi-professionelle Preisvergleicher und ambitionierte Schornalisten. Die Digitalisierung verändert die Welt – und uns alle dazu.

Auch das Marketing und die Werbung – einst der geheimnisvolle Sperrbezirk professioneller Wahrheitskosmetiker –  sind längst zur Public Domain mutiert. Fasziniert schauen wir heute auf die verblasste Glitzerwelt der Mad Men von New Yorks Madison Avenue, blicken ein wenig wehmütig auf die verlogenen und doch so stilsicheren Don Drapers  der 60-er Jahre, während sich Hausfrauen, Spaziergänger und Pensionäre nebenan das Werben und Verkaufen zu eigen machen. Das systematische Beschönigen des Tatsächlichen ist längst jedermans und jederfraus Sache geworden. Auch in Irland.

Paddy und Mary haben in den fabelhaften Konsum-Jahren erkannt, dass ein gutes Produkt gar nichts ist, wenn man es nicht bekannt macht und gleich noch mit viel Emotion und einer Story zur sogenannten Marke aufbläst. So kommt es, dass Wanderwege in Irland neuerdings nicht mehr nach Orten benannt werden, sondern nach Helden der irischen Mythenwelt. Das brachte uns in Süd-Kerry den Cailleach Beara Loop ein – benannt nach der  Weisen Frau der Kelten – und den Rundweg von Finn Mac Cool, dem irischen Helden schlechthin.

Und weil der Camino nach Santiago de Compostela so ein Wahnsinnserfolg ist, werden nun in Irlands Provinzen die Jakobswege und spirituellen Wanderrouten der alten Kelten erfunden, ausgeschildert und vermarktet. The Irish Camino, The Beara Pilgrimage, The Celtic Way – bald werden die spirituellen Pilger auf den Spuren der Kelten aus Irland nicht mehr wegzudenken sein. Grassroot-Marketing der Hausfrauenart hinterlässt erfolgreich seine Spuren.

Wir Dilettanten. Wir rächen uns mit Wirkungsmacht für die Zumutungen des Lebens. Für alles sollen wir zuständig sein. Gut. Dann wollen wir eben auch mitbestimmen, wohin die Reise geht. Auf nach Westen. Die irische Nachbarin hat sich kürzlich mal wieder den Traditional “Whiskey in The Jar” (in der Version von Thin Lizzy) reingezogen und erlangte spontan die Marketer-Erleuchtung: Leben wir nicht genau an dem Ort, den der Song beschreibt?

As I was goin’ over the Cork and Kerry mountains.

I saw Captain Farrell and his money he was counting.

I first produced my pistol and then produced my rapier.

I said: “Stand or deliver or the devil he may take ya”.

Yeah Musha ring dum-a do dum-a da, Whack for my daddy-o,

Whack for my daddy-o, There’s whiskey in the jar-o.

Und dann dachte sich die smarte Nachbarin: Da müsste doch was zu machen sein, zunächst für meinen guten Mann, den Busunternehmer, und dann und überhaupt für uns alle am Wege über die Berge. Lass uns die Straße von West Cork nach Süd Kerry in “Whiskey-in-the-Jar-Route” umbenennen – und der Whiskey soll der Speck sein, mit dem wir die Touristen-Mäuse fangen.

Gut, dass die Dubliners hier in West Cork nicht so sehr angesehen sind. Deren Version des Klassikers strafte Cork schlicht mit Nichtbeachtung und Weglassen:

As I was goin’ over the far famed Kerry mountains . . .

Far famed. Long live Hausfrauen-Marketing. Sind wir nicht gut? Geworden? Wir Dilettanten.