Air India Plane Disaster Memorial

096 :: Air India Plane Disaster Memorial, Ahakista

Der Sheep’s Head im Südwesten der Insel ist eine der beschaulichsten und ruhigsten Gegenden Irlands. Manchmal denke ich an Indira Gandhi, wenn ich auf der friedlichen Halbinsel unterwegs bin – und an den Schauspieler Peter Ustinov, der die indische Politikerin am 31. Oktober 1984 für die BBC interviewen wollte. Als er im Garten ihrer Residenz in Neu-Delhi auf sie wartete, sagte Ustinow live: „Hier stehe ich im Garten von Indira Gandhi. Es sind Vögel in den Bäumen. Wächter stehen in den Winkeln. Es ist ruhig.“ Als im Hintergrund große Unruhe aufkam, sprach Ustinov in die Live-Kamera: „Ich muss gestehen: Als ich eben sagte, es sei nichts Ernstes geschehen, habe ich mir selbst nicht geglaubt. Auf Indira Gandhi ist soeben geschossen worden. Die Wächter stehen nicht mehr in den Winkeln. Aber die Vögel sind noch in den Bäumen.“

Zwei Sikh-Wächter hatten die Premierministerin auf dem Weg zum Interview erschossen. Sie rächten sich für den Angriff auf den Goldenen Tempel von Amritsar, dem zentralen Heiligtum der Sikhs und dem spirituellen Zentrum des Sikhismus im indischen Bundeststaat Punjab. Diesen Angriff hatte Indira Gandhi im Juni des Jahres befohlen. 2000 Sikhs verloren ihr Leben, der Konflikt zwischen dem Punjab und Neu-Delhi geriet außer Kontrolle. Die Rede ist heute von einem Genozid an den Sikkhs und von 1984 als einem der schwärzesten Jahre in der Geschichte des unabhängigen Indiens.

Auf einer Landzunge unweit des Dörfchens Ahakista liegt über dem Meer ein Blumengarten – darin stehen eine Sonnenuhr aus Stein und der Halbkreis einer Steinmauer mit 329 eingravierten Namen. Am 23. Juni jeden Jahres wird die Sonnenuhr morgens um 8:12 Uhr von der Sonne getroffen, wenn das Wetter in West Cork gut ist. Seit 39 Jahren kommen viele Dutzend Menschen am 23. Juni hinaus nach Ahakista, um diesen Moment mit zu erleben. Sie kommen aus Kanada, aus Indien, aus England, um der Verwandten und Freunde zu gedenken, die am 23. Juni 1985 etwa 290 Kilometer von dort über dem Atlantik ums Leben kamen.

Terroristen hatten in der Air India Maschine des Flugs 182 von Montreal über London nach Dehli eine Bombe versteckt, die das Flugzeug vor der Küste von West Cork zum Absturz brachte. Es fielen Wrackteile und Körper vom Himmel. 329 Menschen, davon 80 Kinder, starben. Es gab keine Überlebenden. Der Rumpf des Flugzeugs sank in das 2000 Meter tiefe Meer. 132 Leichen konnten geborgen werden. Der Terroranschlag wurde als weiterer Racheakt der nach Unabhängigkeit strebenden Sikhs an Indiens Zentralregierung gedeutet. Zeitgleich war eine Bombe auf Tokios Flughafen Narita explodiert. Aufgeklärt ist der Terroranschlag bis heute nicht, die Verantwortlichen wurden weder benannt noch zur Rechenschaft gezogen.

Die Trauernden haben das Air India Plane Disaster Memorial in West Cork ein Jahr nach dem Anschlag eingeweiht. Eine irische Familie hatte das Grundstück zur Verfügung gestellt: das Stück Land, das der Absturzstelle im Atlantik am nächsten gelegen ist. Den Angehörigen war wichtig, Zugang zum Wasser zu haben, um sich mit der Unglücksstelle zu verbinden. Vom Strand schicken sie jedes Jahr Blumen ins Meer. Der Gedenkort wird vom Cork County Council, der irischen Lokalverwaltung, in Abstimmung mit Hinterbliebenen unterhalten. Die lokale Bevölkerung nimmt großen Anteil an jeder Gedenkfeier, die Einheimischen kommen dazu oder senden Blumengebinde. In dieser Woche reiste neben indischen und kanadischen Ministern Irlands Regierungschef Micheál Martin zur Gedenkfeier nach Ahakista. Die Menschen in Irland sind Champions im Trauern und Anteilnehmen.

Auch 40 Jahre nach dem Absturz ist die Trauer nicht bewältigt, im Gegenteil, alte Wunden wurden neu aufgerissen: Elf Tage vor der Gedenkfeier, am 12. Juni 2025, stürzte in der west-indischen Fünf-Millionen-Metropole Ahmedabad die Boeing 787 des Air India-Flugs 171 nur 40 Sekunden nach dem Start in einen Gebäudekomplex. 242 Menschen kamen ums Leben. Möglicherweise haben beide Triebwerke versagt.

Die Zahl der Angehörigen, die jedes Jahr aus allen Himmelsrichtungen weite Wege auf den friedlichen Scheep’s Head reist, um ihre toten Angehörigen zu würdigen, wird nach vier Jahrzehnten kleiner. Die Hinterbliebenen wünschen sich einen Abschluss. Endlich Antworten.

Ortskoordinaten: 51°35’54.8″N 9°37’24.8″W

Air India Memorial


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Alle Fotos: Markus Bäuchle