Wie sind sie denn wirklich, die Irinnen und Iren, wie ist Irland wirklich hinter der Maske der Images, der Klischees und der Stereotypen?  Eine in Irland lebende deutsche Journalistin namens Antje Joel, ehemals Potthoff, hat dazu ihre eigene Meinung. Die Mutter von sechs Kindern lebt bei Galway an Irlands Westküste. Sie musste sich offensichtlich von der Seele schreiben, was sich in ihr seit dem Umzug auf die Insel im Jahr 2008 (und wohl schon davor) an Frust und  menschlichen Enttäuschungen angesammelt hatte. Am 26. Juni 2012 erschien Joels Artikel in der Schweizer Weltwoche, einer rechtspopulistischen Wochenpostille mit Krawallpotential: “Irland. Vergiss es.”  Nun wäre das nicht weiter schlimm, da die Weltwoche von weniger als 80.000 Menschen, überwiegend Schweizern gekauft wird und sich erfolgreich gegen die Verbreitung im Internet stemmt. So wird sie nur sporadisch wahrgenommen.

Der Hassartikel mit rassistischen Untertönen gegen Irland und die Iren machte allerdings Karriere, als irische Medien wie das Celebrity Magazin RSVP und der Radiosender Cork 96 FM  das Stück übersetzten und Ende August ins Netz stellten. Jetzt tanzt der Bär. Viele Iren fühlen sich beleidigt, angegriffen, despektierlich behandelt. Die irisch-deutsch-schweizerische Diskussion tobt, in den Web-Foren wird der Krieg der Worte geführt. Beifall erhält Joel von einzelnen Bloggisten der  deutschen Auswanderer-Szene. Dass ein mit sich selbst redender Gassen-Musiker aus Ennis den Beitrag gut findet, war zu erwarten, doch auch der bemützte Irland-Juror aus Cavan kann sich nicht verkneifen, Sympathien für den vor Bösartigkeiten strotzenden Beitrag zu äußern.

Wer lesen will, kann lesen. Joels Beitrag in Kurz-Version lautet zusammengefasst: Irland ist grau, nicht grün. Die Iren sind ein Volk von Alkoholikern. Sie geben mehr Geld für Alkohol als für Bildung aus. Sie leiden an genetischer Deformation durch Inzest, haben deshalb Gebisse wie Kaninchen oder Nager. Die erfolgreiche Verbreitung des irischen Gen-Pools ist deshalb besorgniserregend. Die Iren sind fremdenfeindlich, ausbeuterisch, misstrauisch. Sie hauen sich ständig gegenseitig übers Ohr. Irland ist ein Eldorado für Gangster. Die Iren haben es geschafft, der Welt dunkle Katakomben namens Pubs als Hort der Gemütlichkeit  und stinklangweilige Folkmusik als Gipfel des Hörgenusses zu verkaufen. Iren können sich nicht integrieren, sind unentspannt, nicht freundlich und nicht hilfsbereit. Punkt. Soweit Antje Joel*.

Ich frage mich: Mit wem pflegt die Autorin Umgang, in welchen Kreisen verkehrt sie? Wo lebt sie? Warum ist ihre Welt so anders als meine? Warum macht sie diese geballten schlechten Erfahrungen? Wieviel Frust muss sich bei der Kollegin Joel in vier Jahren Irland aufgestaut haben, um eine derartig einseitige, tendenziöse, generalisierende, böswillige, verzerrte und am Ende falsche und blöde Geschichte abzusondern. Es stimmt, dass der Unterschied zwischen Irland-Image und Irland-Realität bemerkenswert ist. Joels Versuch, mit einzelnen Beobachtungen und Anekdoten ein ebenso verzerrtes negatives Gegen-Image zu propagieren, kann allerdings nicht gelingen und ist journalistisch jämmerlich. Belege für ihre Behauptungen liefert sie überwiegend keine, einzelne Erfahrungen werden in den Rang von Eigenschaften eines ganzen Volkes erhoben. Die Autorin wird vielleicht denken, dass Polemik all dies darf.

Entscheidet selbst: Soll sie das, darf sie das? Zitat Joel in englischer Übersetzung: “Vast parts of the population have a dental deformity. One owner of one of these dental deformities once told me that it was the result of incest. To prove that, he threw back his head, opened his mouth and showed me his rodent like narrow upper jaw. This man was a scientist, he must know. He also said, that young couples have been advised by the government over the last few years to have an DNA test done before marriage, in order to prevent a further spread of this dental deformity. Alone the successful spread of the Irish gene pool is worrying.” . . . “If this doesn’t end, in the distant future the Irish will look like rabbits. Never mind. We, the stupid, will find that beautiful as well. Ireland is just beautiful and somehow romantic. Alcoholism, narrow curvy roads, perforated with pot holes, the rain. And the fact that 70% of the adult population has hardly any teeth in their mouth, or that the teeth they do have are narrowly aligned like those of rabbits.”

Die rassistischen Diskriminierungen, die Herabwürdigung einer ganzen Nation, der Vergleich von Menschen mit Tieren. Das ist nicht lustig, das ist noch nicht einmal akzeptabel. Diese Schreibe stellt sich in eine widerwärtige und verabscheungswürdige Tradition. Artikel wie diese sind allenfalls dazu geeignet, Krawall zu machen, und darum geht es wohl. Aufmerksamkeit um den Preis der Wahrheit.

* NB: Leider kursiert das Joelsche Iren-Bashing nur in englischer Version im Internet. Die deutscheVersion muss man sich in Papier (6,50 SFR plus 8 SFR Versandkosten, macht SFR 14,50 plus Lieferzeit mehrere Tage) oder mit einem Online-Abo der Weltwoche erkaufen — das ist ein hoher Preis. Ich versuche gerade, beim Verlag eine digitale Version zu bestellen, um etwaige Übersetzungsfehler am Ende nicht der Autorin anzulasten. 

EDIT: Ich habe den deutschen Originaltext jetzt gelesen. Die kursierenden englischen Übersetzungen sind im Prinzip völlig korrekt. Die Gehässigkeit kommt 1:1 rüber.