Immer dienstags: Heute beobachtet Ralf Sotscheck, wie Irlands katholischer Klerus die Regierung ignoriert und den keltischen Kalender wieder einführt.
In Irland wird wieder fröhlich konfirmiert und kommuniziert. Die katholische Kirche schert sich nicht um die Coronarichtlinien der Regierung, in vielen Diözesen schieben die Pfaffen seit dem Wochenende den Kindern wieder die Oblaten in den Mund.

Die Irland-Kolumne von Ralf Sotscheck. Der Berliner Journalist lebt seit 1985 in Irland und ist irischer Staatsbürger. Er pendelt zwischen Stadt und Land, irischer See und Atlantik, zwischen Dublin und einem Dorf im Burren. Ralf arbeitet als Irland-Korrespondent für die tageszeitung (taz) und schreibt Bücher, vorzugsweise über Irland und die Iren. Er hält Vorträge, Lesungen und ist ein brillanter Unterhalter. Seine Irland-Kolumne erscheint dienstags auf Irlandnews. Ralfs Website: www.sotscheck.net. Foto: Derek Speirs
Zum Glück sind es nur die Oblaten. Die Kirche hat aufgrund ihrer langjährigen Vertuschung von Kindesmissbrauch durch Priester jegliche moralische Autorität verspielt, aber sie meldet sich immer wieder mit nervtötender Selbstgerechtigkeit zu Wort. Dublins Erzbischof Dermot Farrell beschwerte sich, dass die Regierung keine Kirchenvertreter bei der Festlegung der Richtlinien zu Rate gezogen habe. Warum auch? Die Schimpansen im Zoo wurden auch nicht gefragt, und die verstehen von Virologie genauso viel wie der Klerus.
Farrell monierte außerdem, es sei heutzutage „anscheinend die einzige riskante Versammlung, wenn ein Vater sein Kind zur Kirche bringt, um das Sakrament zu empfangen“. Als ob es darum geht. Viel wichtiger sind den Kindern die Party und die Geschenke nach dem obligatorischen Ritual. Im Schnitt kostet eine Kommunion mehr als 900 Euro für Großraumlimousine, Designerkleid und opulente Mahlzeit.
Die Kinder bekommen im Durchschnitt 600 Euro an Geldgeschenken, ein Viertel kassiert sogar mehr als 800 Euro. Früher mussten die Kleinen mindestens die Hälfte der erbeuteten Summe der Kirche für wohltätige Zwecke spenden. Davon träumen die Priester heute.
Aber mit der Trennung zwischen Kirche und Staat hapert es dennoch in Irland. Dem Staatsrat, der den Präsidenten beraten soll, gehören neben Regierungspolitikern und Juristen auch sieben Menschen an, die der Präsident selbst auswählt. Diese sieben und der Präsident müssen einen Eid „in Anwesenheit des allmächtigen Gottes“ schwören. Mit anderen Worten: Ein Atheist kann niemals irischer Präsident werden – und Berater des Präsidenten auch nicht.
Bis 2011 hatte der Staat die Kosten für Kommunion und Konfirmation mit 3,4 Millionen Euro bezuschusst. 2012 waren es noch 1,5 Millionen, dann wurden die Zuschüsse eingestellt. Viele Eltern müssen für die Kommunions- und Konfirmationsfeiern einen Kredit aufnehmen. Dass diese Feiern im vergangenen Herbst zu einem rapiden Anstieg von Coronafällen führten, haben Virologen nachgewiesen.
Deshalb hat die Regierung vorvergangene Woche dem Erzbischof erklärt, man werde die Situation beobachten und zum Herbstanfang vermutlich eine Lockerung beschließen. Tags darauf schrieb Farrell an die Priester in seiner Diözese und erklärte ihnen, sie können wieder loslegen. Im Gegensatz zur Regierung hatte Farrell den keltischen Kalender im Sinn: Nach dem fängt der Herbst am 1. August an.
Andrew Madden, der als Kind von einem Pfaffen vergewaltigt worden war, sagt: „Die Bischöfe haben nichts gelernt: Die Kirche hat immer Vorrang vor Kindern. Alte Gewohnheiten sind offenbar schwer zu überwinden.“
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Titel-Foto: Markus Bäuchle
Ein paar Anmerkungen und Sachinformationen zu diesem emotional diskutierten Thema Katholische Kirche:
Irische Nachwuchs-Katholiken erhalten in der zweiten Klasse im Alter von sieben bis acht Jahren das Sakrament der Erstkommunion (First Communion) und damit das erste Abendmahl – mit Hostie (Oblate, Leib) und ohne Wein (Blut). Die Confirmation (Konfirmation, Firmung) findet in der sechsten Klasse, im Alter von etwa 13 Jahren statt.
Der irische katholische Priester (Pfarrer, Papa, Pfaffe, letzteres erst seit Martin Luther leicht abwertend konnotiert) befördert die Hostie (Opfergabe) in Form einer Oblade (Opfergabe) direkt auf die Zunge der Eucharistie-Teilnehmer. Den Wein trinkt er alleine (Stand: Prä-Pandemie).
Opladen, nicht Oplaten, ist ein Stadtteil von Leverkusen.
Nach vorsichtigen Schätzungen wurde in Irland jedes vierte Kind sexuell missbraucht. Katholische Pfarrer hatten daran einen großen und entscheidenden Anteil. Die irische Katholische Kirche hat für die vergangenen 40 Jahre Missbrauchsvorwürfe gegen 1300 katholische Priester eingestanden, nur 82 von Ihnen wurden rechtlich belangt (Stand 2018), nur wenige wurden öffentlich konfrontiert.
Wer Toleranz einfordert, sollte zu Toleranz bereit sein. Dem massiven Fehlverhalten der irischen Katholischen Kirche gegenüber, die zehntausende Menschen ins Unglück gestürzt und eine ganze Gesellschaft Jahrzehnte.lang im doppelmoralischen Würgegriff gefangen gehalten hat, kann es diese Toleranz nicht geben. Wir können allenfalls Verständnis dafür entwickeln, dass Sexualität dort pervertiert, wo sie unterdrückt wird.
In eigener Sache: Vielen Dank für die Ratschläge, wie Irlandnews sein und was Irlandnews machen sollte. Wir lieben Satire, meinungsstarke Beiträge – und Toleranz!
Sehr geehrter Herr Sotscheck,
was ist eigentlich an Ihrerm Artikel richtig?? Sie schreiben über die kath. Kirche, verwenden aber: konfirmiert, kommuniziert, Oplaten, und die Kompetenz der Affen im Zoo usw. Ich gebe Ihnen eine deutsche Schulnote 6, denn Ausdrucksweise, Informationsweise und Bild, alles verfehlt!!
Schreiben Sie doch bitte alles in der taz und nicht hier bei Irland-News!
Sollte das Niveau hier weiterhin so absinken, werde ich mich hier abmelden!
Ich bin schlicht weg entsetzt über die Ausdruckweise des von mir bisher sehr hochgeschätzen und schon seit Jahren bewunderten Irlandspezialisten Ralf Sotscheck. Das er die Kirche als Institution sehr kirtisch sieht ist vollkommen in Ordung. Aber mit diesen Artikel hat er mit seiner Ausdrucksweise weit über das Ziel hinaus geschossen. Und nebenbei viele, noch gläubige Christen, auch mich, in meinen Gefühlen für den Glauben verletzt. Die Hostie als profane Oblate zu bezeichnen, zeugt von Null Toleranz. Bitte verschmelzen Sie nicht Glaube und Kirche als Instution. Ansonsten schließe ich mich lieber Dietmar, ihren Worten voll und ganz an. Die Irland News sollten Vorbild für Toleranz und Akzeptanz nach Allen Seiten bleiben und nicht indoktrieren sondern dokumentieren.
Ja, die Wirklichkeit ist schlimmer, wesentlich schlimmer und deprimierender. Zu oft waren die Ungeheuerlichkeiten dieses Zwangs-Vereins für irische Kinder (und Ex-Kinder) in den letzten Jahren nachzulesen. Wir können ein Lied singen von den „Ritualen“ und dem Druck (auf Kinder und auf Eltern – in vielen irischen Grundschuljahren hautnah miterlebt. Darum ist diese vermeintlich spitze Feder gar nicht so spitz, wie sie erscheint.
Die Wirklichkeit ist abstoßender als eine Collage es sein oder das Wort „Pfaffe“ es ausdrücken könnte. Gesehen und fotografiert in einem Möbelgeschäft in West Cork. Zur Beruhigung, lieber Werner, es handelt sich um eine Küchenrolle. Der Rest ist bekannt . . .
O, sorry, dass ich dir das Foto als eigen erstellte Collage unterschoben habe….
… Bin beruhigt(er):
LG Werner
Noch kurz zum Sachkenntnisstand:
In der Katholischen Kirche wird „kommuniziert“ (Kinder gehen in der Regel mit 9 Jahren zur Erstkommunion).
Mit 13-16 Jahren können sie gefirmt werden.
In der Evangelischen Kirche/Protestantismus werden Jugendliche mit ca 14 Jahren konfirmiert. Sie nehmen erstmalig am Abendmahl teil.
Das sind Basics…. Wichtig zum Verständnis… Grundwissen auch für eine Glosse über die Kirche!
Werner
Andere Länder, andere Sitten.
Ui,…. sehr schwieriger Beitrag heute, Ralf und Markus.
Die Bebilderung zum einen (Markus) und die undifferenzierte Wortwahl (Ralf).
Eigentlich möchte ich in einem Beitrag hier auf Irlandnews nicht jeden Priester als „Pfaffe“ bezeichnet lesen.
Ich gehe mit mit der sehr kritischen Sicht auf die (nicht nur ) irische Katholischen Kirche. Die Beispiele, die du aufführst, müssen kritisch betrachtet werden.
Aber „Pfaffen“, „Oblaten in den Mund schieben“, Kompetenz von Affen im Zoo mit Menschen/Klerus gleichzusetzen …. Nein, da bin ich nicht mit dabei. Und die Fotocollage? Auch die stößt eher ab – Klopapier, Desinfektionsmittel und Holzkreuz….!
Ich freue mich schon auf die nächsten Beiträge an den kommenden Dienstagen, lieber Ralf.
Und auf jeden weiteren Artikel von Dir, lieber Markus sowieso.
Werner