Immer dienstags: Heute schüttelt Ralf Sotscheck einmal mehr amüsiert den Kopf über Irlands Nachbarn auf der nächsten Insel. Und er sieht von einer Reise nach England vorerst lieber einmal ab.
Engländer an sich sind ein ulkiges Volk. Erst stimmen sie für den Brexit, weil sie keine Ausländer bei sich zu Hause haben wollen, dann schicken sie Bettelbriefe an die Ausländer, die trotzdem noch im Land sind. Die Londoner Regierung hat Tausende Deutsche gebeten, sich hinter das Lenkrad eines Lastwagens zu klemmen. Mehr als ein Viertel der britischen Tankstellen sitzt nämlich auf dem Trockenen, weil es keine Lkw-Fahrer gibt.

Die Irland-Kolumne von Ralf Sotscheck. Der Berliner Journalist lebt seit 1985 in Irland und ist irischer Staatsbürger. Er pendelt zwischen Stadt und Land, irischer See und Atlantik, zwischen Dublin und einem Dorf im Burren. Ralf arbeitet als Irland-Korrespondent für die tageszeitung (taz) und schreibt Bücher, vorzugsweise über Irland und die Iren. Er hält Vorträge, Lesungen und ist ein brillanter Unterhalter. Seine Irland-Kolumne erscheint dienstags auf Irlandnews. Ralfs Website: www.sotscheck.net. Foto: Derek Speirs
Und deutsche Führerscheine, die vor 1999 ausgestellt wurden, berechtigen dazu, einen Siebeneinhalbtonner zu fahren. Die meisten dieser Führerscheininhaber sind in ihrem Leben höchstens einen Volvo Kombi gefahren. Zwei von ihnen erzählten dem Independent, dass sie trotz des verlockenden Angebots lieber weiter als Investmentbanker und Uni-Dozent arbeiten wollen.
Der Rest der Welt schaut dem Treiben amüsiert zu. Aber schon früher hat man sich über die Exzentrik des Inselvolks gewundert. Die Badezimmer zum Beispiel. Warum um alles in der Welt legt man es mit Teppichen aus? Und warum ist der Lichtschalter an der Decke angebracht und mit einer langen Schnur versehen, an der man ziehen muss, um das Licht einzuschalten?
Mischbatterien sind in England ebenfalls unbekannt, es gibt für kaltes und heißes Wasser getrennte Wasserhähne. Dafür gibt es allerdings eine einleuchtende Erklärung. Das kalte Wasser fließt direkt aus der Hauptleitung, während das warme Wasser in den meisten Häusern aus einem Kupferkessel im Dachboden kommt. Der Kessel ist mit einer Art Tauchsieder versehen, der rechtzeitig eingeschaltet werden muss, wenn man später baden möchte. Da der Kessel im Laufe der Jahre nicht nur außen Patina ansetzt, sollte man das Wasser nicht trinken.
Das englische Justizsystem ist ebenfalls etwas Besonderes. Vor ein paar Jahren hat ein Gericht in York einen Mann, der zwar vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen worden war, dennoch dazu verurteilt, der Polizei mindestens 24 Stunden vor einem geplanten Geschlechtsverkehr Bescheid zu sagen. Dabei seien Name, Adresse und Geburtsdatum der Partnerin zu nennen.
Apropos Geschlechtsverkehr vor Gericht: Obwohl Prinz Andrew in den USA wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen vor Gericht erscheinen soll, ist man in England noch immer von der maroden Royal Family besessen. Ein Royalist hat im August ein Stück der Zuckerglasur von Prinz Charles’ und Dianas Hochzeitskuchen für 1.850 Pfund ersteigert. Das Marzipanteil ist mehr als 40 Jahre alt, aber einzigartig ist es nicht: Es gab damals mehr als 20 solcher Torten.
Ich werde mich vorerst vor einer Englandreise hüten. Möglicherweise würde ich wegen meines deutschen Führerscheins zwangsrekrutiert. Im Gegensatz zu Investmentbankern und Uni-Dozenten bin ich während meiner Studentenzeit tatsächlich Lkw gefahren.
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Titel-Foto: England.
Na, da bin ich ja froh, dass ich nach einem Wiener Geldbörsen-Diebstahl samt entrissenem deutschen grauen Führerschein-Lappen mit Foto einer 19jährigen – nach gaaanz viel Bürokratie weil sich zunächst keines der drei Länder für mein Anliegen zuständig fühlte – ein schickes irisches Führerschein-Kärtchen erhielt. Mit feinster Verbrecher-Visage direkt in der Führerscheinstelle eingefangen. Ich fahre also irisch. Immer für 10 Jahre.
Einen (alten) irischen Führerschein habe ich auch. Aber mein grauer Lappen wird im Januar ungültig, und ich bekomme keinen Termin beim Bürgeramt. Irgendwie merkwürdig: Ältere und jüngere Jahrgänge haben ein Jahr länger Zeit, den Schein umzutauschen.
Da ist wirklich Vorsicht geboten, Ralf. Stell Dir vor, Du müsstest wie die anderen Trucker in Flaschen pinkeln und hinter Büsche schleichen, und das alles bei einem Lohn, der deutlich unter europäischem Niveau liegt. Ich habe Aussagen von frustrierten Ex-Lkw-Fahrern gelesen. Einer sagte, man sei immer froh gewesen, wenn man es endlich auf die Fähre und nach Frankreich geschafft habe, wo es alle paar Kilometer Rastplätze mit Toiletten und Duschen für Brummifahrer gibt – im Gegensatz zu England. Kent hat nun den Ruf des größten Outdoor-Klos Europas.Ein polnischer Trucker sagte, er werde erst wieder auf die Insel zurück kehren, wenn man dort gelernt habe, respektvoll mit Nicht-Engländern umzugehen.
Oh ja, die Interviews mit den armen Truckern habe ich auch gelesen. In England müssen sie sogar 30 Pfund Parkgebühren zahlen… Zu meiner aktiven LKW-Zeit war das einfacher.