Immer dienstags: Heute erzählt uns Ralf Sotscheck von den Tücken des Reisens mit Impfpässen und wie man an einem kleinen Akzent scheitern kann.
Die Briten haben es nicht leicht. Jetzt dürfen sie zwar wieder reisen, aber der Spaß daran wird ihnen vergällt. Callum Beattie, schottischer Unionist, Glasgow-Rangers-Fan und Musiker, ist neulich nach Lettland geflogen. Bei der Einreise ging alles gut, doch dann durfte er das Hotel nicht betreten, das er gebucht hatte, weil der digitale schottische Impfausweis von den lettischen Scannern nicht gelesen werden kann. Aus demselben Grund kam er in kein Restaurant und konnte sich auch anderswo keine Nahrung besorgen, weil er kein Geschäft betreten durfte.

Die Irland-Kolumne von Ralf Sotscheck. Der Berliner Journalist lebt seit 1985 in Irland und ist irischer Staatsbürger. Er pendelt zwischen Stadt und Land, irischer See und Atlantik, zwischen Dublin und einem Dorf im Burren. Ralf arbeitet als Irland-Korrespondent für die tageszeitung (taz) und schreibt Bücher, vorzugsweise über Irland und die Iren. Er hält Vorträge, Lesungen und ist ein brillanter Unterhalter. Seine Irland-Kolumne erscheint dienstags auf Irlandnews. Ralfs Website: www.sotscheck.net. Foto: Derek Speirs
Nach seinem Wutanfall auf Twitter riet ihm jemand, die französische Impf-App auf sein Handy zu laden und seine persönlichen Impformationen dort einzutragen. Da bekam Beattie erneut einen Wutanfall. „Warum soll ich eine französische App herunterladen“, tobte er, „um eine Flasche Wasser in einem Laden in Lettland zu kaufen, obwohl ich Brite bin?“
Er wollte wissen, ob er der einzige sei, der den Blödsinn dieser Situation erkenne. „Ich habe die Schnauze voll von der schottischen Regierung“, schrieb er, „denn das hätte man uns natürlich auf dem Flughafen sagen müssen, bevor wir ins Flugzeug eingestiegen sind.“ Genau das hatte man. In der App wird ausdrücklich darauf hingewiesen, man solle vor Antritt der Reise einen Blick auf die Webseite der Regierung mit den Richtlinien für die Reise in fremde Länder werfen. Und dort steht, dass Lettland derzeit nur ausgedruckte Impfpässe akzeptiere.
Nun bekam Beattie einen dritten Wutanfall. Man wolle die Bürger und Bürgerinnen des Vereinigten Königreichs spalten, ärgerte er sich. Keineswegs, hieß es seitens der Regierung: Für die englischen Impfpässe gelte dasselbe. Beattie reiste entnervt nach Estland ab.
Die Probleme mit den britischen Impfnachweisen löste grenzenlose Schadenfreude in Irland aus – zu Unrecht. Dort geht nämlich auch nicht alles glatt mit den Impfpässen. Irische Namen erscheinen auf den Pässen verhunzt. Der Computer macht aus dem „síneadh fada“, wie der Akzent auf Vokalen heißt, merkwürdige Zeichen, so dass der Impfpass nicht mehr mit dem Reisepass übereinstimmt – und abgelehnt wird.
Ausgerechnet Julian de Spáinn, dem Direktor der Organisation Conradh na Gaeilge, die sich für die Förderung der irischen Sprache einsetzt, ist es so ergangen. Er hieß plötzlich Julian de SpÃ;inn. Und die Irischlehrerin Ciara Ní Chroimín wurde zu Ciara NÃ- ChroimÁ-n.
Dabei ist erst im Juli ein Gesetz verabschiedet worden, wonach jede Behörde irische Schreibweisen wie das „fada“ in ihre Computersysteme und Tastaturen integrieren muss. Ein Politiker der Regierungspartei Fianna Fáil, den Soldaten des Schicksals, bezeichnete das als Pedanterie. Er hat recht. Ohne den Akzent hieße seine Partei Fianna Fail – also Soldaten des Versagens.
Alle Kolumnen von Ralf Sotscheck können Sie hier lesen: KLICK
Titel-Foto: EU Digital COVID Certificate, EU-Kommission.
Hehe, wenigstens etwas zu lachen heute.
Ist ja doch irgendwie beruhigend, dass die Digitalisierung noch nicht so ganz den Durchblick hat. Andererseits dann Opfer dieses digitalen Durcheinanders zu werden kann hungrig, durstig und dann aggressiv machen. Keine schönen Aussichten auf weitere Bereiche des täglichen Lebens.