Immer dienstags. Heute verrät uns Ralf Sotscheck, was er sich für das neue Jahr vorgenommen hat: Er will seine Sprachkenntnisse verbessern, weiß aber noch nicht, welche.

Gi suilon! Das ist Elfisch und bedeutet: „Ich grüße Sie!“ Eigentlich hatte ich mir für das neue Jahr vorgenommen, mein Irisch zu verbessern. Doch dann las ich, dass Elfisch von mehr Menschen gesprochen wird als Irisch. Es gibt zehn verschiedene Elfisch-Dialekte, der populärste ist Sindarin, das in Mittelerde benutzt wird. Sollte ich also lieber Tolkiens Fantasiesprache lernen? Sie beruht zum Teil auf Latein, und immerhin habe ich das große Latinum.

Ralf Sotscheck

Die Irland-Kolumne von Ralf Sotscheck.  Der Berliner Journalist lebt seit 1985 in Irland und ist irischer Staatsbürger. Er pendelt zwischen Stadt und Land, irischer See und Atlantik, zwischen Dublin und einem Dorf im Burren. Ralf arbeitet als Irland-Korrespondent für die tageszeitung (taz) und schreibt Bücher, vorzugsweise über Irland und die Iren. Er hält Vorträge, Lesungen und ist ein brillanter Unterhalter. Seine Irland-Kolumne erscheint dienstags auf Irlandnews. Ralfs Website: www.sotscheck.net. Foto: Derek Speirs

Irisch hingegen ist eine keltische Sprache, sie hat nichts mit dem Englischen zu tun und war den englischen Besatzern schon immer ein Dorn im Auge, weil sie nicht verstanden, was die aufsässigen Untertanen ausheckten. Heinrich VIII. und seine Nachfolger wollten ihnen deshalb die englische Sprache aufzwingen.

Nach der großen Hungersnot Mitte des 19. Jahrhunderts, die eher ein Genozid war, da die englische Regierung trotz der Kartoffelpest weiterhin sämtliches Getreide und Fleisch aus Irland exportierte, war es verboten, in der Schule irisch zu sprechen. Die Kinder mussten einen Holzstock um den Hals tragen, in den für jedes irische Wort, das sie sagten, eine Kerbe eingeritzt wurde. War am Ende der Woche eine bestimmte Anzahl Kerben überschritten, wurden die Eltern des Kindes mit Lohnabzügen bestraft.

Seit der Unabhängigkeit wird Irisch staatlich gefördert, um die Sprache am Leben zu erhalten. Vor gut zwei Wochen hat das Dubliner Parlament ein Gesetz verabschiedet, das vorschreibt, verstärkt Irisch-Sprecher in den öffentlichen Dienst einzustellen. Bis 2030 sollen zwanzig Prozent aller neuen Beamten irische Muttersprachler sein. Selbstverständlich muss dafür zunächst ein Ausschuss gebildet werden, der einen Plan aufstellt. Schließlich gilt es, Jobs für Parteigenossen zu schaffen.

Unternehmen, in denen jemand Irisch sprechen kann oder ein Kloschild auf Irisch hängt, bekommen eine Plakette, die sie sich an die Eingangstür nageln können. Oder vors Knie, denn die Aktion bringt lediglich dem Plakettenhersteller etwas – vermutlich ist es der Bruder eines Ministers.

In Nordirland hat sich die Unterdrückung der irischen Sprache aber erhalten, wenn sie auch mit subtileren Methoden als mit Holzstöcken durchgesetzt wird. Im Jahr 2016 wurde versprochen, die irische Sprache mit der englischen per Gesetz gleichzustellen. Das haben die unionistischen Parteien im Belfaster Regionalparlament seitdem verhindert. Deshalb platzte dem britischen Nordirlandminister Brandon Lewis im Juni des vergangenen Jahres ein bisschen der Kragen: Falls das Gesetz bis Oktober nicht auf den Weg gebracht sei, moserte er, werde es das Unterhaus in London im Oktober tun.

Das hat es aber nicht. Wahrscheinlich war Lewis zu sehr damit beschäftigt, für seinen Chef Boris Johnson und dessen Klüngel eine heimliche Lockdown-Weihnachtsfeier zu organisieren. Im Elfischen gibt es einen Begriff für das britische Unterhaus: Banalhan – der Ort, dem Verderbnis entspringt.


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Titelbild: Auszug aus dem Wörterbuch Irisch-Deutsch von Caldas/Schleicher im Verlag Buske