Immer dienstags. Heute beklagt sich Ralf Sotscheck über sein kaputtes Telefon und erklärt, was das mit dem verhasstesten Unternehmen Irlands zu tun hat.
Mein Festnetztelefon funktioniert seit zwei Wochen nicht. Auf der Webseite von Eir, wie die irische Telekom heißt, gibt es ein Formular, mit dem man theoretisch Störungen melden kann. Klickt man es aber an, erfährt man, dass die Seite nicht existiert. Also bleibt nur ein Anruf. Nach 54 Minuten Wartezeit meldet sich jemand: „Das Formular ist schon seit zwei Jahren abgeschaltet, wegen Covid.“ Hat man Angst, sich anzustecken, falls es ein Infizierter elektronisch ausfüllt?

Die Irland-Kolumne von Ralf Sotscheck. Der Berliner Journalist lebt seit 1985 in Irland und ist irischer Staatsbürger. Er pendelt zwischen Stadt und Land, irischer See und Atlantik, zwischen Dublin und einem Dorf im Burren. Ralf arbeitet als Irland-Korrespondent für die tageszeitung (taz) und schreibt Bücher, vorzugsweise über Irland und die Iren. Er hält Vorträge, Lesungen und ist ein brillanter Unterhalter. Seine Irland-Kolumne erscheint dienstags auf Irlandnews. Ralfs Website: www.sotscheck.net. Foto: Derek Speirs
Eir ist das verhassteste Unternehmen Irlands. Jahr für Jahr gewinnt es die saure Gurke für den miesesten Service. Zwei Drittel aller Beschwerden, die bei der Aufsichtsbehörde eingehen, betreffen Eir. Das Management der Telekommunikationsverhinderer musste sich sogar vor einem Parlamentsausschuss dafür rechtfertigen, dass man die Kundschaft wie Störenfriede behandelt. Beim Erfinden der Ausreden ist Eir jedoch exzellent.
Die Geschäftsführerin Carolan Lennon entschuldigte sich zwar vor dem Ausschuss, gab die Schuld aber der Grafschaft Sligo im Nordwesten der Insel. Es sei ein Fehler gewesen, das Kundendienstcenter dorthin zu verlegen, weil niemand in Sligo Erfahrung mit Kundendienst habe. Darum mussten Menschen aus dem Einzelhandel angelernt werden, aber das sei in Sligo recht schwierig. Seit Lennons ungeschickter Rechtfertigung trauen sich Eir-Angestellte nur noch in neutralen Firmenwagen in die Grafschaft.
Jetzt hat das Public Sector Magazine, das vierteljährlich erscheint und an alle Abteilungen des öffentlichen Diensts verteilt wird, überraschend einen Preis für hervorragenden Kundendienst ausgerechnet an Eir vergeben. Die Mitarbeiter waren selbst verblüfft. Leider machte einer den Fehler, die Nachricht auf Twitter hinauszuposaunen. Prompt hagelte es Spott und Häme.
Zwar hatte Eir in weiser Vorahnung den Antwort-Button entfernt, aber das nützte der Bande nichts. Die Leute öffneten einfach neue Tweets mit dem ursprünglichen Eir-Zitat. Hunderte von Menschen schalteten sich in die Debatte ein, aber kein einziger gratulierte. Ob denn schon der 1. April sei, war noch die freundlichste Bemerkung.
Ein William Kellett erzählte, dass er den Telefonanschluss seines Großvaters kündigen wollte, weil der gestorben war. Das Eir-Team war unerbittlich. Man könne solche Angelegenheiten nur mit dem Anschlussinhaber besprechen. Kellett antwortete, er werde schnell eine Schaufel holen und ihn ausbuddeln. Und ein Rory McEvoy bedauerte die Unternehmen, die bei der Preisverleihung hinter Eir gelandet waren: „Sie müssen sich wie unnütze Versager vorkommen.“
Gestern war die Eir-Webseite komplett abgeschaltet: „Wir sind bald wieder da“, hieß es drohend. „Danke für Ihre Geduld.“ Morgen soll ein Eir-Techniker kommen und mein Festnetz reparieren. Ich werde ein Gläschen Champagner bereithalten, damit ich mit ihm den Preis des Public Sector Magazine angemessen feiern kann.
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. . . und hier berichtet ein Leidensgenosse von Ralf über seine realen Alpträume mit Eir: „Oh Herr, eirlöse uns“
Titelbild: „Eir-löse uns von dieser Firma“ by Eiane Zimmermann.
Lieber Ralf,
was für eine Story und was für ein skandalöser Saftladen….
Wenn ich das so höre, sollte man am besten erst nach Irland ziehen wenn man Privatier ist. Unter diesen Umständen hätte ich jednefalls große Probleme, dort meinen Beruf ausüben zu können. Gute Erreichbarkeit ist für mich ein Muss und die Verlage wollen ihre bestellten Fotos auch am liebsten vorgestern haben.
Man müsste vermutlich in eine Großstadt wie Dublin ziehen weil dort die Telefon-und Internetverbindungen besser funktionieren, aber das ist wahrscheinlich auch nur ein frommes Wunschdenken?
Da lobe ich mir wirklich die Deutsche Telekom. Nur selten gibt es Probleme und wenn, hat man sofort einen Service an der Strippe oder es kommt zügig ein Techniker ins Haus. Oder es gibt Tipps von der gutgelaunten Telekom-Mitarbeiterin am anderen Ende der Leitung, den Router einfach mal aus-und wieder anzuschalten. Hat dann wieder funktioniert…
Dafür verschickt aber die Deutsche Post Briefe an Tote, das wäre doch auch mal was für die Iren…
Im Dezember erhielt ich von einer Dachdeckerfirma eine weihnachtliche Grußkarte, adressiert an meinen seit mittlerweile 22 Jahren verstorbenen Vater.
Und ich selbst bin zwar noch nicht tot, aber in die Jahre gekommen. Und ich erhalte in unregelmäßigen Abständen dubiose Post von einer Bank, bei der ich vor langer Zeit mein erstes Konto als Fotografie-Lehrling hatte. Die Anrede ist stets „Sehr geehrtes Fräulein Borkowski“
Dem Fräulein reicht’s jetzt, es ist nämlich mittlerweile 62 Jahre!
Würde ich mich bei der Bank beschweren und dort anrufen wollen und angenommen wir hätten irische Verhältnisse, dann wäre ich bestimmt 63 bis ich endlich durchkäme….
Viele Grüße auf die Insel, bleibt gesund!
Elke
Doch, lieber Ralf, dir ist vermutlich entgangen, dass die Website der Eir, wenn sie denn mal funktioniert, so hoch schwingt, dass C-Viren (Coronaviren) an den schlecht desinfizierten Fingern der Beschwerdeschreiber sich in C-Viren (Computerviren) transformieren können. Darum die vielen Probleme und das ständige Abschalten der Seite und der Formulare sowieso – freilich ausschließlich in diesen schwierigen Zeiten, ansonsten läuft’s ja prima bei denen. Möglicherweise leidet darum auch die Klangqualität der Warteschleifenmusik so entsetzlich.