Immer dienstags. Heute berichtet Ralf Sotscheck über das zerrüttete Verhältnis zwischen Irland und Russland – und warum die russische Botschaft in Dublin kein Tor mehr hat.
Nach der Ukraine ist Irland dran. Das jedenfalls wünscht sich Juri Filatow, der russische Botschafter in Dublin. Er behauptet, Irland stehe „an vorderster Front anti-russischer Aktionen in der Europäischen Union“, die Iren hassen angeblich „Russland und alles Russische“.

Die Irland-Kolumne von Ralf Sotscheck. Der Berliner Journalist lebt seit 1985 in Irland und ist irischer Staatsbürger. Er pendelt zwischen Stadt und Land, irischer See und Atlantik, zwischen Dublin und einem Dorf im Burren. Ralf arbeitet als Irland-Korrespondent für die tageszeitung (taz) und schreibt Bücher, vorzugsweise über Irland und die Iren. Er hält Vorträge, Lesungen und ist ein brillanter Unterhalter. Seine Irland-Kolumne erscheint dienstags auf Irlandnews. Ralfs Website: www.sotscheck.net. Foto: Derek Speirs
Vorvergangene Woche hatte ein Desmond Wisley mit seinem Lkw das Eingangstor zum russischen Botschaftsgebäude in Dublin durchbrochen. Er habe es getan, um einen „sicheren Korridor für die Flucht des russischen Botschafters aus Irland“ einzurichten, erklärte er bei seiner Festnahme. Filatow stufte das als eklatanten Verstoß gegen Artikel 22 der Wiener Konvention über diplomatische Beziehungen von 1961 ein: „Die Botschaft verurteilt diesen kriminellen Akt des Irrsinns gegen eine friedliche diplomatische Vertretung.“
Richtig friedlich ist die Botschaft aber nicht. Sie ist seit Langem ein Zentrum für Spionage und Lauschangriffe auf die EU-Kommunikation sowie ein Ausbildungszentrum für den Agentennachwuchs. Nun sollte die Botschaft erheblich erweitert werden und einen riesigen Keller für modernste Abhörtechniken bekommen, aber die irische Regierung hat die Baugenehmigung nach dem Angriff auf die Ukraine zurückgenommen.
Dublin war schon im Zweiten Weltkrieg eine Spionage-Hochburg, es wimmelte – ähnlich wie in Casablanca – nur so von Agenten. Die Sowjetunion verstärkte Anfang der siebziger Jahre ihre Aktivitäten in Irland, nachdem 90 ihrer Agenten aus England hinausgeworfen worden waren. Trotz der geringen kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen sowie der relativ geringen Zahl von Russen in Irland arbeiten inzwischen 31 Menschen in der Botschaft, die nun kein Eingangstor mehr hat.
Wisley ist Unternehmer, er versorgt Kirchen mit dem Nötigsten: Messwein, Altarkerzen, Gesangsbuch-Halter, Holzkreuze, Hostien mit Mengenrabatt und Absperrseile, um den Altar vor Gläubigen zu schützen. Offenbar hat er sich bei seiner Botschaftsaktion von seiner Kundschaft inspirieren lassen. Ein paar Tage zuvor hatte nämlich Priester Fergal MacDonagh einen Eimer roter Farbe über das Eingangstor der Botschaft gekippt, während er seine Aktion live im Radio kommentierte. Die Iren sollten erwägen, die Botschaft niederzubrennen, riet er den Hörern.
Wisley protestiert aber nicht nur gegen Russlands Angriff auf die Ukraine, sondern auch gegen Asylbewerber in seinem Heimatort Ballinamore. Ein Gericht verbot ihm und fünf anderen Klotzköpfen, die im Bau befindliche Unterkunft für 25 Familien zu betreten oder den Zugang zu blockieren. Die Demonstranten hatten die Bauarbeiter bedroht und den benachbarten Supermarkt angezündet. Wisley hatte den Mob mit Drohnen und Lebensmitteln – vermutlich Messwein – versorgt.
Die irische Regierung hat die russische Botschaft inzwischen unter Polizeischutz gestellt. Der Einsatzwagen, der vor dem Gebäude parkt, ist in den ukrainischen Farben lackiert.
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Titelbild: Die irische Polizei fährt schon lange in den Farben der Ukraine. By Irish emergency services on instagram – CC BY-SA 4.0
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