Immer dienstags. Heute fragt sich Ralf Sotscheck, wie er angesichts der ungesunden irischen Küche in letzter Sekunde den Blutdrucktabletten entgehen könnte.
Die Nazis sind einfach an allem schuld – sogar am grauslichen englischen Essen. Früher konnte man auf der Insel angeblich prächtig speisen, doch der Zweite Weltkrieg warf die angelsächsische Kochkunst um Generationen zurück, denn sie basierte auf Importen aus allen Winkeln des Weltreichs: Pfeffer aus Indien, Lamm aus Neuseeland, Zucker aus Jamaika, Tee aus Ceylon.

Die Irland-Kolumne von Ralf Sotscheck. Der Berliner Journalist lebt seit 1985 in Irland und ist irischer Staatsbürger. Er pendelt zwischen Stadt und Land, irischer See und Atlantik, zwischen Dublin und einem Dorf im Burren. Ralf arbeitet als Irland-Korrespondent für die tageszeitung (taz) und schreibt Bücher, vorzugsweise über Irland und die Iren. Er hält Vorträge, Lesungen und ist ein brillanter Unterhalter. Seine Irland-Kolumne erscheint dienstags auf Irlandnews. Ralfs Website: www.sotscheck.net. Foto: Derek Speirs
Die Nazis schnitten die Versorgungslinien ab, sodass es bis Mitte der fünfziger Jahre in England nur noch langweilige und trostlos gewürzte Gerichte gab. Während andere Länder, allen voran die Pasta-Nation Italien, aus wenigen Zutaten schmackhafte Mahlzeiten für arme Leute machten, beschränkte sich die englische Küche auf freudlose Sättigung.
Heutzutage gilt als Inselspezialität alles, was man zwischen getoastete Weißbrotscheiben quetschen kann: Fischstäbchen, Pommes frites, gebackene Bohnen. Oder man tunkt Soldaten in Tomatensuppe. Das sind keine uniformierten Krieger, sondern frisch geröstete und in schmale Streifen geschnittene, mit Butter bestrichene Toastscheiben. Damit füttert die Queen ihre Corgis, und was für die royalen Köter gut ist, kann für die Untertanen nicht schlecht sein.
Andere englische Spezialitäten sind „spotted dick“, was allerdings kein gescheckter Penis, sondern ein Pudding mit Trockenfrüchten ist, sowie „jellied eel“ – Aal in Aspik, weil diese Fische früher in Massen in der Themse herumlungerten. Warum man die armen Tiere in Aspik einlegt, ist ein englisches Geheimnis.
Eine Untersuchung kam 2018 zum Ergebnis, dass sich die Briten am schlechtesten in Europa ernähren. Bei der Hälfte aller Mahlzeiten wird Schnellfutter oder Mikrowellenkost serviert. Kein Wunder, dass die Engländer das fetteste Volk Europas sind.
Ich habe allerdings wirklich keinen Grund zum Lästern. Mein Arzt hat mir noch drei Monate gegeben. Wenn ich bis dahin nicht abgenommen habe, werde er andere Saiten aufziehen, drohte der Doktor. Ich müsste dann zum ersten Mal in meinem Leben Blutdrucktabletten einnehmen. Meine zwingend logische Erklärung für das Übergewicht: Die Untersuchung von 2018 kam zu dem Ergebnis, dass sich die Iren fast genauso schlecht wie ihre Nachbarn ernähren und deshalb die zweitfetteste Nation in Europa sind.
Das fängt schon beim Frühstück an. Die einen nennen es „komplettes englisches Frühstück“, bei anderen heißt es „komplettes irisches Frühstück“. Beide bestehen aus einem Haufen gebratenem Zeug. Es ist ein Großangriff im Morgengrauen auf die Leber. Genauso gut könnte man einen Flachmann Whiskey zu sich nehmen.
Die Irish Times rief neulich einen Wettbewerb aus, bei dem die Leser ihre Rezepte für die besten traditionellen irischen Gerichte einschicken sollten. Die populärste Mahlzeit besteht aus einer leicht abgewandelten Form der englischen Leibspeise: Man legt Kartoffelchips zwischen zwei Weißbrotscheiben, wickelt sie in eine Serviette, legt sie auf den Fußboden und springt drauf, damit die Chips zerbröseln. Dann doch lieber ein Flachmann Whiskey.
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Titelbild: Full Irish Breakfast
Lieber Ralf,
ich bin nach wie vor überzeugt das es solches und solches Essen gibt, es ist halt Geschmackssache. Gerade zurück von knapp 4 Wochen Schottland/England haben wir dort zum Teil vorzüglich gespeist, wo man es nicht erwartet, sind aber auch in üble Touristenfallen geraten.
Da ich aber überzeugt bin das du kulinarisch vertrauenswürdig bist (mit den Indern stimme ich dir auch absolut zu) wäre die Frage ob dein Arzt einfach mal mit dir eine Woche durch die Lande äh. Kneipen ziehen sollte? Den Flachmann kann er ja stecken lassen.
Viele Grüße aus dem Land an dem es heute Abend im Supermarkt immer noch kein Sonnenblumenöl gibt, weil die Engländer es zum frittieren wegkaufen. :-)
Es lebt sich wunderbar hier in Connemara, aber in meiner Küche herrscht Schweizer-Geist.
Wo ist diese Küche?
Lieber Ralf,
von Chips zwischen Toastscheiben hatte ich bereits gehört, hielt das aber tatsächlich für einen Scherz. Die Iren veräppeln andere ja mal ganz gerne… Urgh, ungesünder geht’s nicht, höchstens wenn man den Toast vorher noch buttern würde.
Ansonsten kann ich eher was zur englischen Küche beitragen als zur irischen, denn in UK war ich viel auf Reisen.
Ist englische Küche wirklich so schlecht wie Ihr Ruf? Ich würde sagen Ja und Nein.
In England gibt es für meinen Gaumen etliches Ungenießbares, aber mit Confit (eine gräulich-weiße Fettschicht) überzogene Hähnchenschenkel in Frankreich finde ich genauso fies.
Man kann sich in England genauso schlecht, zu fett, zu zuckerhaltig ernähren wie in jedem anderen Land wo es all dies im Überfluß gibt.
England bietet aber auch viel, damit Essen gesund und ein Genuß ist.
Es gibt landesweit qualitativ hervorragendes Fleisch, Geflügel und Wild. Und zumindest in den Küstenregionen fangfrischen Fisch und Muscheln. Sausages in etlichen Varianten sind eine Spezialität vieler Metzgereien, ob Cider Rosie mt Rosmarin, Wiltshire Sausage mit Salbei oder Plum & Ginger mit, wie der Name schon sagt, Pflaume und Ingwer. OK, nicht wirklich gesund, aber Schmackofatz… ;o)
Auch das Angebot an Gemüse und Obst ist riesig. Man kann sich also gesund ernähren im Inselstaat, wenn man will.
Was das Essen gehen betrifft, habe ich vielleicht einfach nur Glück gehabt, denn ich bin meist in kleinen Lokalen oder Pubs gelandet, wo mit guten Zutaten frisch und schmackhaft gekocht wurde, teilweise auch bio. Dabei musste ich allerdings oft lange Wartezeiten in Kauf nehmen, der Rekord für eine (total köstliche) Chicken and Leek Pie lag bei 1,5 Stunden. Wahrscheinlich hatte das Huhn, welches dafür vorgesehen war, Wind davon bekommen und war weggelaufen.
Auch wurde ich gelegentlich von Gartenbesitzern zum (mit-)Essen eingeladen und alles hat bestens geschmeckt. Leckere Quiches, Salate, Eintöpfe, gefüllte Ofenkartoffeln und Kröten im Loch ( Toad in the Hole).
ich will aber nicht verhehlen, dass ich aus Zeitmangel und mit einem vor Hunger schon flauen Magen auch schon mal beim fast food bei McDoof gelandet bin…
Als ich vor vielen Jahren das erste Mal nach England reiste, probierte ich neben diversen Biersorten im Pub auch die Klassiker des Pub Food, dazu gehörte ‚Beans on Toast‘, also Bohnen in Tomatensauce auf Toast.
Durch einen Versprecher meinerseits wurde daraus ‚Bones on Toast‘. Der Wirt brach in schallendes Gelächter aus, Knochen auf Toast, das gäbe es bei Ihm nicht. Und fügte scherzhaft hinzu, NOCH nicht, seine Schwiegermutter würde noch leben…
Also Ralf, Deiner Gesundheit zuliebe ran an Deinen Blutdruck und den Speck.
Und damit meine ich nicht den Speck vom Full Irish Breakfast… ;o)
Liebe Grüße auf die grüne Insel
Elke
Liebe Elke,
Danke für den Zuspruch. Und natürlich hast Du recht: Man kann auch in England oder Irland gut speisen, wenn man Glück und Geduld bei der Suche hat. Unser local pub hat die besten Fish and Chips weit und breit. Okay, das ist keine gesunde und blutddruckfreundliche Nahrung – aber verdammt lecker.
Ralf
Dann fange mal schleunigst an, jeden Tag Grapefruit- und/oder Rote Beete-Saft zu trinken, lieber Ralf, gerne aus dem Flachmann. Der Effekt wurde bereits wissenschaftlich untersucht und beruht darauf, dass Rote Bete Nitrate enthalten, diese werden mit Hilfe des Speichels zu Nitrit reduziert, so werden die Blutgefäße erweitert. Dadurch kann der Blutdruck sinken. Einen gleichen, jedoch deutlicheren Effekt hat der Eiweißbaustein Arginin, den Bodybuilder im Kanister kaufen. Als Kapseln erhältlich, mit bei Männern geschätzten erwünschten Nebenwirkungen, wurde die Einnahme von l-Arginin bereits eingehend wissenschaftlich untersucht (nur kann man dieses „Zaubermittel“ nicht patentieren, und so wird nicht drüber gesprochen).
Es lohnt sich sicherlich, in diesen drei Monaten mal 3-4 g Arginin pro Tag einzunehmen und zu schauen, ob deine Blutgefäße jubilieren werden!
Abends ein gutes Präparat mit Coenzym Q10 einnehmen hat noch andere gesundheitliche Vorteile, zudem wird in einem renommierten Buch zum Thema erwähnt „Die zu erwartende Blutdrucksenkung beträgt markante 11-17 mmHg für den systolischen Blutdruck und 8 mmHg für den diastolischen Blutdruck, bei Dosierungen von 60-200mg/Tag“.
Die abendliche Einnahme von hochwertigem Magnesium sollte in unserem Alter eigentlich ohnehin selbstverständlich sein, auch dieses löst die generelle Anspannung, nicht nur von Blutgefäßen.
Wenn du in diesem drei Monaten noch eine „Kur“ fast ohne Kohlenhydrate hinbekommen würdest, sollte auch dein Gewicht jubilieren: Gerne „Full Irish“ aber ohne Kartoffeln und gezuckerte Bohnen, mittags und abends so viel Grünzeug (gedünstet oder roh mit hochwertigen Ölen/Fetten), wie dein Magen fasst, plus Fisch/Meeresfrüchte, hellem Fleisch und/oder Käse, auch Joghurt und/oder Quark . Also „NUR“ Kartoffeln, Pasta, Brot und Reis“ weg lassen, nix mit Zucker. Stattdessen Kaffee, Joghurt, Quarkspeise mit Erythrit oder Xylitol süßen. So sollte der Arzt (und auch du) nach einigen Wochen staunen. Wenn du magst. For full Irish HAPPINESS!
Liebe Eliane,
Danke für die vielen guten Ratschläge. Ich werde in drei Monaten berichten.
Ralf
:D :D :D
Was den Touristen in den letzten Jahren in Irland geboten wurde ( vor Corona) war allerdings oft wirklich gut. In nahezu jedem Pub gabs durchaus gesundes Essen. Zu Fisch und Fleisch „englisches Gemüse“, also nur in gesalzener Butter geschwenkt und tolle Salate und Currys. Und die Pommes waren besser als hier. In England hab ich es allerdings wirklich furchtbar in Erinnerung. Würstl zur Hälfte verkokelt, Minzsoße gab Fragezeichen auf und eines der grauslichsten Gerichte aß ich beim Jamie Oliver in Edinburgh, wohin wir voller Hoffnung hinpilgerten. er musste sich offensichtlich auch anpassen. Aber den Vogel schoss der Inder ab, danach hatte ich drei Tage Magenschmerzen und ernährte mich von Kamillentee.
Liebe Elisabeth,
Ja, die armen Lämmer haben es nicht verdient, mit Minzsauce übergossen zu werden. Mit Indern habe ich allerdings gute Erfahrungen gemacht, sie waren in England oft meine Retter.
Ralf