Immer dienstags: Heute klärt uns Ralf Sotscheck über lebenslanges Lernen auf und warum er manchen Bankiers die Divertikulitis in den Darm oder die Seuche an den Hals wünscht.

 

Altwerden ist nichts für Feiglinge. So hieß das Buch des Schauspielers Joachim Fuchsberger. Er musste es wissen, denn er ist 87 Jahre alt geworden. Aber im Alter lernt man neue Wörter kennen. Meist handelt es sich um medizinische Fachbegriffe.

Ralf Sotscheck

Die Irland-Kolumne von Ralf Sotscheck.  Der Berliner Journalist lebt seit 1985 in Irland und ist irischer Staatsbürger. Er pendelt zwischen Stadt und Land, irischer See und Atlantik, zwischen Dublin und einem Dorf im Burren. Ralf arbeitet als Irland-Korrespondent für die tageszeitung (taz) und schreibt Bücher, vorzugsweise über Irland und die Iren. Er hält Vorträge, Lesungen und ist ein brillanter Unterhalter. Seine Irland-Kolumne erscheint dienstags auf Irlandnews. Ralfs Website: www.sotscheck.net. Foto: Derek Speirs

Meine Ärztin im westirischen Ballyvaughan erklärte mir neulich, ich hätte eine „Diverticulitis“. Aha. Das Übersetzungs-Programm in meinem Handy verriet mir den deutschen Namen: „Divertikulitis.“ Noch mal. Aha. Meine Ahnungslosigkeit erinnerte mich an die Begegnung mit dem Vertrauensarzt der Lebensversicherung, von dem ich mir vor langer Zeit einen tadellosen Gesamtzustand bescheinigen lassen wollte, um eine Hypothek zu ergattern. Die Bank hatte nämlich eine Versicherung verlangt, falls ich vor Begleichung der Schulden sterben würde.

Da Versicherungsprämien für Raucher ins Unermessliche stiegen, gab ich mich als Nichtraucher aus und sprühte mich vor Betreten der Arztpraxis mit Parfüm ein, was beim Arzt Irritationen auslöste. Das zweite Mal war er irritiert, als ich ihm versicherte, dass es mir prächtig gehe und ich mich erst vor Kurzem einer Kolostomie unterzogen hätte. Sein Gesichtsausdruck verriet, dass es ein Problem mit der Hypothek geben würde. Dabei hatte ich bloß zwei Buchstaben verwechselt: Ich meinte eine Koloskopie.

Zum Glück konnte ich das kleine Missverständnis aufklären, so dass die Bank of Ireland die Hypothek herausrückte. Dieselbe Bank will nun aber, dass ich das Haus aufgebe und zu den Kindern ziehe, denn seit die Hypothek abbezahlt ist, verdient sie nichts mehr an mir. Die Bank hat im Fernsehen Werbung geschaltet, die suggeriert, dass alte Leute zu viel Platz beanspruchen und ihr Haus gefälligst an junge Menschen verkaufen sollen, die dafür eine Hypothek aufnehmen müssen.

In dem Werbespot sieht man, wie sich eine alte Frau die Treppe in ihrem Haus herunterquält und ins Wohnzimmer geht, das furchterregend möbliert und Depressionen auslösend tapeziert ist. Dann kommen jedoch die Kinder und zeigen ihr ein todlangweiliges modernes Haus mit Extrazimmer für die Mutteraufbewahrung. Schließlich muss die alte Dame von ihrem eigenen Haus Abschied nehmen, wird ins neue verfrachtet – und Überraschung: Die Kinder haben die alten Möbel ins neue Mutterzimmer geschafft und sogar die Albtraumtapete aufgetrieben. Nun sitzt die Frau im identischen Raum, aber ein Bett gibt es dort nicht.

Wegen Hypotheken soll man sich trotzdem vertrauensvoll an die Bank of Ireland wenden. Es ist dieselbe Bank, die nach dem Crash 2008 durch viele Milliarden Steuergelder gerettet wurde. Als sie wieder auf den Beinen war, klagte sie die Menschen, die aufgrund der Steuererhöhungen für die Bankenrettung mit Hypothekenzahlungen im Rückstand waren, aus ihren Häusern.

Mögen die Bankiers von Divertikulitis oder einer anderen Krankheit, deren Namen ich leider noch nicht kenne, heimgesucht werden.

Titel-Foto: Bank of Ireland in Dublin; Markus Bäuchle