Queen Elisabeth II

Immer dienstags. Heute wirft Ralf Sotscheck einen letzten Blick auf die überbordende Trauer-Orgie um Königin Elisabeth II.

Die offizielle Trauerzeit für Königin Elizabeth war in dem Moment vorbei, als sie vorigen Montag unter die Erde gebracht worden war. Natürlich hatten die Engländer ein Anrecht auf ihren kollektiven Weinkrampf, aber manch verordnete Trauermaßnahme schoss deutlich über das Ziel hinaus.

Ralf Sotscheck

Die Irland-Kolumne von Ralf Sotscheck.  Der Berliner Journalist lebt seit 1985 in Irland und ist irischer Staatsbürger. Er pendelt zwischen Stadt und Land, irischer See und Atlantik, zwischen Dublin und einem Dorf im Burren. Ralf arbeitet als Irland-Korrespondent für die tageszeitung (taz) und schreibt Bücher, vorzugsweise über Irland und die Iren. Er hält Vorträge, Lesungen und ist ein brillanter Unterhalter. Seine Irland-Kolumne erscheint dienstags auf Irlandnews. Ralfs Website: www.sotscheck.net. Foto: Derek Speirs

In Norwich wurde ein Fahrradständer während der gesamten Trauerzeit gesperrt. Auf Nachfrage erklärte die Stadtverwaltung dem Guardian, dass der Fahrradständer in der Nähe der Stelle sei, wo die Untertanen ihre Blumen für die tote Queen abwerfen würden. Warum es respektlos sei, Fahrräder in der Nähe der Blumen zu parken, erschloss sich der Zeitung nicht. Ebenso unergründlich erschien die Anweisung des britischen Radsportverbands, dass am Tag der Beerdigung niemand ein Rad benutzen solle.

Und ein Flugzeug erst recht nicht. Während der Überführung der royalen Leiche nach London und während der Beerdigung wurden die Flüge von und nach Heathrow umgeleitet, um für Ruhe im Himmel über der englischen Hauptstadt zu sorgen. Ruhe herrschte auch in den Filialen der Supermarktkette Morrisons. Man hatte nicht nur die Ansagen und dankenswerterweise auch die unerträgliche Marktmusik abgeschaltet, sondern auch die Pieptöne an den Selbstbedienungskassen. Das Piepsen, so meinte das Management der Kette, wäre respektlos gegenüber der verblichenen Monarchin.

Das britische meteorologische Institut wollte ebenfalls nicht despektierlich erscheinen, formulierte eine Ankündigung auf Twitter aber so ungeschickt, dass der Eindruck entstand, die Wettervorhersage werde während der Trauerzeit geheim gehalten. Wollte man verhindern, dass die Menschen am Tag der Beerdigung zu Hause blieben, falls man Regen ankündigte? Gemeint war wohl, dass keine heiteren Formulierungen gewählt werden würden. Warum muss man das lauthals verkünden?

Und Center Parcs, die Betreiberin von Ferienparks in Europa, erklärte, dass sämtliche britischen Anlagen am Tag der Beerdigung um zehn Uhr schließen würden, damit die Angestellten ordentlich trauern könnten. Wer ausgerechnet in dieser Zeit in einem der Parks Urlaub mache, müsse die Nacht anderswo verbringen und dürfe erst am nächsten Tag zurückkehren.

Den Vogel aber schoss Dan Wooton ab, ein früherer Chefredakteur des Schmutzkübels The Sun und derzeitiger Moderator beim Sender GB News, der vollkommen qualitätsfrei ist. Wooton veröffentlichte ein eitles Video von sich, wie er Blumen am Buckingham Palace niederlegt. Jemand ließ das Video im Internet rückwärts laufen, so dass es aussah, als ob Wooton die Blumen klaute.

Aus und vorbei. Nun kann man sich dem Kauf von Devotionalien zuwenden. Es gibt zum Beispiel eine Zeichnung der Königin mit vier Corgis an der Leine. Den Queen-Hunden hatte man während der Beerdigung die Schnauzen zugebunden, damit sie nicht respektlos bellen konnten.


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Foto: Ehrbekundungen für die verstorbene Königin Elisabeth II in der Mall in London. By Doyle of London – Own work, CC BY-SA 4.0.