Priest

Immer dienstags. Heute erzählt Ralf Sotscheck von einem katholischen Pfarrer in Kerry, der Schwulen und Lesben in der vergangene Woche mal wieder die Hölle angedroht hat. 

Sie können es nicht lassen. Irlands katholische Kirche hat nach all den Skandalen um Kindesmissbrauch und die jahrzehntelange Vertuschung durch die Hierarchie jegliche Autorität verspielt, aber manche Pfaffen laufen nach wie vor mit erigiertem Zeigefinger herum und belehren ihre Schäfchen über Sexualität, obwohl sie von dem Thema – zumindest offiziell – keinen blassen Schimmer ­haben.

Ralf Sotscheck

Die Irland-Kolumne von Ralf Sotscheck.  Der Berliner Journalist lebt seit 1985 in Irland und ist irischer Staatsbürger. Er pendelt zwischen Stadt und Land, irischer See und Atlantik, zwischen Dublin und einem Dorf im Burren. Ralf arbeitet als Irland-Korrespondent für die tageszeitung (taz) und schreibt Bücher, vorzugsweise über Irland und die Iren. Er hält Vorträge, Lesungen und ist ein brillanter Unterhalter. Seine Irland-Kolumne erscheint dienstags auf Irlandnews. Ralfs Website: www.sotscheck.net. Foto: Derek Speirs

Seán Sheehy zum Beispiel, ein pensionierter Priester aus Kerry im Südwesten der Insel, der vor acht Tagen für seinen Nachfolger Declan O’Connor eingesprungen ist, weil der auf Pilgerfahrt in Palästina weilte. Die Kirche war mit 200 Menschen recht gut gefüllt, und außerdem wurde die Messe live im Internet übertragen.

Sheehys Sonntagspredigt handelte von der Sünde, die in Irland angeblich ungezügelt grassiere. Bei Sex zwischen zwei Männern oder Sex zwischen zwei Frauen könnten sich die Beteiligten schon mal auf einen Aufenthalt in der Hölle gefasst machen, tobte Sheehy.

Auch die Mitarbeiter des irischen Gesundheitsdienstes müssen sich das Paradies abschminken, nachdem sie spät nachts vor einem Club in der Kleinstadt Tralee kostenlos Kondome verteilt haben. Als das in den siebziger Jahren in den USA geschehen sei, habe sich die Promiskuität schlagartig verdreifacht, rhabarberte Sheehy. Wer allerdings Buße tue und bereue, könne vor Satans Listen und Tücken gerettet werden.

Spätestens jetzt verließ ein Teil der Gemeinde aus Protest die Kirche. Damit Pfarrer O’Connor bei seiner Rückkehr von der Pilgerfahrt keine völlig leere Kirche vorfindet, entschuldigte sich Bischof Ray Browne für den Wüterich und versprach, ihn nie wieder auf die Kanzel zu lassen. Sheehy erklärte, er werde mundtot gemacht und fügte triumphierend hinzu: „Ich weiß, dass niemand das Gegenteil von dem, was ich sage, beweisen kann.“

Vergewaltiger haben von Gott hingegen nichts zu befürchten, meint Sheehy offenbar. Vor einiger Zeit bescheinigte er dem Sexualstraftäter Danny Foley einen tadellosen Charakter, umarmte ihn, sprach nach dessen rechtmäßiger Verurteilung von einem Fehlurteil und meinte, es sage ja wohl alles über das 22-jährige Opfer, dass sie eine ledige Mutter sei.

Warum der lokale Radiosender dem Klotzkopf nach seiner Moralpredigt auch noch eine Bühne bot und ihn interviewte, ist rätselhaft. Ob Politiker wie Leo Varadkar, der schwule Vize-Premierminister, in die Hölle kommen, wurde Sheehy gefragt. „Unbedingt“, rief er mehrmals. Dass die meisten Politiker in die Hölle gehören, stimmt zwar – aus allen möglichen Gründen, aber nicht wegen Homosexualität.

Zum Glück wird das Problem bald biologisch gelöst sein. Von den gut 2.000 Pfaffen in Irland sind 15 Prozent über 75, müssen aber wegen Nachwuchsmangel immer noch sonntags die Gemeinde bespaßen. 25 Prozent sind zwischen 60 und 75, und nur 2,5 Prozent sind unter 40. Bald ist der Spuk also vorbei. Gott sei Dank.


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Neues Buch von Ralf Sotscheck: Der Name der Ente

Der Name der Ente SotscheckGeschichten aus Irland, die manchmal unglaublich, aber immer wahr sind – und ziemlich lustig. Größtenteils jedenfalls. Ralf Sotscheck ist Berliner, lebt aber seit 1985 auf der Grünen Insel und arbeitet als Korrespondent für taz, die tageszeitun, und andere Medien.

„Einen Sotscheck zu sehen gilt als großes Glück; man muss sich sogleich den Bauch reiben und ein Guinness bestellen. Im Glase sieht man dann Dinge, die es gar nicht gibt – schönes Wetter oder funktionierende irische Behörden.“ Friedrich Küppersbusch

Der neue Sotscheck kostet als eBook 6,99 € und ist hier bei Thalia erhältlich. Weitere Bücher von Ralf gibt es hier.

 

Titel-Foto: Ein Pfarrer bei der Arbeit in West Cork – nicht identisch mit dem Moralapostel aus Kerry. Foto: Markus Bäuchle