Immer dienstags. Heute berichtet Ralf Sotscheck von seinen Reiseabenteuern auf dem Berliner Flughafen. Dort tut man alles, um den Leuten das Fliegen zu verleiden.
Leb wohl, Berlin. Es war schön mit dir bei meinen Besuchen. Aber nun überwiegt die Angst, dass ich nicht mehr wegkomme. Vorigen Donnerstag, als ich nach einer Woche in der Hauptstadt zurück nach Dublin fliegen wollte, haben angeblich Klima-Aktivisten den Flughafenbetrieb gestört. Ein Flughafenangestellter, der anonym bleiben will, erzählt mir jedoch, dass an dem Tag das interne Skat-Turnier stattgefunden hat. „Da zwei Fluglotsen es ins Finale geschafft hatten, mussten wir den Flughafen für zwei Stunden lahmlegen“, sagt er. So schickten seine Kollegen ihre Kinder auf die Landebahn. „Die Teenager durften sich danach im Duty Free Shop eine Tafel Schokolade aussuchen.“

Die Irland-Kolumne von Ralf Sotscheck. Der Berliner Journalist lebt seit 1985 in Irland und ist irischer Staatsbürger. Er pendelt zwischen Stadt und Land, irischer See und Atlantik, zwischen Dublin und einem Dorf im Burren. Ralf arbeitet als Irland-Korrespondent für die tageszeitung (taz) und schreibt Bücher, vorzugsweise über Irland und die Iren. Er hält Vorträge, Lesungen und ist ein brillanter Unterhalter. Seine Irland-Kolumne erscheint dienstags auf Irlandnews. Ralfs Website: www.sotscheck.net. Foto: Derek Speirs
Der BER sei der erste Flughafen weltweit, der sich der Klimarettung verschrieben habe, behauptet Juvil Fleino-Wehr. Er hatte im nordfinnischen Saariselkä einen Sado-Maso-Club betrieben, als er im November 2011 vom BER kurz vor der geplanten Eröffnung angeheuert wurde. „Der Flughafen war perfekt“, sagt Fleino-Wehr, „aber mein Auftrag war, den Passagieren das Fliegen zu verleiden.“
Unter dem Vorwand des mangelhaften Brandschutzes wurde die Eröffnung sieben Mal verschoben. „Zunächst mussten die Rollsteige wieder ausgebaut werden, weil sie zu komfortabel waren“, sagt Fleino-Wehr. „Der Nebeneffekt ist, dass die Angestellten nachts auf den langen Gängen Straßenbowling spielen können.“ Außerdem wurden viele Hinweistafeln entfernt und viele Toiletten zugemauert.
Der Interessenverband „Passagiere in ständiger Sorge, ob Flugzeuge fliegen“ (PisSoFf) rät aus diesen Gründen, festes Schuhwerk – am besten Wanderstiefel – zu tragen und die Toilette zu benutzen, wenn man eine sieht, denn die Gelegenheit käme vielleicht nie wieder. „Wichtig ist auch, den Angaben auf dem Buchungsbeleg nicht zu vertrauen“, heißt es in der PisSoFf-Broschüre.
Das stimmt. Der Bus hält am Terminal 1, aber wir sollen laut Beleg im Terminal 2 einchecken. Nach einem zünftigen Spaziergang durch Wind und Regen erklärt man uns, dass die irische Fluglinie Aer Lingus wegen „technischer Probleme“ den Schalter ins Terminal 1 verlegt habe. Also zurück. Nachdem wir schließlich völlig durchnässt unsere Koffer aufgegeben haben, gibt es keine Möglichkeit, den Gepäckwagen abzugeben. Der Pfand-Euro ist futsch.
„Mit diesen Euros finanzieren wir unsere Betriebsausflüge“, sagt der anonyme Angestellte. „Eine weitere Geldquelle sind die Wasserflaschen des Christinenbrunnens für 1,50 Euro. Unsere Toilettenfrau Christine füllt die Flaschen während ihrer Arbeitszeit aus dem Wasserhahn ab.“
Aer Lingus hat vor dem Einstieg ins Flugzeug noch eine Hürde aufgebaut: Man muss eine halbe Stunde auf einer zugigen Treppe warten, bevor man in die Maschine darf. Aer Lingus und der BER – eine Partnerschaft zum Wohle des Klimas.
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Neues Buch von Ralf Sotscheck: Der Name der Ente
Geschichten aus Irland, die manchmal unglaublich, aber immer wahr sind – und ziemlich lustig. Größtenteils jedenfalls. Ralf Sotscheck ist Berliner, lebt aber seit 1985 auf der Grünen Insel und arbeitet als Korrespondent für taz, die tageszeitun, und andere Medien.
„Einen Sotscheck zu sehen gilt als großes Glück; man muss sich sogleich den Bauch reiben und ein Guinness bestellen. Im Glase sieht man dann Dinge, die es gar nicht gibt – schönes Wetter oder funktionierende irische Behörden.“ Friedrich Küppersbusch
Der neue Sotscheck kostet als eBook 6,99 € und ist hier bei Thalia erhältlich. Weitere Bücher von Ralf gibt es hier.
Titel-Foto: Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, Ekaterina Zershchikova.
Tut mir leid, aber ich habe noch einmal eine Ergänzung in Sachen BER und Körperverletzung.
Vorgestern kamen wir in einer späten Maschine aus Larnaca (Zyern) zurück. Es gelang mir, an der Tür, die mich durch ein hingeworfenes Kantholz schon mal zu Fall brachte, vorbeizugehen und zuversichtlich auszuschreiten.
Wir hatten das Easyjet-Abenteuer bereits hinter uns – erster Abflug gecancelt und neuer Flug 24 Stunden später mit Verspätung – und jeder wollte so schnell wie möglich nach Hause. Also Lift statt Treppe dachte ich mir. Der Lift stand, als ich kam und war spärlich besetzt, so dass ich durchaus noch zusteigen konnte. Ich muss mit einer Körperhälfte eingestiegen sein, als die dicke Glastür schloss und (offenbar war die Lichtschranke defekt) nicht vor mir anhielt, sondern mich zurückkatapultierte. Ich schlug hart mit dem Kopf auf dem Steinboden auf und blieb erst einmal liegen… Ein déjà vu, was mich zusätzlich in Schock versetzte. Um es kurz zu machen: diesmal ließen wir einen Notarzt kommen und den Vorfall (Rückfall…) auch von Seiten des Flughafens aufnehmen.
Zum Glück bin ich mit einer eigroßen Beule und einer leichten Gehirnerschütterung davongekommen, so dass ich heute schon darüber schreiben kann…Der BER wird diesmal aber nicht verschont, wobei ich nicht allzu große Hoffnung auf eine Form der Entschädigung habe.
Nein, das wird wohl nie eine Freundschaft werden zwischen mir und dem BER!
Gabriele
Das Warten im winterlichen Lüftchen vor dem Einstieg ist doch nur eine Maßnahme, um die durchnässte Kleidung vom Spaziergang ausgiebig luftzutrocknen. Zusammen mit der dann folgenden Erfrischung durch die Klimaanlage im Flieger erfolgt dann der Test, ob das Immunsystem der Bürger für den Winter ausreichend gestählt ist. Wer drei Tage später Schnupfen hat, ist durchgefallen und muss ganz viel Whiskey trinken. Das kurbelt den Umsatz und die irischen Steuereinnahmen an.
OMG, das spricht, ruft geradezu aus der Seele! Ich kann als Ergänzung hinzufügen, dass man nicht davor zurück scheut, hartnäckige Fluggäste auch körperlich anzugehen. Im Juni wurde mir – nach der Landung am BER beim Eintritt in den Flughafen – ein ca. 1/2 m langes Kantholz (gleich hinter der Eingangstür) so in den Weg gelegt, dass ich drüber „fallen musste“.. Resultat: Muskelfaserriss, der genau abgeheilt war, als der nächste Flug nach Dublin (vom BER) Ende August anstand!!! Einige Berliner fliegen inzwischen ab Hamburg!!!
Grüße nach Fanore
Gabriele