Immer dienstags. Heute erinnert sich Ralf Sotscheck, wie er als Bär in Dublins Croke Park für Aufsehen sorgte. Zumindest war er nicht auf Kokain.  

Ein Bär hat es nicht leicht. Ich weiß das, denn ich war selbst mal einer. Das ist lange her, die Kinder waren noch im Kindergarten, und eines Tages bat mich die Kindergärtnerin, die Kleinen in den Dubliner Croke Park, Irlands größtes Sportstadion, zum „Teddybear’s Picnic“ zu begleiten – als Bär verkleidet. Sie behauptete, jede Kindergartengruppe würde einen Bären mitbringen, und außerdem würde auch Bosco, eine rothaarige Puppe aus dem Kinderfernsehen, dabei sein.

Ralf Sotscheck

Die Irland-Kolumne von Ralf Sotscheck.  Der Berliner Journalist lebt seit 1985 in Irland und ist irischer Staatsbürger. Er pendelt zwischen Stadt und Land, irischer See und Atlantik, zwischen Dublin und einem Dorf im Burren. Ralf arbeitet als Irland-Korrespondent für die tageszeitung (taz) und schreibt Bücher, vorzugsweise über Irland und die Iren. Er hält Vorträge, Lesungen und ist ein brillanter Unterhalter. Seine Irland-Kolumne erscheint dienstags auf Irlandnews. Ralfs Website: www.sotscheck.net. Foto: Derek Speirs

Das war gelogen. Bosco ließ sich nicht blicken, und die anderen Kindergärten hatten keinen Bären mitgebracht. Ich war der einzige unter 2.000 Eltern und 3.000 Kindern, und alle wollten sich mit mir fotografieren lassen. Es war Juni, und ausnahmsweise war es wirklich Sommer. Ich musste Gymnastik zum Teddy­bär-Lied machen: „Teddybär, berühre deine Zehenspitzen“, tönte es aus den Lautsprechern, aber das war in dem Kostüm unmöglich, obwohl ich damals gelenkiger als heute war.

Die Menge feuerte mich an, mir aber lief der Schweiß in die Schuhe. Ein Mädchen brüllte: „Mami, der Hund hat einen Mann im Maul!“ Ich raunzte sie an, dass ich ein Bär sei, doch die Mutter versetzte mir einen versteckten Tritt und erklärte mir leise, dass Bären nicht sprechen können. Immerhin war ich am Abend in den Fernsehnachrichten zu sehen, auch wenn mich in dem Kostüm niemand erkannte.

Nächstes Jahr kommt auf die Kinoleinwand die Geschichte eines Bären, der Kokain gefressen hat. Der Film spielt zwar im US-Bundesstaat Georgia, aber er wurde in der irischen Grafschaft Wicklow südlich von Dublin gedreht. Bären in freier Wildbahn gibt es auf der Insel zwar schon seit 3.000 Jahren nicht mehr, jedoch jede Menge Kokain.

Die Hollywood-Schauspielerin und Regisseurin Elizabeth Banks hat mit „Cocaine Bear“ einen Horrorstreifen produziert. Es geht um eine exzentrische Gruppe aus Polizisten, Kriminellen, Touristen und Teenagern, unter denen der Bär auf Drogen ein gruseliges Blutbad anrichtet.

Die wahre Geschichte, auf der dieser Film angeblich basiert, ist profaner: Im September 1985 erklärte die US-Polizei, dass Andrew Thornton, ein ehemaliger Drogenfahnder, der zum Drogenbaron geworden war, 34 Kilo Kokain aus einem Privatflugzeug abgeworfen hatte, weil die Ladung zu schwer war. Als er seinem Zwei-Millionen-Dollar-Stoff hinterhersprang, öffnete sich sein Fallschirm nicht, und er kam ums Leben.

Später fand die Polizei einen Schwarzbären zwischen 40 leeren Plastikbehältern, in denen das Kokain geschmuggelt worden war. Der Bär war an einer Überdosis gestorben. Er wurde ausgestopft und im Chattahoochee-Freizeitpark ausgestellt, verschwand dort aber bald und tauchte in einem Pfandhaus auf. Der Country-Sänger Waylon Jennings kaufte den Bären und schenkte ihn einem Vergnügungsetablissement in Kentucky. Und da steht er heute noch.


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Neues Buch von Ralf Sotscheck: Der Name der Ente

Der Name der Ente SotscheckGeschichten aus Irland, die manchmal unglaublich, aber immer wahr sind – und ziemlich lustig. Größtenteils jedenfalls. Ralf Sotscheck ist Berliner, lebt aber seit 1985 auf der Grünen Insel und arbeitet als Korrespondent für taz, die tageszeitun, und andere Medien.

„Einen Sotscheck zu sehen gilt als großes Glück; man muss sich sogleich den Bauch reiben und ein Guinness bestellen. Im Glase sieht man dann Dinge, die es gar nicht gibt – schönes Wetter oder funktionierende irische Behörden.“ Friedrich Küppersbusch

Der neue Sotscheck kann für 12 Euro plus Porto direkt beim Verlag bestellt werden: office@schreibstark-verlag.de. Als eBook kostet es 6,99 € und ist hier bei Thalia erhältlich. Weitere Bücher von Ralf gibt es hier.

 

Titel-Foto: Offizielles Filmplakat von Cocaine Bear (Ausschnitt)