056 :: Peg´s Shop, Adrigole, County Cork
It´s all over now. Am zweiten Samstag im Dezember betraten den kleinen Dorfladen in Adrigole so viele Besucher wie sonst in einer Woche nicht. Sie kamen, um sich bei Maureen und Margaret zu bedanken und um sich zu verabschieden: Adrigoles letzter Lebensmittelladen schloss am 9. Dezember um 18 Uhr nach 90 Jahren seine Tür für immer. Als Maureens Mutter Peg O’Sullivan den florierenden Laden unweit der Kreuzung zum Healy Pass betrieb, war Adrigole ein florierendes Dorf. Es gab fünf Lebensmittelgeschäfte, vier Pubs, drei Schneider und eine Schneiderin, einen Korbmacher, einen Sargschreiner, mehrere Hufschmiede, den Dorfpolizisten.
Vorbei, das alte Dorfleben, verschwunden das alte Dorf. Aufgegeben der kleine Familienbetrieb, der in guten Zeiten im magischen Dreieck zwischen Pub, Dancehall und Schule die Menschen mit Brot, Schinken, Eiern, Kartoffeln, Tee und Butter versorgte. Wir bedauern den Verlust und kaufen bei Lidl und bei den Amazons dieser Welt. Wie oft bin ich an Peg´s Shop vorbei gefahren und schmunzelte über den Werbe-Slogan: “Bekannt aus dem Fernsehen”. Der Laden an der Brücke über den Adrigole River hatte es einmal ins irische Fernsehen geschafft. Das war einige Jahre vor der Pandemie. Peg, die fast 100 Jahre alt wurde, hatte noch gelebt.
Heute fehlen die Menschen, die mit dem Sortiment eines kleinen Dorfladens zufrieden wären. Die Gäste vom nahen Campingplatz können eine intakte Dorfgemeinschaft nicht ersetzen. Die gesamte Beara-Halbinsel leidet unter Landflucht und Strukturwandel. Es gibt immer weniger Einheimische, dafür immer mehr Ferienhäuser, die ein paar Wochen im Jahr genutzt werden. Läden, Postämter, Pubs, Polizeistationen und Schulen verschwinden. Die Dörfer sterben und leben als untote Geister-Gemeinden weiter. Die Idylle entpuppt sich bei genauer Betrachtung als hübsche Kulisse. Die Zahl der Einwohner auf der Peninsula ist von einst 40.000 auf etwa 6.000 geschrumpft. Die meisten Jugendlichen zieht es nach der Schule in die Städte oder ins Ausland.
An sonnigen Sommertagen lässt es sich hier herrlich träumen, hier in God´s own country.
Ortskoordinaten: 51°41’40.4″N 9°43’17.9″W
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Alle Fotos: Markus Bäuchle
Wir sind vor 3 Jahren in ein Dorf zwischen Bremen und Hamburg gezogen. Vor 2 Jahren wurde der ehemalige Dorfladen wieder zum Leben erweckt. Was schöneres kann es bald nicht geben. Mal eben mit dem Fahrrad um die Ecke fahren und auch einen Spaziergang dorthin. Immer wieder eine schöne Atmosphäre.
Ich komme vom Dorf und kann die Dorfnostalgie nicht gut nachvollziehen. Für mich war das schönste am Dorf die Landstraße in die nächste Stadt ;)
Dennoch finde ich es schade, dass es heute nicht mehr gelingt, kleine Tante-Emma-Läden oder den Bäcker im Dorf zu ernähren.
In Berlin übrigens gibt es sie zu Dutzenden, die kleinen Läden – nur heißen sie hier “Späti” und florieren. Verrückte Welt!
Schöne Grüße und ein besinnliches Weihnachten nach Irland und auch sonst!
Gabi
Ein 600-Seelen-Nest und keine erwähnenswerte Anbindung an ein Nahverkehrsnetz. Bis vor 20 Jahren habe ich dort in der Mitte von Hessen in einem alten, denkmalgeschützten Hof gelebt. 1700 qm Garten inklusive kleinem Bach. Eigenes Gemüse, 14 Obstbäume, selbstgekelterter Saft. Im Dorf hatte jeder irgendwas und wir haben “extrem-tausching’ betrieben. Kartoffeln gegen Gemüse gegen Obst gegen Geflügel gegen Eier usw… Mein Sohn ist dort und genau so aufgewachsen. Aus dem einzigen Tante-Gretel-Laden haben wir nach Ladenaufgabe gemeinsam eine “Kita” gemacht… etc, etc. Hört sich toll an. War auch toll. War eine soziale Erfahrung mit ganz viel und geliebten alternativem “Öko-Slang” und Gemeinschaft. Das Dorf gibt es noch…uns auch. Wir leben mittlerweile mitten in Frankfurt und stellen fest, dass zwar die Tante-Emma-Läden weg sind, aber es dennoch stadtteilbezogen eie sehr soziales Miteinander gibt. DAS….mitten in der Großstadt….gibt Hoffnung. VG Claudia
Ich höre immer nur Städte, Einkaufspassagen, Konsum, Konsum…. Ich habe die kleinen Läden noch erlebt. Da gab es noch Bonbons einzeln zu kaufen, Obst und Gemüse ohne Plastikverpackung. Allein der Duft wenn man reinkam. Man konnte sich noch mit dem Inhaber unterhalten. Heute in den großen Läden wirst du abgefertigt und kommst mit dem Einräumen vom Einkaufswagen nicht mehr hinterher. Leute besinnt euch mehr auf die Dörfer und die Natur und kommt von der Hektik weg. Das funktioniert besser auf dem Land.
So schade um diesen unkomplizierten, schönen Tante Emma Laden, der sicher alles, was man zum Leben braucht, (vorrätig), oder auf Bestellung den Kunden anbot.!
Ja, echt schade, aber ein Zeichen der Zeit wohl. Ich hätte auch niemals in meinem Dorf bleiben wollen, dabei war das sicher größer. Und von nostalgischen Gefühlen allein lässt es sich schwer leben …
Schade, wenn junge Leute von ihrem Dorf abwandern. Das Leben ist wohl härter dort, der Zusammenhalt aber umso intensiver, die Luft viel reiner, die Gesundheit, die man nicht kaufen kann, profitiert