006 :: Florrie, der Mann vom Ende des Glanmore Valley
Florrie lebt hier nicht mehr. Als ich im Januar an die Tür des alten Farmhauses klopfte, bellte im Schlafzimmer ein eingesperrter Hund. Florence war weg. Ich hatte den Einsiedler am Ende des Glanmore Valley im County Kerry zehn Jahre lang besucht, wenn ich in der Gegend war. Seine Schaffarm liegt an einer mächtigen Wasserkaskade am Nordaufgang zum Hungry Hill und am Übergang vom Glanmore zum Glenbeg Valley. Die Einheimischen nennen das Ende dieses entlegenen, entrückt schönen Tales im Schatten der Berge The Pocket.
Florence lebte dort alleine im einzigen Haus, dem alten Farmhaus seiner Eltern, die lange tot sind. Neun Kilometer vom nächsten Hauptsträßchen durch Lauragh entfernt. Die nächsten Nachbarn wohnen Kilometer weiter. Florrie hauste in einem Zimmer der alten Farm. Die Wände aus Stein, der Boden aus nacktem Beton, die Decke aus Holzbrettern. Dort aß er, dort ruhte er, dort nahm er Schutz vor Sturm und Regen, dort schaute er Fernsehen.
Das kleine, alte Fernsehgerät und der Strom waren sein einziger erkennbarer Luxus, das bunte TV-Fenster zur Welt verkürzte ihm die Zeit, wie er sagte. Eine Heizung hatte er nicht, der offene Kamin war lange schon nicht mehr in Betrieb. Der Wasserhahn im Haus funktionierte nicht mehr, Florrie holte sich das Wasser mit einem Dutzend alter Plastikmilchflaschen aus einem nahen Bach. Der Einsiedler saß an kalten Tagen mit Mütze und Anorak warm angezogen in seinem alten Sessel. Er tafelte auf einer alten, oft benutzten Zeitung, die schwarz glänzte. Geschirr musste keines gewaschen werden, Kleidung ganz selten.
Florence ernährte sich von Brot, Milch und Kartoffeln, der Ladenbesitzer im Dorf brachte ihm die Lebensmittel. Zwei Verwandte schauten regelmäßig nach ihm. Er hatte kein Auto, er war immer daheim, er ging auf den Schafswiesen, in den Bergen, ums Haus herum. Er trank Wasser und Milch, Alkohol interessierte ihn nicht. Wasser gibt es reichlich in den vielen Bächen und Wasserfällen um das Haus.
Als ich Florrie das letzte Mal besuchte, es war im März 2019, trug er gute neue Regenkleidung und war körperlich in guter Verfassung. Er begrüßte uns laut rufend vom Berggrat über dem Haus und kam wieselflink die steile Böschung herunter gelaufen. Wir aßen den mitgebrachten Kuchen. Florrie sprach bemüht und laut mit weit offenen Augen. Ob er einsam sei? Nein, alleine. Er erzählt über die Schlüsselmomente in seinem Leben: den Tod des Vaters, den Tod der Mutter. Es sei schwer, ohne die Eltern zu leben, doch es gehe schon. Er wirkte zufrieden, mit sich im Reinen.
Florence hat am 6. Januar Geburtstag. Er ist um die 60 Jahre alt und lebt jetzt in einem Heim bei Limerick.
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Alle Fotos: Markus Bäuchle
Fuck. – Wir waren da, ich fühle Ihn. Waterfall? – Cascade!!!
Eine sehr berührende Geschichte. Ich glaube auch, dass er mit sich im Reinen war. Hoffentlich bleibt das so!