035 :: Eine Reise nach Dingle, und was die Maschine daraus machte

Seit vier Monaten beschäftige ich mich mit dem großen Orakel der Gegenwart, dem Chatbot ChatGTP. Wird dieses maschinen-intellligente textbasierte Dialogsystem tatsächlich unser Leben in einer Weise verändern, wie es zuvor das Internet, das iPhone oder die “Suchmaschine” Google getan haben? Stirbt mit diesem KI-Chatbot die menschliche Kreativität? Wird die neue Generation der Chatbots das Lernen, den Handel, das menschliche Schreiben und Kommunizieren revolutionieren und dabei ganze Berufsgruppen auslöschen?

Über das St- Patrick´s Day-Wochenende war ich nach Dingle gereist und verbrachte dort zwei erlebnisreiche Tage. Zurück am Schreibtisch erlag ich der Versuchung, ChatGTP zu bitten, einen Beitrag über meine Reise zu schreiben. Ich fütterte das Model 4 mit einigen Fakten und bat den Bot, die Geschichte meiner Reise für mich und zudem im Stile des geschätzten deutsch-irischen Schriftstellers Hugo Hamilton zu schreiben. Das kam dabei heraus:

Die Fahrt nach Dingle: Eine Erinnerung

“Das Auto schnitt durch die kühle, nasse Luft Mitte März und ich fühlte mich wie ein Entdecker, der sich auf den Weg zu einem unbekannten Land macht. Die Halbinsel Dingle lag vor mir wie ein ungeschriebenes Buch, und ich war bereit, die Geschichte meines Aufenthalts zu schreiben.

Die grauen Wolken, die tief über den Hügeln hingen, verliehen der Landschaft eine geheimnisvolle Schönheit. Die melancholische Stimmung, die sie verbreiteten, war passend, da ich auf dem Weg war, das Grab des kürzlich verstorbenen Musikers Seamus Begley zu besuchen. Seine traurigen Lieder hallten in meinem Kopf wider, während ich den Slea Head entlangfuhr. Es war ein Ort, der sich wie ein Geheimnis anfühlte, das man in den tiefen Taschen der irischen Seele entdeckt.

Dingle

Als die Nacht hereinbrach und der St. Patrick’s Day näher rückte, fand ich Zuflucht in O`Connor’s Bar and B&B in Glochane, jenseits des Connor Pass. Hier war die Gastfreundschaft so warm wie das Feuer, das in der Kaminecke knisterte. Die Menschen von Dingle waren wie der Regen, der sanft auf die Erde fiel: unaufdringlich, aber dennoch präsent und füllend.

Am nächsten Tag besuchte ich Christoph, einen biodynamischen Landwirt im Ruhestand. Seine Augen waren wie zwei klare Seen, die die Weisheit von 35 Jahren Arbeit in Südafrika in sich trugen. Er wohnt nun mit seiner Frau Uta in Dingle, und ihr gemütliches Heim war für mich ein Ort der Ruhe und der Harmonie.

Gemeinsam begaben wir uns nach Neligan’s Bar, um das Rugbyspiel zwischen Irland und England zu verfolgen. In der Kneipe versammelten sich die Menschen wie Fische, die sich in einem stürmischen Hafen schutzsuchend drängten. Ihre Gesichter spiegelten die Anspannung und Aufregung des Spiels wider, und sie waren wie Blätter, die im Wind der Hoffnung und Enttäuschung flatterten.

Christoph zeigte mir auch die Klosteranlage Reask und die historische Anlage Teampall Gael bei Ventry. Es waren Orte, die von einer tiefen Spiritualität durchzogen waren, und sie wirkten wie Fenster in die Vergangenheit – eine Erinnerung an die Zeit, als der Glaube und die Hingabe das Land erfüllten.

Die Sonne war bereits im Westen versunken, als ich mich von Christoph und seiner Frau verabschiedete. Meine Reise nach Dingle . . .” (Abbruch)

Das Ergebnis ist nicht sonderlich beeindruckend: Schräge Bilder, falsche Metaphern, eine dünne Story, viel Blabla. Hugo Hamilton mag sich nun beleidigt fühlen – oder ist einfach nur erleichtert, dass er so einfach eben nicht zu kopieren ist. Die Qualität dieser maschinen-geschriebenen Beiträge reicht allerdings längst dafür aus, Massentexte, Marketing-Schnipsel, Email-Antworten oder Produktbeschreibungen automatisch zu erstellen. Sie reicht aus, um die Welt mit zig-Millionen Texten zu fluten, die findige und auch schlichtere Prompt-Schreiber mit wenigen Eingaben auslösen können. Wie vor mehr als einem Jahrzehnt die Fotografie wird nun die Texterstellung digitalisiert, automatisiert, exponentiell skaliert und dabei völlig entwertet. Die Qualitätkriterien werden in einem Strudel millionenfacher Vervielfältigung aufgelöst und verschwinden. Jetzt wird jeder ein Autor sein, der einen halbwegs geraden Prompt formulieren kann. Die Grenzen zwischen Fakt und Fake werden mehr denn je verwischt.

Und doch schaffen diese KI-Textgeneratoren nichts Neues. Sie rühren in der großen Ursuppe der von Menschen in der Vergangenheit geschaffenen Texte und Gedanken und kombinieren diese in der eigenen Maschinenlogik auf Anforderung in Sekunden und Minuten ständig neu. Sie schauen in die Vergangenheit und schaffen nur vermeintlich Zukünftiges: Sie verstopfen die Gegenwart mit der immer neuen Kombination von bereits Geschaffenem. Mit diesem massenweisen Akten nicht-kreativer Inzucht besiegeln sie das endgültige Ende des Autors.

Mit ChatGTP hätten die Geistewissenschaften nun ihren Taschenrechner erhalten, sagte eine kluge Frau kürzlich in einer Fernsehdiskussion. Das ist das wirklich Erstaunliche: Wir alle haben damit gerechnet, dass die künstliche Intelligenz im nächsten Schritt die materielle Welt umkrempeln würde: Produktfertigung, chrirurgische Eingriffe, die Sphäre der manuellen Tätigkeiten. Doch während wir noch immer vergeblich auf das selbstfahrende Auto warten, bricht die Maschinen-Intelligenz mit Gewalt in die Welt der Geisteswissenschaften und der kreativen Berufe ein. Überraschung!

Wie meine Reise nach Dingle wirklich war – und warum ich mich köstlich amüsiert habe, dass jeder Chatbot neidisch würde, wenn er neidisch werden könnte? Darüber demnächst einmal mehr.

Ortskoordinaten: 52°08’28.4″N 10°16’01.6″W (Neligan´s, Dingle, Main Street)

Im Übrigen werden das Buch der Tage sowie Irlandnews.com – abgesehen von ausgewiesenen Demonstrationen wie dieser –  absolut Chatbot-frei, KI-frei und Bildgeneratoren-frei bleiben. Hier gibt es nur authentisch selbst Geschriebenes und echte, authentische Fotos – ungefälscht und manipulations-frei.


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Alle Fotos: Markus Bäuchle