054 :: Pfand auf Plastikflaschen und Blechdosen
Sie kaute leidenschaftlich auf der Plastikflasche herum. Sie wollte sie nicht preis geben. Ich zerrte an der anderen Seite – und gab auf. Die Jungkuh auf der Küstenstraße wusste hoffentlich instinktiv, dass sie die platt gebissene Colaflasche nicht schlucken sollte. Täglich sterben ungezählt viele wilde Tiere am menschlichen Plastikmüll – auch die verächtlich Nutztier genannten Lebewesen bleiben nicht verschont.
In Irlands Shops und Supermärkten halten in diesen Wochen unförmige schwarze Kästen mit runden Öffnungen Einzug. Die Menschen begutachten sie interessiert – so wie ich vor knapp zehn Jahren erstmals in einem deutschen Lebensmittelgeschäft staunend vor einer dieser Maschinen gestanden bin. Ich war schon damals ein wenig ein Fremder im eigenen Land geworden. Ich scheiterte an kleinen Routinen, hatte meine Alltagskompetenzen hier in Irland weiter entwickelt. Der deutsche Flaschen-Annahmemann war still und leise verschwunden und ich wusste nicht, wie man diesen Flaschen-Pfandautomaten bedient. Dass die Flasche immer wieder an mich zurück gespielt wurde, verschaffte mir die Ehre einer strengen persönlichen Belehrung durch einen Fachmann (“Wir sind alle Bundes-Flaschenabgeber”), der mich aus der Distanz kritisch beim Scheitern beobachtet hatte. So was muss man einfach können als guter Landsmann . . . (Die Bild sollte die Fertigkeit in ihren Katalog der 50 Leidideen fürs Deutschsein aufnehmen).
Fast ein Jahrzehnt später ziehen die Flaschenpfand-Automaten in Irland ein – und mit Ihnen erstmals ein Pfand für Wegwerfbehälter (mehrfach benutzt werden Flaschen hier nicht). Im Februar 2024 beginnen die schwarzen Kästen landesweit, Plastikflaschen und Blechdosen zu verschlucken und die fütternden Hände mit einem Pfand zwischen 15 und 25 Cent pro Gabe zu belohnen. Glas können die neuen Automaten nicht verdauen. Macht nichts. Irlands Abfallverpackungen bestehen überwiegend aus Plastik und Blech.
So denn. Retten wir die Welt mit einem Pfandsystem, das drei Jahrzehnte zu spät kommt im Inselparadies, dessen Menschen europaweit den meisten Müll pro Nase verursachen, und das mit seiner aufgeblähten Agrarindustrie zu den global führenden Zerstörern der natürlichen Welt zählt. Ich bin schon gespannt, an welchen Gestaden der Erde wir Irlands re-tournierte Plastikflaschen und Alu-Dosen in zehn Jahren finden werden.
Ortskoordinaten: demnächst Inselweit.
Das Inhaltsverzeichnis in Bildern für ein wachsendes Buch der Tage und der Orte. KLICK.
Alle Fotos: Markus Bäuchle
Ohne Umwelt gibt es keine Ökonomie. Scheint es schert keinen? schmeiss (mich) weg
Besser spät als nie 😬. Dennoch ist das ja nur die Spitze des berühmten Eisbergs. Ich habe mich viel mit dem Thema Müll-und Müllvermeidung beschäftigt und praktiziert und bin nahtlos über das Thema Müll-Mafia gestolpert. In Frankfurt gab es vor vier/fünf Jahren noch vier “Unverpackt-Läden”, man konnte mit seinen eigenen Gefäßen einkaufen und das ging sogar auf dem Wochenmarkt (Wurst,Fleisch, Fisch, Käse). Sogar einige Händler in der legendären Kleinmarkthalle haben mich augenzwinkernd durchgewunken, wenn ich versucht habe, Gewürze ohne Verpackung zu kaufen. Tatsächlich hab ich zwei Jahre -weitestgehend- durchgehalten mit so wenig Verpackung wie nur irgend möglich auszukommen. Es ist aber so derartig zeitaufwendig, dass ich aus Zeitmangel immer wieder Abstriche machen musste und dann kam die Pandemie. Alles was vorher auf einem verhalten guten Weg war, wurde gekippt. Verpackung und safety first. Ich glaube ja, dass die Rückkehr zu zero waste unmöglich gemacht wird. Hey….mit Müll lässt sich ja schließlich richtig fett Kohle verdienen. Ist doch egal, wo er letztendlich abgeladen, verklappt, sortiert, verbrannt wird. Hauptsache er ist aus den Augen und damit existiert er ja nicht. Das Thema macht mir persönlich echt Angst. War fein, dass Du das Thema aufgegriffen hast. Danke dafür.
Liebe Claudia, ich bewundere Dein konsequentes Verhalten. Ja, es “bestraft” uns – wir bezahlen mit Zeit, Geld, Energie und sozialen Kosten. Ich denke, es ist dennoch der Weg, das als richtig Erkannte (immer besser) zu praktizieren – schon alleine, um vor sich selber zu bestehen. Auch wenn es nichts nützt. Ich beschäftige mich gerade viel damit, wie wir unsere individuelle Würde im großen Scheitern bewahren können.
FYI. Please note all retailers who sell ‘in scope’ drinks containers are legally obliged to register with Re-turn and should do so by 14 December 2023.
https://re-turn.ie/wp-content/uploads/2023/11/Retailer-Journey-Guide.pdf