090 :: Landzunge am Pallas Pier; Ardgroom, County Cork

Es fällt mir gerade nicht leicht, ganz bei mir zu bleiben und die innere Balance zu bewahren, während die Welt außerhalb taumelt und um Gleichgewicht ringt. Der Diktatoren-Freund und seine Oligarchen-Clique haben sich vorgenommen, weltweit in kürzester Zeit („Days of Thunder“) möglicht großes Chaos anzurichten – und sie sind erfolgreich. Was mir nahe geht, ist der zivilisatorische Verlust, den wir hilflos erleben: Es gilt wieder das Faustrecht, das Recht des Stärkeren. Es ist erschütternd, wie gnadenlos und empathiefrei Schwächere niedergemacht und gedemütigt, wie die Schwächsten verfolgt und ausgegrenzt werden. Wie konnten wir nur so tief sinken?

Ich vertiefe mich deshalb in die Wellen-Sets des Atlantiks. Sind es drei, fünf oder sieben Wellen, die an Land auflaufen, bevor sich das Meer eine kleine Auszeit nimmt? Sind die erste und die letzte Welle im Set wirklich kleiner als die mittleren? Bricht die Welle, wenn ihre Höhe ein Siebtel ihrer Länge überschreitet, oder eher, wenn die Wassertiefe das 1,3 fache der Wellenhöhe misst? Der Wind ist der Vater der Wellen, die Wasseroberfläche ihre Mutter. Es beruhigt, wenn wir den Wellen zuschauen, während sie sich rhythmisch in der Brandung auflösen.

Vor einigen Tagen schaute ich den Wellen auf der Nordseite der Beara Peninssula beim Brechen zu. Auch nach all den Jahren finde ich in der näheren Umgebung von West-West Cork noch unentdeckte Orte. Wie oft bin ich am Ardgroom Harbour vorbei gefahren, ohne die schmale Landzunge zu erkennen, die sich vor etwa 5000 Jahren durch die Küstenlängsdrift schützend vor den Hafen geschoben hat und dort nun tagein, tagaus Welle um Welle bricht. In Englisch nennen die Geologen die Landzunge ein Spit, in Deutsch eine Nehrung – Begriffe, um die ich als Inländer lange wusste, ohne sie zu verstehen.

Wir gingen die Küste am Dog’s Point bei einsetzender Ebbe entlang, am Fuß der steil abfallenden Klippe aus Lehm und Geröll. Wir erreichten die Nehrung nach 500 holprigen Metern. Links von uns Wasser, rechts von uns Wasser. Der nur wenige Meter breite Landstreifen verbindet den Moränen-Hügel am Dog’s Point – und von Süden das Pallas Pier der Fischer und Muschelzüchter – mit der kleinen Insel namens Cus in der Bucht des Naturhafens. Der schmale Strandwall besteht aus aufgeworfenem Schotter, aus großen Kieseln, Steinen und Sand. Da und dort haben sich Salzmarschen gebildet, auf denen sich Seevögel versammeln.

Cus-Spit, die Nehrung im Ardgroom Harbour, ist die kleine Schwester der Maharees nördlich von Castlegregory im County Kerry (Buch der Orte, Nr 085). Beide Landschaften gehören der geologischen Famlie der Tombolos an: Sie verbinden das Festland mit einer oder mehreren Inseln und degradieren diese zu Halbinseln. Das Cus ist deutlich kleiner als die Maharees und über Land nur zu Fuß – und sicher nur bei Ebbe – zu ereichen.

Buch der Tage Ardgroom

Entlang der Klippe am Dog´s Point

Auf der Nehrung mit Blick den inneren Hafen am Pallas Pier

Nehrung Pallas Pier

Cus-Spit

 


Orts-Zeit

 

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Alle Fotos: Markus Bäuchle


 

Cus Ardgroom Pallas Harbour

Cus, die kleine (Halb-)Insel

 

Ortskoordinaten: 51°45’24.7″N 9°52’15.9″W (Cus)