101 :: Bantry Peace Park
Hier haben Generationen von Schülern nach dem Unterricht Ball gespielt und erste Küsse getauscht. Der Peace Park, Friedenspark, am Rand unserer kleinen Stadt Bantry, ist bei Jugendlichen beliebt. Im vergangenem Jahr haben die Kinder der Gegend die Hälfte übernommen: Ein bunter inklusiver Spielplatz wurde eröffnet. Seitdem gibt es hier weniger Blumen und mehr Bewegung. Wann der kleine Park eröffnet und welchem Frieden er gewidmet wurde, weiß heute niemand mehr so recht. Vielleicht sollte damit in den 80er-Jahren ein Ende der Troubles beschworen weden – des blutigen Nordirland-Konflikts, der bis weit in den Süden der Republik ausstrahlte. Am 11. August 1986, ein Vierteljahr nach Tschernobyl, wurde der Park offiziell zur atom(waffen)freien Zone erklärt. Darauf weist eine Steintafel am Eingang hin.
Ich habe den Namen des Parks oft gesagt, weil wir dort unsere Kinder regelmäßig abholten. Über ihn nachgedacht habe ich erst kürzlich. Ich fragte mich, wie wir nur in diese unfriedlichen kriegerischen Zeiten hinein geraten sind. Ich habe noch vor 20 Jahren trotz der Balkankriege nicht für möglich gehalten, dass unsere zivilisatorischen Errungenschaften so zerbrechlich sind, und dass der Krieg machtvoll nach Europa zurückkehren würde. Nicht, dass die USA am Rand eines Bürgerkriegs um ihre Demokratie fürchten müssten; auch nicht, dass Israel – natürlich (!) nur in Reaktion auf den Terrorangriff vom 7. Oktober – den Nahen Osten in ein schreckliches Schlachtfeld verwandeln würde. Nun scheint es mir, dass wir die friedlichen Jahrzehnte des Goldenen Zeitalters unserer eigenen Existenz völlig falsch eingeschätzt haben: Was wie Normalität wirkte, war die Ausnahme. Wir Menschen können nur unter besten Voraussetzungen den Frieden wahren.
Wir sind jetzt vom Frieden weit entfernt. Vom äußeren wie vom inneren Frieden. Vom globalen wie vom lokalen. Wir werden von unseren Regierungen dazu aufgrufen, endlich wieder „kriegstüchtig“ zu werden. Unsere Steuern wandern in die massivste Aufrüstung aller Zeiten. Widerspruch wird nicht geduldet: Wer jetzt nicht für Wehrhaftigkeit plädiert, ist ein Traumwandler, ein Phantast, der die Zeichen der Zeit nicht verstanden hat. Pazifismus gilt als Dummheit. Sicherheit könne es nur durch Stärke geben. Wir müssen uns gegen sie verteidigen können, damit wie sie im Notfall verteidigend angreifen können. Ein Friedens-Narrativ gibt es nicht mehr. Ein Friedensbewusstsein schon gar nicht. Der Krieg, auch der potenzielle in drei und in fünf Jahren, scheint die einzige Realität. Normalität.
Wenn wir von Krieg reden, meinen wir eigentlich immer andere anderswo, die sich weit weg (und seien es nur 1000 Kilometer) gegenseitig furchtbares Leid antun. Doch wie sieht es mit uns selber und in uns selber aus? Sind wir friedfertig? Bin ich friedfertig? Leben wir friedlich in Gemeinschaft mit unseren Nächsten? Leben wir im inneren Frieden? Wie handeln wir, wenn wir mit Worten angegriffen werden? Werden wir territorial, wenn unsere Grenzen und Zäune berührt werden? Sind wir mit uns selbst und mit unseren Freunden, mit Verwandten, Nachbarn, ja unseren Gegnern im Reinen?
Sprechen wir friedlich? Urteilen und reden wir schlecht über Andere? Liebst Du Tratsch und Lästern? Fühlen wir uns bisweilen anderen überlegen, halten wir uns für besser, manchmal gar für einzigartig? Wie steht es mit Neid und Gier?
Üben wir den Frieden bewusst und aufmerksam jeden Tag in uns und im Umgang mit unseren Mitmenschen? Vermitteln wir unseren Kindern Friedenswerte – Toleranz, Solidarität, Gerechtigeit und Respekt?
Können wir uns mit unseren Mitmenschen überhaupt noch verständigen angesichts der neuen babylonischen Sprachverwirrung? Bin ich woke oder anti-woke, habe ich die Covid-Jahre ohne allzu viele neue Feinde überstanden, und auf welcher Seite? Wie halte ich es mit der Ukraine und mit Palästina – und wie mit denen, die es anders halten? Kannst Du noch richtig zuhören, ganz ohne das ständige „ja aber“ – und kannst Du andere Meinungen außerhalb Deiner Wohlfühlblase denn noch aushalten? Wie lange?
Und warum führen wir alle einen erbarmungslosen Krieg gegen die nicht-menschliche Natur, von der wir so schmerzhaft getrennt sind, dass wir das Leid tief in uns vergraben und versteckt haben?
Frieden zu üben in unserem eigenen Leben, ist wohl unsere einzige Chance. Zu begreifen, dass der Krieg nicht anderswo weit weg tobt. Er beginnt in uns und um uns. In mir, in Dir. Ich schaue den Kindern im Peace Park zu. Sie spielen friedlich. Ob sie es besser machen werden?
Ortskoordinaten:51°41’02.2″N 9°26’45.8″W
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Alle Fotos: Markus Bäuchle
Lieber Markus
Vielen Dank von Herzen für diese nachdenklichen und zugleich so energiereichen Worte denen ich nichts hinzuzufügen möchte (auch wenn mir dazu eine Menge „durch Kopf und Seele geht“)!
Sie bedürfen breiter Aufmerksamkeit! Mögen sie ihre Wirkung tun! Auch wenn es nur im eigenen Innern, der Familie, oder im Freundes- und Bekanntenkreis ist. Es ist der erste Schritt…
Ich möchte Markus Holzinger zitieren:
„Eine friedliche Lösung der kriegerischen Konflikte
scheiterte daher in vielen Fällen an politischen Grenzstreitigkeiten, ethnischen
Interessengegensätzen oder am Streit um den Zugang zu Ressourcen“
Es ist nicht vornehmlich die Kriegspropaganda Ursache, sondern die egoistischen Interessen eines jeden Einzelnen in einer immer enger werdenden Welt.
Danke für deine Worte. Ich bin berührt.
Lieber Markus, es gibt Texte, die treffen einen still und tief. Der Text über den Peace Park in Bantry ist für mich so einer. Während ich ihn las, spürte ich eine leise Traurigkeit in mir aufsteigen. Eine Sehnsucht nach dem, was wir verloren haben: Das Vertrauen in friedliche Zeiten. Und die Frage: Wie konnte es so weit kommen?
Inmitten dieser Gefühle begann ich zu überlegen: Was wäre, wenn es einen Friedensplan gäbe? Einen, der nicht nur an der Oberfläche ruft, sondern in die Tiefe führt? Nicht für uns allein. Sondern für die politisch Verantwortlichen dieser Welt. Für jene, die heute Kriegsfähigkeit fordern, weil ihnen der Mut für Verständigung abhandengekommen ist.
In einem Zeitalter, wo die Technologie neue Dimensionen eröffnet, die wir gar nicht begreifen können, wohin es führen wird, erlaubte ich mir, die KI darüber zu befragen, ob es überhaupt einen Friedensplan gibt, bzw. möglich ist. Ein Rahmen, in dem führende Politiker:innen aller Länder wieder zueinanderfinden, im Gespräch, nicht in der Abgrenzung. Unabhängig ob durchführbar oder nicht, kam die Antwort gewohnt schnell (ich habe eine bezahlte Version) mit einer für mich bestechenden Schlichtheit. Und ich habe die wichtigsten Punkte zusammengefasst:
Friedensplan für die politische Führung – 7 gemeinsame Prinzipien
1. Vertrauliche Friedensforen: Regelmässige persönliche Dialoge zwischen Staats- und Regierungschefs, abseits der Öffentlichkeit und jenseits von Medienlogik.
2. Transnationale Verständigungsteams: Friedensdelegierte aus allen Regionen, die kulturelle Übersetzungsarbeit leisten, damit Worte nicht zu Waffen werden.
3. Moratorien auf Eskalationsrhetorik: Öffentliches Commitment, verbale Abrüstung ernst zu nehmen, keine Sprache mehr, die den Krieg vorbereitet.
4. Gemeinsame Verantwortung für das Ganze: Frieden nicht nur national denken, sondern als planetare Aufgabe begreifen.
5. Verpflichtung zu Interdependenz: Die Verflechtungen anerkennen, statt sie zu bekämpfen, kein Land ist autark in einer vernetzten Welt.
6. Kooperative Sicherheit statt Feindbildlogik: Sicherheit durch Vertrauen und Ausgleich – nicht durch Drohung und Machtdemonstration.
7. Innere Friedenskompetenz fördern: Auch politische Führung braucht innere Stabilität – Selbsterkenntnis als Bestandteil von Verantwortung.
Ich wünschte, dieser Plan wäre mehr als eine Idee und die politischen Entscheidungsträger würden sich daran erinnern, dass Frieden nicht von Stärke lebt, sondern von Beziehungsfähigkeit.
Dass echte Stärke darin liegt, den ersten Schritt zu machen, nicht mit Waffen, sondern mit Worten. Vielleicht braucht es dafür keine Konferenzen, sondern wieder Räume wie den Peace Park. Orte, an denen sich Menschen begegnen, nicht entzweien. Orte, an denen Kinder noch wissen, was Frieden ist und Erwachsene es wieder lernen könnten.
Warum setzen wir nicht unsere Technologien für den Weltfrieden ein? Ich bin überzeugt, dass sich auch beispielsweise für die Waffenindustrie genauso interessante Absatzfelder entwickeln liessen. Die KI hätte auch dafür bestimmt ein paar gute Antworten. Denn wenn die Waffenindustrie nicht als Feind, sondern als möglicher Partner eines neuen Sicherheitsbegriffs gesehen wird, entsteht Handlungsraum.
Ein System, das Waffen produziert, kann auch Schutzsysteme bauen. Ein Konzern, der Kampfsoftware entwickelt, kann auch Frühwarnsysteme programmieren. Was fehlt, ist ein starker politischer Rahmen und der gesellschaftliche Wille, Frieden nicht nur als Utopie zu sehen, sondern als ernstzunehmende Industrie der Zukunft. Vielen Dank Markus für deine wertvollen Gedanken, die mich immer wieder anstossen – ich vermisse unsere Gespräche.
Hallo Markus,
da sprichst Du wieder mal ein sehr wichtiges Thema an. Wie innen so außen, wie außen so innen. M. E. spielen viele verschiendene Aspekte bei dem Thema eine Rolle, auch kosmische. Es gibt Beobachtungen, daß gerade in Zeiten, in denen eine erhöhte Sonnenaktivität stattfindet, bestimmte kosmische Konstellationen bestehen, vermehrt kriegerische Auseinandersetzungen stattfinden. Wir sind Teil des Kosmos, nicht außen vor, diese Energien haben auf uns Einfluß. Aber Krieg kann nur da stattfinden, wo ein entsprechendes Milieu vorhanden ist. Sind wir innerlich wirklich im Frieden, werden wir trotz der kriegerischen Energien friedlich bleiben und entsprechend agieren.
Wenn man sich in sich und der Gesellschaft umsieht, ist lange schon erkennbar, wieviel Unfrieden herrscht, der sich in Nachbarschafts- und anderen zwischenmenschlichen Kriegen, Konkurrenzkämpfen jeglicher Art und ja, auch deutlich im Umgang mit der Natur zeigt.
Es gibt eine kurze, knackige Aussage von Bruno Gröning, die m. E. den Nagel auf den Kopf trifft … „Wo Gott da die Liebe, wo Satan da die Kriege.“ Viele Menschen haben sich von Gott ab- und sich dem Satanischen zugewendet, sich vereinnahmen lassen. Ich meine satanisch/göttlich nicht im Sinne von Konfession/Kirche etc., sondern im echten spirituellen Sinne. Wo Geld und Macht, übermäßiger materieller Besitz und Status über echte Werte gestellt wird, hat das Dunkle Übermacht. Echte Werte, wie herzliches, soziales Miteinander, Ehrlichkeit, Respekt, Tugendhaftigkeit, Wahrheitsliebe usw. werden dann mit Füßen getreten.
Es ist eine Zeit der Prüfung. Jeder Einzelne hat die Wahl zwischen Krieg und Frieden. An uns allen liegt es, wie es weitergeht, ob wir auf Kriegspropaganda hereinfallen oder das „Spiel“ durchschauen, bewußtlos und fehlgeleitet mitmachen oder bewußt jeglichen Kriegsdienst verweigern und Frieden leben oder wahre Werte weiter sterben oder sie wieder aufleben lassen. Ich bin für Letzteres, dieser zerstörerische Wahnsinn muß endlich ein Ende haben.