Irland Bantry Bay

Back home. Grüße aus der Quarantäne

 

12. Juli 2020. Sonntag.

 

Die Regierung zögert und zaudert. Die neue irische Regierung hat die Entscheidung über die Öffnung des Landes für den internationalen Reiseverkehr auf die Zeit nach dem 20. Juli aufgeschoben. Bis dahin gilt weiter die Corona-Regel: Unnötige Reisen ins Ausland sollten vermieden werden. Wer nach Irland einreist, muss den Behörden überprüfbare Angaben über seinen Aufenthaltsort machen und sollte für 14 Tage an einem Ort der Wahl in Quarantäne gehen: “Passengers arriving from overseas are expected to self-isolate for 14 days”. Die politische Führung möchte so wenig internationalen Reiseverkehr in diesem Sommer wie möglich. Den Mut zu einer klaren und eindeutigen Lösung hat sie allerdings nicht. Die Menschen hier fragen sich, warum es den Fluggesellschaften nach Belieben erlaubt ist, internationale Flüge zu starten, wenn das Reisen eigentlich unterbleiben soll. Fraglich ist auch, warum die 14tägige Selbstisolierung der Einreisenden nicht mehr ist, als eine fromme Erwartung?

Die tonangebenden medizinischen Berater im Land plädieren seit Wochen für eine harte Strategie mit dem Ziel, das Coronavirus auf der Insel komplett zu eliminieren. Dies würde erfordern, den touristischen Reiseverkehr nach Irland einzustellen und alle Einreisenden mit einem triftigen Grund lückenlos zu testen und zu kontrollieren. Das könnte aufgrund der Insellage Irlands relativ leicht gelingen, sofern man sich mit Nordirland aufgrund der offenen Grenzen über eine gemeinsame Gangart einigen kann. Die entscheidende Frage allerdings bleibt unbeantwortet: Wie käme das Land aus der selbstauferlegten Isolierung wieder heraus, zumal wenn nicht schnell ein Impfstoff gefunden wird? Wie lange hielte Irland diese kollektive Quarantäne aus? Was würde von der Wirtschaft übrig bleiben? Was von den Arbeitsplätzen?

Die Regierung sieht diese Risiken. Sie sieht aber auch, dass die Zahl der Infizierten im Land wieder steigt, und dass es nun vor allem jüngere Menschen in den 20ern und 30ern trifft. Lokale Cluster von Infizierten bereiten Sorgen, die mit Reisen und Feiern in Zusammenhang gebracht werden. Schlagzeilen macht derzeit eine Party in Killarney im County Kerry, zu der sich 30 Menschen aus allen Landesteilen trafen. Sie feierten in Pubs und in einem Privathaus. Ein Feiergast war offensichtlich Covid-19-infiziert, teilte dies der Gruppe allerdings erst am Ende der Party mit. Nun herrscht große Aufregung. Die Angst vor der zweiten Welle ist groß. Auch hier auf dem Land. Sie wird noch geschürt von Informationen über neue Fälle in Dörfern und Städtchen der näheren Umgebung.

Auch die wilden Gelage vom vergangenen Wochenende vor mehreren Pubs in Dublin sorgen für Mißstimmung. Beobachter verglichen die Szenen in der Hauptstadt mit Feierorgien nach einem All-Ireland-Finale. Von Abstand, Schutz und Vorsicht keine Spur, wo der Alkohol Regie führte. Nun steht die Drohung im Raum, dass die Pubs, die kein Essen anbieten und deshalb noch immer geschlossen sind, nicht wie geplant am 20. Juli öffnen dürfen – und dass die bereits offenen Restaurant-Pubs wieder schließen könnten. Für dieses Wochenende waren Polizei-Kontrollen in allen Pubs des Landes angesagt. Der neue Premierminister, Micheal Martin, stellte in Aussicht, die Phase Vier der Wiedereröffnung des Landes zu verschieben, wenn die Vorsichts-Regeln nicht besser befolgt werden.

 

 

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Irland Corona

Irland in den Zeiten von Corona. Wir leben auf dem Land in Irlands äußersten Südwesten, in einer Streusiedlung am westlichen Rand Europas, direkt am Atlantik. Auch in dieser einsamen, abgelegenen Gegend wurde das Leben in den vergangenen vier Monaten vom neuartigen Coronavirus beherrscht. Wir, Eliane [e] und Markus [m], führen ein öffentliches Tagebuch über unser Leben in Irland in Zeiten von Corona. Mittlerweile wurde daraus eher ein Wochenbuch. Heute schreibt Markus . . .

Grüße aus der Quarantäne. Trotz Sollte, Müsste und Man könnte: Nach der Rückkehr von einer notwendigen Reise nach Deutschland bin ich zuhause in die Selbst-Isolierung gegangen. Ich zähle den elften von 14 Tagen. Noch vier! Wenn ich es richtig empfinde, hat sich hier im Land mittlerweile eine ungesunde Stimmung breit gemacht, eine Melange aus Selbstgefälligkeit, Angst und Verzweiflung. Mit eigentlich un-irischer Überheblichkeit wird gerne darauf hingewiesen, um wie vieles besser Irland die Corona-Krise meistert als der große Nachbar Großbritannien, wo die Zahl der Toten pro hunderttausend Einwohner fast doppelt so hoch ist. Andererseits verunsichert der unklare Kurs der Regierung die Menschen zunehmend. Vielen ist angesichts des anhaltenden Hin und Her die Lust auf eine Ferienreise in diesem Sommer völlig vergangen. Unklar bleibt die Anwendung der Maske.

Die Kommunikation in den sozialen Medien wird zudem von Shaming and Blaming beeinflusst: Irinnen und Iren, die in den Urlaub fliegen wollen, sind gerne das Ziel von Spott und Diffamierung – und es gibt Ressentiments gegen einreisende Urlauber, die das Virus hier importieren könnten. Dazu kommt der finanzielleDruck, der auf vielen Menschen und Unternehmen lastet. Täglich hören wir von Corona-bedingten Geschäftsschließungen, von Cafés, Restaurants, Einzelhandelsgeschäften in unserer kleinen Stadt, die ihre Türen nicht mehr öffnen werden. Keine gute Voraussetzung also für einen entspannten Sommer in Irland.  Die Angst vor einer zweiten Welle, importiert aus dem Ausland, ist weit verbreitet.

 

 

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Maskenpflicht, oder nicht? Der wissenschaftliche Nachweis, dass das Tragen von Mund-Nase-Masken im öffentlichen Raum schützt und die Ausbreitung des Coronavirus minimiert, ist noch immer nicht voll erbracht, und doch gibt es klare Hinweise auf die positiven Effekte einer Maskenpflicht. Das Maskieren funktioniert in Deutschland beim Einkaufen beispielsweise recht reibungslos. Irlands Regierung versuchte es lange mit einem Aufruf zum freiwilligen Tragen der Masken. Das hat nicht funktioniert, und nach einer rechtlich nicht abgesicherten Einführung der Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln vor zwei Wochen, wird nun tatsächlich ernst gemacht: Es gibt ab morgen, Montag, eine sanktionierbare Pflicht zum Tragen von Masken in Bussen, Bahnen, an Flug- und Fährhäfen. Derweil laufen die Wetten, dass demnächst die Maskenpflicht auch in Geschäften und öffentlichen Gebäuden eingeführt wird . . .  (Selbst die notorischen Querulanten Trump und Johnson wurden mittlerweile mit Masken gesichtet).

 

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Was bleibt von Irlands Tourismus-Industrie? Die Reisebranche im weiteren Sinn, inklusive Hotels und Gaststätten, ist Irlands größter Arbeitgeber. Hunderttausende leben vom Geschäft mit reisenden Gästen. So richtig ernst genommen wird die Branche in der Regierung trotzdem nicht: Gerade wanderte das Tourismus-Ministerium bei der Regierungs-Bildung in das Portfolio der neuen grünen Super-Ministerin Catherine Martin. Im Krabbelsack ihrer Zuständigkeiten finden sich die Ressorts Medien, Kunst, Kultur, Sport, Gaeltacht (Irisch-Sprachgebiete) und eben Tourismus.  Die Irish Times nannte das Sammel-Ministerium “eine Farce”, “eine Torheit” und “lächerlich.”

Das zu einer Zeit, da die heimische Reisewirtschaft in Auflösung begriffen ist. Gäste aus dem Ausland wird es in diesem Jahr kaum geben. Der zu verteilende Kuchen aus sechs Wochen Inlands-Tourismus hat die Größe eines Mini-Scones. Die Auflagen und Sicherheitsbestimmungen für Busunternehmen, Hotels, Restaurants, Sehenswürdigkeiten sind aufwendig und kostenintensiv. Substantielle Hilfen von der Regierung  wie eine drastische Senkung der Mehrwertsteuer lassen auf sich warten.

Es gibt keinen Zweifel, dass die schlimmen Auswüchse des globalen Tourismus angesichts der ökologischen Schieflage der Erde dringend beendet werden müssen. Angesichts der ambitionierten Klimaschutz-Ziele der neuen Regierung unter grüner Beteiligung wird neben der Milch- und Fleisch-dominierten Landwirtschaft wohl auch die irische Tourismus-Industrie auf ein gesundes Maß zurück geführt werden. Projekte wie der touristische Ausverkauf von Dursey Island müssen dringend gestoppt, der wild-atlantische Massen-Wahnsinn korrigiert werden. Dafür allerdings hat die Politik die Belange der Beteiligten und Betroffenen ernst zu nehmen. Der Umbau der Wirtschaft kann nur mit klaren Strategien gelingen. Die Alternative ist das Chaos. Danach sieht es derzeit leider eher aus im Gemischtwarenladen der neuen Ministerin. Time will tell . . .  

 

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Wir verschieben die letzte Wander-Runde auf 2021. Eigentlich wollten wir in diesem Jahr mit unserem kleinen Wanderreise-Veranstalter Wanderlust letztmals auf Wander-Touren gehen. Die Anmeldelage war brilliant, es sollte ein schöner Abschluss werden. Dann kam Corona. Gestern haben wir entschieden, angesichts der problematischen Lage und zur Sicherheit unserer Gäste auch die späten Ferienwochen in diesem Jahr abzusagen. Damit gibt es in diesem Jahr keine Wandersaison mit Wanderlust.

Gleichzeitig haben wir beschlossen, zum Ausgleich noch eine Saison lang weiter zu machen: Die aller-letzte Wanderlust-Saison wird damit im Jahr 2021 statt finden. Viele Gäste haben Ihre Irland-Wanderferien mit uns auf das kommende Jahr verschoben. Wer die letzte Gelegenheit nutzen will, mit uns Irland von seinen schönsten Seiten zu erkunden, kann sich hier informieren: Wanderlust 2021.

Euch einen schönen Sonntag! 

 

Fotos: Markus Bäuchle