Die keinen Buchten Irlands: Das betreute Reisen entlang ausgewiesener Tourismus-Routen ist nun groß in Mode. Die Entdeckungslust hat Pause. Wirklich? Für Entdeckungsfreudige und Abenteuerlustige ist es an der Zeit, dem Verklumpungs-Trend á la Wild Atlantic Way-Abfahren zu trotzen und sich wieder selber auf die Suche nach den Schönheiten der irischen Küstenlandschaften zu machen. Es ist ganz einfach: Wir schicken das Navi schlafen und biegen an der nächsten Kreuzung von der Hauptstraße ab in Richtung Meer. Wir orientieren uns wieder selber, benutzen unsere Sinne.
Irlands ländliche Gegenden sind von einem einzigartigen Netzwerk kleiner und kleinster Straßen, den Boreens (Kuhpfaden) überzogen. Jedes Haus– und sei es auch noch so abgelegen – scheint auf geheimnisvolle Weise mit jedem anderen verbunden zu sein. Zehntausende Kilometer zwischen Weiden, Fuchsien- und Ginsterhecken wollen entdeckt sein. Viele diese Sträßchen, die in Deutschland wohl als asphaltierte Feldwege bezeichnet würden, führen zum Meer.
Lassen wir das Auto irgendwann stehen und gehen zu Fuß in Richtung Küste. Mit etwas Glück finden wir eine kleine verborgene Einbuchtung in der Küstenlinie. Die Iren nennen das in ihrer Sprache Cuas, in English Cove. Seit ein paar Jahren suche ich die Atlantiküste nach Coves ab und find immer wieder für mich neue kleine Landschafts-Juwelen.
Diese neue Irlandnews-Serie ist der Wiederentdeckung des Entdeckungsfreude gewidmet.
Das heutige Foto zeigt die tief in die Klippen eingegrabene Sandy Cove, die über eine Treppe zugängliche, sandige Mini-Bucht im Süden Irlands im County Cork. Sie liegt zwischen dem Toe Head und Castlehaven im Townland Tracarta. Einheimische gehen hier im Sommer gerne eine Runde schwimmen oder planschen. Direkt daneben liegt die sandige Schwesterbucht (Foto unten), die während der Ebbe von geübten Kraxlern via Klippenabstieg erreicht werden kann. Wer genau diese Sandy Cove finden will, sollte sich vorher entlang der Ortsnamen orientieren, denn Sandy Coves gibt es in Irland, fast wie Sand am Meer, vielerorts und viele.
Macht mit: Schickt uns Eure Entdeckung
Schickt uns ein Foto: Euren liebsten kleinen Strand, eine traumhafte kleine Bucht, die romantische Cove, das Bild einer versteckten Cuas an der irischen Küste. Die großen Strände von Inch, Glenbeigh, Keem Bay oder Silver Strand kennen wir natürlich. Die sandigen, felsigen, kieseligen irischen Coves dieser neuen Serie dürfen gerne klein und fein und wenig bekannt sein.
Bitte Eure Email mit Foto und einer Beschreibung des Ortes an: info@irlandnews.com. Wir freuen uns auf Eure Entdeckungen!
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Fotos: Markus Bäuchle
Lieber Sven, lieber Andreas,
danke für Eure Gedanken, die Sorge und Verantwortungsgefühl ausdrücken. Ich bin mit Euch weitgehend einig, nachdem ich mich viele Jahre mit genau diesem Thema beschäftigt und bisweilen herumgeschlagen habe. Als Veranstalter von Wanderreisen und Natur Retreats musste ich stets über die eigene Verantwortung nachdenken. Wir haben es so gut wie möglich oder so schlecht wie nötig gemacht – und letztendlich haben wir den Tourismusbetrieb aus Überzeugung eingestellt, weil wir nicht mehr ein Teil davon sein wollten.
Dennoch versuche ich möglichst differenziert mit dem Thema umzugehen. Eine große Motivation für mich, Menschen in die Natur zu führen, war stets, ihnen Natur nahezubringen: Denn was wir lieben, schützen wir. Ich habe meine widersprüchlichen Gedanken im vergangenen Jahr einmal in diesem Beitrag ausformuliert:
https://irlandnews.com/von-seelenorten-uebertourismus-vergessenen-orten-und-vergessenen-seelen/
Ich möchte die Serie über Irlands kleine Buchten publizieren, weil mich die gängige Reisepraxis der Gegenwart abstößt. Wir sehen im betreuten Reisen eine neue Form des Pauschaltourismus mit bösen Verklumpungen auf den ausgewiesenen Routen – während in weite Landstriche keine Menschen mehr reisen. Die Privatisierung und Abschottung der irischen Landschaft schreitet derweil still und leise voran. Immer mehr alte Wegerechte werden stillschweigend einkassiert.
Die Serie über die kleinen Buchten mag auf den ersten Blick wie die Preisgabe der letzten irischen Mikro-Paradiese erscheinen. Ist sie aber nicht, Ich bin mir meiner Verantwortung bewusst und werde die Auswahl im Austausch mit den Einsendern dementsprechend treffen. Irlandnews ist ein kleines Medium mit geringer Reichweite, das nach meiner Erfahrung überwiegend von Menschen mit Verantwortungsgefühl gelesen wird. Wir haben sämtliche Social Media-Aktivitäten bereits vor Jahren eingestellt. Die Gefahr, dass einzelne „Tipps“ abgegriffen und an die große Glocke gehängt werden, besteht natürlich – in Abwägung aller Aspekte bin ich bereit, dieses Risiko zu tragen.
Auf einer tieferen Ebene argumentiert (wie am Ende meines oben verlinkten Beitrags):
„Der irische Natur-Philosoph John Moriarty hat uns illusionsfrei darauf hingewiesen, dass wir moderne Menschen verarmte, seelen-vergessene Wesen sind, hypnotisiert von Rationalismus, Materialismus und sogenannter Wissenschaftlichkeit. Wir haben unsere Seele verdrängt und vergessen. Wir können alles und jedes mit unsäglicher Lust erklären und verstehen doch nicht. Moriartys gute Nachricht: Wir haben unsere Seelen nur verdrängt, zurück gelassen, aber nicht verloren. Wir können sie wieder entdecken und eine neue Beziehung zur Welt aufbauen – eine Beziehung, die auf Respekt für das Heilige und das Mysterium basiert und den Menschen aus seinem selbst geschaffenen Gefängnis befreit.
Wir müssen dafür „nur“ unsere Wahrnehmung ändern: vom Sehen zum Erblicken, zum Schauen. Wir brauchen dazu nicht an besondere Orte reisen oder auf besondere Zeiten warten. Wir verändern unsere Wahrnehmung im Alltag, im ganz gewöhnlichen Alltag, an unserem Ort – und möglichst ab sofort.
(Mehr zu John Moriartys Gedanken hier: https://irlandnews.com/category/john-moriarty).
Wenn wir den Weg der Seele gehen und unsere Seele wieder finden, wenn Mensch und nicht-menschliche Natur sich versöhnen, dann wird für John Moriarty jeder Ort zum Seelenort – und die Zerstörung der Erde endet.
Noch radikaler dachte der indische Redner Krishnamurti. Wir können dieses denken und jenes fordern, während die Wirklichkeit macht, was sie will. Der Philosoph der geistigen Freiheit kam deshalb zur radikalen Einsicht: „Es ist mir egal, was geschieht“. No method, no guru, no teacher: Die Wahrheit sei ein unwegsames Land, zu dem es keine festen Wege gibt, sagte Krishnamurti. Hehre Tugenden sind eher schädlich, Idealisten sind gefährlich und können die Welt nicht verbessern. Die Freiheit liegt jenseits von Ideen und Idealen. Wem dies eine Spur zu abgehoben ist, kann es mit dem Münchner Humoristen Karl Valentin sagen: „Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.“
Der Tourismus ist der Regen. Wir Menschen sind der Regen. Wir werden uns nicht von Flug-Verboten, Besuchs-Geboten oder nicht-veröffentlichten Büchern und Online-Beiträgen aufhalten lassen. Der Weg zur Seele ist der Weg. Vielleicht der einzige, der uns bleibt.“
Hallo Markus, hallo Sven,
dem muss ich leider auch beipflichten, was zu diesem Thema von dir, Sven, geschrieben wurde. So gern wir heute tolle Plätze, schöne Erlebnisse, super Fotos teilen, mal nur innerhalb der Familie oder mit Freunden, aber eben oft auch über alle möglichen Social Media Kanäle, die es gibt. Dann ist es bei immer mehr Orten auf unserer so schönen Erde schnell vorbei mit der jahrzehntelangen Stille, Romantik oder eben diesem so wunderbaren Gefühl, hier scheinbar der erste Mensch zu sein, der jemals seinen Fuss dorthin gesetzt hat. Ein kleiner Entdecker wollen wir doch alle gern einmal sein.
Ich arbeite seit langem als Guide und Reiseleiter in Norwegen und ich sehe auch hier leider immer mehr Orte, die nur noch ausserhalb der Sommer-Hauptsaison diese „ewige Stille“ präsentieren, die wir doch alle herbeisehnen, wenn wir solche Sehnsuchtsorte aufsuchen. Der Trend des scheinbar nur noch bloßen Abhakens von „Must haves“ und „To do lists“ von immer mehr Touristen, führt leider genau zu diesen Verwerfungen. Orte, die an sogenannten Hotspots liegen, können sich oft nicht mehr vor Massenanstürmen retten und die örtliche Infrastruktur kommt teilweise gehörig ins Wanken und anderenorts schliessen Läden, kleine Firmen, Einheimische ziehen weg. Diese Orte sind nicht weniger schön, manchmal sicher noch viel idyllischer und romantischer, bis das erste Foto in Insta, Fb usw. gelangt. Es ist ein Kompromiss, den man mit sich selbst und der geliebten Natur schliessen muss.
An den gesunden Menschenverstand, sich ordentlich und rücksichtsvoll zu benehmen, kann man leider nicht mehr alleinig appellieren. Die Abartigkeiten der Spezi Mensch sind teilweise unfassbar, was ich in Norwegen, aber auch auf Island usw. schon gesehen bzw. mir erzählen lassen habe. Ich bin mit Freunden und meiner Familie auch oft schon in unserem geliebten Irland gewesen und werden es auch weiterhin tun. Ich hoffe diese unschönen Auswirkungen trotz der recht hohen Tourismuszahlen auf der gesamten Insel, werden sich weiterhin in Grenzen halten. Aber da hast du, Marcus, mit Sicherheit größere Erfahrung und verlässlichere Zahlen parat.
Ich wünsche allen einen wunderschönen Sommer!
Viele Grüße Andreas
Hallo Markus,
ich habe überlegt, ob ich hier was einstelle. Aber ich weiß nicht, ob es gut ist, auch die letzten ruhigen Plätze Irlands und der Welt öffentlich zu machen und vielleicht einen run darauf auszulösen. Wir erleben das bei uns hier im Allgäu auch sehr oft, dass die Menschen durch social media an solche Orte gelockt werden und es mit der Ruhe dort vorbei ist. Ich bin mir sicher, das ist auch nicht in deinem Sinne. So gern ich diese Orte auch mit Menschen teilen möchte, die diese zu schätzen wissen, die Gefahr das auch andere kommen ist mir zu groß.
Gruß Sven