Maulin Beara IrlandWarum steigen Menschen auf Berge? Auf Irlands Berge? Eine alte Frage, die manchmal verblüffende Antworten auslöst: Weil sie müssen. Ich habe im Laufe der vergangenen zehn Jahre immer einmal wieder Menschen auf den Berggipfeln von Kerry und Cork getroffen, die dort oben auf der Suche nach ihren Schafen waren. Die Schaf-Farmer sind die eigentlichen Könige der Berge. Könige in Gummistiefeln. Sie kennen das Land, ihr eigenes Land, wie kein anderer.

Schaffarmer nehmen die Berge als Kapital und als Ernährungsfläche wahr. Wie viele Schafe würden wie lange dort oben Futter finden? Wie viele Tieropfer würde der Berg in diesem Jahr fordern? Wie viel würden die Lämmer an Gewicht zulegen? Diese Fragen beschäftigen den Farmer.

Wanderer und andere Touristen gehen in die Berge und freuen sich über die unvergleichbare Aussicht, die Farben und die ästhetische Wucht des irischen Hochlands. Sie stehen und staunen — manchmal trunken vor Ergriffenheit und von der Einmaligkeit des Augenblicks dort oben in den Sphären des “Außerweltlichen”.

Der Farmer kann über derlei Romantik allenfalls lächeln. Vergangene Woche traf ich Dan in Kerry, einen der Männer, denen Irlands höchste Berge gehören. Dan hat Verständnis für Bergwanderer, nimmt für sich aber in Anspruch:: ” Wer vier- oder fünfmal im Jahr dort hoch muss, um seine Schafe zu suchen, blickt realistisch von den Gipfeln herunter”. Immerhin schätzt Dan die Höhen von Carrauntoohil, Caher oder Benkeeragh aus anderem Grund: “Schafe, die dort oben ihre Heimat finden, sind von der besten Qualität”.

Mit einheimischen Farmern gemeinsam auf deren Berggipfeln zu stehen — auch die Berge Irlands sind größtenteils Privateigentum — macht deutlich, warum ein und dieselbe Bergtour in ganz unterschiedlichen Erfahrungswelten stattfindet. Noel sagt mir: “All diese Schönheit kauft mir kein Brot”. John resumiert: “Die Zäune sind in Ordnung, der Nachbar wird sich nicht beklagen müssen.”

Vor wenigen Tagen ging ich mit Pauline (Foto) hinauf auf den Beara-Berg Maulin. Sie war das erste Mal dort oben und genoss die Aussicht auf die Bantry Bay. Pauline kann beides: Sie ist Schaffarmerin, die in die Berge gehen muss, und sie genießt die grandiose Natur ihrer Heimat bei einem zweckfreien Berggang von Herzen.