„Greed“ (Gier) ist neben „Bailout“ ein in Irland gerne benutztes Wort in diesem stürmischen November. Die greedy Gaels. „Ja, ja, die Gier hat uns in dieses Desaster getrieben“, sagen Irinnen und Iren gerne selbstkritisch über sich – und auch der Rest der Welt spricht von den gierigen Iren, die mit ihrer Celtic-Tiger-Sause bei europäischen Banken Schulden von über 370 Millliarden Euro angehäuft haben sollen. Und nun stellt sich die große politische Frage, ob deutsche (und andere europäische) Steuerzahler über den Umweg Europa und ECB gierige irische Banken retten dürfen, damit am Ende gierige deutsche (und andere europäische) Banken nicht auf den irischen Schulden sitzen bleiben.
Ein heftiger November-Sturm zerfetzte vor einigen Tagen ein überdimensionales Maklerschild am Straßenrand und wehte die Einzelteile durch die Gegend. Das Schild erinnerte an einen spektakulären Immobilendeal aus den Tagen, als in Irland der Immobilien-Tiger tanzte: Damals pries ein Hausbesitzer sein Eigenheim in West Cork, dessen Wert man bei nüchterner Betrachtung mit einigem guten Willen auf 500.000 Euro geschätzt hätte, für stolze 1,6 Millionen Euro an. Irische Gier? Warum, das taten doch alle.
Der Mann fand tatsächlich einen Käufer, und weil der Käufer so gutwillig und kaufbereit wirkte, setzte der Hausbesitzer noch einen obendrauf. Er bot seinem Verhandlungspartner zum Grund und Boden auch noch mehrere Eimer Wandfarbe für das schöne Häuschen an – zum Super-Günstig-Preis von nur 200 Euro. Und auch das alte gläserne Treibhäuschen wollte er gegen wenig Bares einfach im Garten stehen lassen. Irische Gier? Warum denn, man kann´s ja mal probieren.
Der Kauf platzte am Ende dann doch noch. Die 200 Euro Aufschlag für die Farbeimer spielten dabei wohl eine nicht ganz unwesentliche Rolle. Doch zu gierig gewesen, alter Ire?
Zu gierig ja. Viel zu gierig wahrscheinlich. Allein: Der verhinderte Hausverkäufer, der sich selber ein Bein stellte, stammt vom Kontinent, aus der Benelux-Ecke. Niederländer, Deutsche, Briten, Franzosen, Belgier und Amerikaner – sie alle haben beim großen Irland-Monopoly heftig mitgemischt und die Monster-Immobilienblase nach Kräften mit aufgebläht. Gier ist international. Gier gibt es überall – zumindest dort, wo es Menschen gibt. Greedy Humans. Was aber nicht zwangsläufig bedeuten muss, das deutsche Steuerzahler nun irische Banken retten sollen, damit diese wiederum ihre Schulden bei deutsche Banken zurück zahlen können.
Das stimmt. Du hast hier mit null Eigenkapital 125-Prozent-Hypothekendarlehen bekommen: Das ganze Haus, plus Garten, plus Grill-Deck und Wohnungseinrichtung ohne einen eigenen Cent.
Mich erinnerte die ganze irische Sause übrigens an den New-Economy-und-AKtien-Wahn, der auch in Deutschland viele Leute um den Verstand brachte. Da war das Hirn total ausgeschaltet, die Gier war stärker – und viele verloren alles wieder.
Irland-typisch ist sicher die Politik der Banken gewesen, die selbst bei 0 Euro Eigenkapital die abenteuerlichsten Immobilienkredite und damit die dahinter stehende Gier finanziert haben – selbst wiederum aus dem ganz klaren Motiv der Gier.
Ich traue zwar auch keiner deutschen oder britischen Bank über den Weg, aber so maßlos verzockt wie die irischen Banker haben sie sich doch nicht, weil vor dem Hypothekendarlehen immer die schlichte Frage nach dem Eigenkapital und dem Einkommen gestellt wurde.
Als ich 1999 in Irland studiert habe, sind überall Häuser aus dem Boden geschossen. Die ganze Westside von Galway war eine riesige Baustelle – Glean Dara, Rahoon Park, Cruachan Park und Friars Hill und wie sie alle hießen. Würde mich interessieren, wieviele davon heute leerstehen.
Und wenn man über Land fuhr, dann konnte man überall auf den Wiesen die Neubauten für Bungalows "Texas Ranch Style" sehen – vor einem habe ich sogar mal einen Liefervan eines deutschen Installateurs stehen gesehen.
Und wird sich deshalb etwas ändern, sobald sich Irland etwas erholt hat? Ich glaube wie Du, dass diese Gier keine Irlandtypische Eigenschaft ist. Wenn es bei uns diesen Boom gegeben hätte, es wäre vielleicht ähnlich gelaufen. Unser Glück ist, dass Deutschland einfach auf viel breiteren Füßen steht, so dass auch in der "Krise" die direkten Auswirkungen auf den Einzelnen kaum spürbar blieben. Selbst die Entlassungen waren hierzulande kaum mehr als in den "guten" Jahren zuvor.