Die Mehrheit für den EU-Reformvertrag schrumpft: Nur noch 46 Prozent der Wahlberechtigten in Irland wollen bei der Volksabstimmung am 2. Oktober mit einem “Ja” für den Vertrag von Lissabon stimmen. Das sind laut Umfrage der Irish Times acht Prozent weniger als im Mai. Die Gegner kommen auf 29 Prozent, zugenommen hat die Zahl der Unentschlossenen, die jetzt bei 29 Prozent liegt. Was geschieht da gerade? Driftet Irland nun doch mehr und mehr heraus aus der Gemeinschaft der Europäer? Ein anti-europäisches Ressentiment ist auf der Insel latent vorhanden, es scheint aber nicht opportun,angesichts der bitteren Wirtschaftskrise gerade jetzt auszuscheren: Immerhin 80 Prozent der Befragten meinen noch immer, es sei besser für Irland, Teil der EU zu sein und zu bleiben.


Acht Promille, oder 0,8 Prozent: das ist der Anteil der Iren an der Bevölkerung im “Europa der 27 Länder”. Vier Millionen Iren (und davon nur die Wahlberechtigten) bestimmen am 2. Oktober wesentlich über die Existenz von einer halben Milliarde Menschen in Europa, wenn sie abermals über eine EU-Verfassung, die nicht so genannt werden darf, abstimmen. Die Aufmerksamkeit, die unserer kleinen Insel an der Peripherie Europas durch die erneute Volksbefragung zuteil wird, erscheint unangemessen.


Irland ist das einizge Land, das per Volksbefragung zum Thema Europa-Zukunft abstimmen darf, und nach einem Nein in der ersten Runde lastet nun gewaltiger Druck auf dem politischen Establishment der Insel. Viele Europäer meinen, hier wedele der Schwanz mit dem Hund, und man wurde in den vergangenen Monaten den Eindruck nicht los, dass das proeuropäische “Rest-Europa” den Iren dieses ersehnte Ja zum Reformvertrag um fast jeden Preis mit Puderzucker und jeder Menge Sonderrechten abkaufen will.


Die aktuelle Irish Times Umfrage von dieser Woche förderte übrigens noch ein bemerkenswertes Ergebnis zutage: Drei von vier Wählern wollen die verbrauchte und ratlose Regierung aus Fianna Fáil und Grünen weg haben, nur noch 11 Prozent sind mit der Arbeit der Regierung zufrieden. Nur noch 17 Prozent würden nun Fianna Fáil wählen, die Luft für Ministerpräsident Brian Cowen und sein Kabinett wird immer dünner. Wahrscheinlich entscheidet sich deren politisches Schicksal an der Frage der “Bad Bank” für Irland: Die NAMA, eine Art staatliche Liegenschaftsverwaltung, soll die vor dem Bankrott stehenden Bauträger des Landes und damit auch die auf faulen Krediten sitzenden Banken mit Steuergeldern “retten”. Sie soll im großen Stil Grundstücke und Immobilien zu weit überhöhten Preisen aufkaufen.

Dass die mit der Bauwirtschaft traditionell verfilzte Regierung den Bankern und Bauspekulanten “mit dem Geld der kleinen Leute den Hintern retten will”, stößt in weiten Kreisen der Bevölkerung auf Unverständnis oder gar Wut. Denn damit würden gerade diejenigen gerettet, die die Wirtschaftskrise zu verantworten haben.