Bus Eireann

Unterwegs in Irland mit Bus Eireann.

 

Die Fähre aus Cherbourg legte um 11:45 Uhr in Rosslare, County Wexford, an. Der Bus nach Waterford ging um 13 Uhr, der Zug nach Dublin fünf Minuten früher. Das sollte reichen. Eigentlich.

Als Berg- und Landmensch maße ich mir kein Urteil an, warum die Schiffscrew fast eine halbe Stunde benötigte, um die Stena Horizon am Landungssteg ordentlich fest zu machen – und auch nicht, warum die zwei Handvoll Passagiere, die ohne Auto zu Fuß unterwegs waren, vom Schiffspersonal nachrangig behandelt werden.

Es war schon viertel nach Zwölf, als ich dem Fahrer des klapprigen Transferbusses auf dem Landungssteg anvertraute: “Es wäre klasse, wenn ich den Bus um Eins schaffen würde.” Der konterte mit einem müden Lächeln: “Das kannst Du wohl vergessen”. Dann sammelte er nach und nach seine zehn Fußgänger ein – der letzte bestimmte wie immer das Tempo – und warf sich mit seinem Klapperbus ins Getöse. Mittlerweile waren die Ausgangstore des Hafens von Dutzenden Lastwagen blockiert.

Die Italienerin mit Hündchen neben mir saß völlig entspannt. Sie wollte mit dem Zug nach Dublin und dann nach Port Laois reisen. Es folgten Ausweiskontrollen, Zollkontrollen. Zwei Spürhunde schnupperten sich durch den Bus. Zuvor musste das Hündchen samt Italienerin den Bus verlassen, um die Artgenossen nicht von der Arbeit abzulenken. Die Schnüffelei zeitigte Ergebnisse. Bei einem riecht’s immer. Der Mann musste aussteigen, seine Koffer mit ihm. Die Minuten zerrannen. 12:45 Uhr. Den kann ich vergessen, den Bus nach Hause. Eigentlich.

 

Wie Moses einst das Meer teilte . . .

 

Wäre da nicht die berühmte irische Hilfsbereitschaft: Bloß niemanden enttäuschen. Zwölf vor Eins. Der Transferbusfahrer wurde zunehmend unruhig. Er sprang aus seinem Sitz, lief zu den Zöllnern, die sich gemütlich oder einfach nur gründlich an den Koffern des von den Suchhunden Auserwählten zu schaffen machten. Er entschied: Wir fahren weiter, den Mann müssen wir aufgeben. Nur neun kommen durch.

Es folgte eine verrückte Slalomfahrt durch die auf Abfertigung wartenden Trucks. Unser Fahrer, ein knorriger Ire kurz vor dem Ruhestand, lief zu Hochform auf. Wie Moses, der einst das Meer teilte, erzwang er hupend und wild gestikulierend eine Gasse durch die tosende Blechlawine. Der Bus ächzte und hielt stand. Um 12:59 Uhr erreichten wir den Busbahnhof vor dem Fähr-Terminal. Die Haltebucht für den Bus nach Waterford und weiter nach Cork war leer.

In der Bucht nach Irgendwo parkte ein roter Bus Eireann mit dem Ziel Out of Service. Der Fahrer hatte sich eingeschlossen und ruhte sich aus. Keine Sorge, der Waterford-Coach komme gleich. Die Italienerin mit dem Hündchen fragte dann noch nach dem Bahnhof. Ihr Zug nach Dublin führe kurz vor Eins. Die Uhr zeigte fünf nach Eins. Damnit. Der Transferbusfahrer kratze sich am Kopf. Der ausgeruhte Busfahrer kratzte sich am Kopf. Die Italienerin schnappte nach Luft. Das Hündchen ruhte sich aus.

 

Fähre Rosslare

Die Fähre wird in Rosslare entladen. Trucks haben Vorfahrt. Eigentlich.

 

Hunde dürfen in Irland nur im Zug mitgenommen werden. In Linien-Bussen haben sie kategorisch keinen Zutritt. Der nächste Zug nach Dublin fuhr in viereinhalb Stunden. Anschluss nach Portlaoise am nächsten Morgen. Die Italienerin war nun gar nicht mehr entspannt. Die beiden Busfahrer tuschelten. Ja, klar ist es verboten, Hunde im Bus mit zu nehmen, aber das doch nur im Normalfall. Nun haben wir einen Notfall. Wer wohl den Bus nach Waterford fährt?

 

Die drei Busfahrer stricken an ihrem Notfall-Plan

 

Um 13:08 Uhr rollte der 13-Uhr-Bus nach Waterford ein. Der Fahrer hatte es nicht eilig. Nach kurzem Chat mit den beiden Kollegen lehnte er jegliche Hilfsbereitschaft im Notfall ab. Er ging erst mal auf Toilette, um seine Haltung der Notlage anzupassen. Er kam zurück, startete den Bus und knickte ein: Die Italienerin solle sich halt ganz hinten in den Bus setzen und das Hündchen unauffällig unter dem Sitz parken.

Die drei Fahrer strickten an ihrem Notfallplan: Wer würde den Bus von Waterford nach Dublin lenken? Ist Dusty noch im Dienst? Der hilft ganz sicher. Nicht aber der . . . , nein, der würde keinen Notfall kennen, nur Regeln. Wie die Deutschen. Drei Fahrer bemühten ihre Telefone, um den Notfall und die Weiterfahrt von Italienerin und Hündchen von Waterford nach Dublin zu organisieren. Das sollte klappen.

Die Italienerin aber hatte fertig. Sie gab entnervt auf, zottelte mit Hündchen Richtung Bahnsteig zum langen Warten auf den letzten Zug nach Dublin. Langsam verlor sich der klagende Laut ihre Rollkoffers: Klackerdicklack.

Die drei vom Busbahnhof standen verdutzt. Ich fuhr mit dem Bus nach Waterford und spürte Enttäuschung. Wie fahrlässig die Italienerin kapituliert und sich der unbändigen Hilfsbereitschaft irischer Busfahrer entzogen hatte. Das war, gemäß dem Urteil eines in Irland gut bekannten italienischen Ball-Philosophen: Schwach wie eine Flasche leer.

 

Fotos: Markus Bäuchle