Es ist in den vergangenen 50 Jahren viel darüber geschrieben worden, warum sich Menschen aus Deutschland aufmachen, um 2000 Kilometer entfernt, auf einer Insel im Atlantik, ein neues Kapitel in ihrem Leben zu beginnen. Warum sie die Zelte in der alten Heimat abbrechen und in Irland neu aufschlagen.

Regelmäßig erhalten wir Anfragen von Menschen, die ihren Traum vom “Auswandern” verwirklichen wollen, deren Sehnsuchtsort Irland ist, die aus Deutschland unbedingt weg wollen, und die am westlichen Rand Europas das bessere Leben wähnen. Der Wanderer muss gestehen: Er ist kein Experte für das Auswandern und kann keine Ratschläge für die Lebenslagen anderer geben. Statt dessen einige rein persönliche Anmerkungen.
1. Auf der anderen Seite des Zauns ist das Gras immer grüner – zumindest solange man auf dieser Seite steht. Und wann tut man das nicht?
2. Wir sind nach Irland gezogen, weil wir es für eine gute Alternative hielten. Unsere Vermutung wurde und wird bestätigt. Wir haben uns nicht von Deutschland abgewandt. Deutschland ist eine Option wie die Vogesen und das Tessin. Wir leben als Europäer in einem anderen Teil Europas – und wir genießen es. Auswandern aber ist ein Begriff aus einer anderen Zeit, der dies nicht angemessen beschreibt.

3. Die Probleme, die ein Mensch in sich trägt, lösen sich nicht durch den Wechsel des Wohnorts in Wohlgefallen auf. Tomi Ungerer sagt in diesem Fall: “Don´t hope cope”.

4. Wir wandern statt ein- und auszu-wandern.

Da der Wanderer heute eigentlich schreib-frei hat, will er die Frage an die Leserinnen und Leser weitergeben. Was macht Irland zum Ziel der Sehnsucht?

Im folgenden beschreibt Thomas, warum er von Irland nachhaltig fasziniert ist und warum ihm die Grüne Insel längst zur “inneren Heimat” geworden ist. Thomas lebt in Deutschland.

“Als täglicher und begeisterter Leser der Seite “Irland-Berichte vom Wanderer” , möchte ich mich allgemein mal zu Wort melden . Ich finde die Berichte toll, gut recherchiert, kurz und bündig, auf dem neuesten Stand. Auch viele Kommentare zu den einzelnen Themen sind gut, aber leider nicht alle.

Ich als “Irlandgeschädigter” habe leider noch nicht das Privileg, auf dieser Insel leben und arbeiten zu können. Mittlerweile kenne ich Irland besser als mein Heimatland, good old Germany. Das ist für einen Deutschen eigentlich frevelhaft! Ich habe aber langsam den persönlichen Eindruck , dass mir mein Vaterland,  in dem ich lebe und aufgewachsen bin, langsam immer unsympathischer, kälter, falscher und kleinkarierter wird.

 Privat kann ich nicht klagen. Guter Job , Top-Wohnung, Wunschauto und Urlaub. Wenn ich sehe, wie auf Arbeit und im privatem Bereich,selbst im Urlaub an allem “rumgenörgelt” wird (und das bei gutem Verdienst), wie der Neid beim Nachbarn wächst, entwickelt sich bei mir der Eindruck: “Das ist Klagen auf hohem Niveau” (obwohl ich eigentlich nicht klagen kann).

 Das ist eben Deutschland mit seiner “Piefke-“Mentalität. Immer erst auf Andere zeigen, den Berg vor meiner Haustür mach ich später weg. Jedes Land, jeder Mensch hat seine Probleme. Aber in Deutschland habe ich langsam den Eindruck , wir “nörgeln” lauter und der erhobene Zeigefinger, anderen gegenüber,  ist schnell erhoben.

Ich war bereits 9 mal in Irland, habe es wachsen sehen, ob gut oder schlecht . Aber die Menschen, die ich traf , die ihren “Celtic Tiger ” (damals jedenfalls noch ) bewunderten , sehe ich heute noch. Der irische Lebensstandard musste weit mehr als aufholen gegenüber Westeuropa . In manchen Gegenden hat man als Besucher aber den Eindruck – überholen , an statt einzuholen – und ich glaube, das rächt sich jetzt . 

Aber alles in allem muß ich sagen, dass ich zu “meinem Irland” jederzeit zurückkehre, mich mit den Bewohnern unterhalte , ihre Mentalität genieße , die deutsche Stoppuhr ausschalte und mich der Landschaft, der Kultur einfach ergebe. Ich vermisse in Deutschland den freundlichen Gruß hinterm Lenkrad , den Plausch am Straßenrand und den total ungezwungenen Talk im Pub . Ich, für mich, habe jedenfalls meine “innere Heimat” gefunden. Besuche dieses Land, entdecke es, lass dich anstecken und du wirst die Stille hören . Slan agan und bis später, Thomas .”

Leserin Elke Auler meint dazu:

“Was macht dieses Irland mit seinen Besuchern, bzw. warum verfällt man dieser Sehnsucht?  Also abgesehen von mir, ist es so mit den Urlaubern: es gefällt ihnen im Urlaub, alles ist rosarot angehaucht, also möchten sie dieses Wohlfühlpaket für immer, sprich auch für den Alltag. So funktioniert es aber nicht, denn der Alltag hat sie schnell eingeholt mit allen Problemen die da vielleicht auch vorher schon waren. Man muss sich (oder besser gesagt, sollte sich) einen neuen Freundeskreis” erarbeiten”, was nur gelingt, wenn man auf die Menschen zugeht, oder noch jung genug dazu ist.

Auch in Irland braucht man Geld um leben zu können. Die wenigsten bringen es mit – also arbeiten und weiß man schon wo und was?! Wo wohnt man, mieten oder kaufen? Beides sehr teuer! Sollte man den rigorosen Schritt erst im Rentenalter tun, sind die Probleme schon vorprogrammiert. Wie ich von Freunden und Bekannten erfahren habe, kommen dann die Sehnsucht nach der Familie und den alten Freunden, die ja in Deutschland zurückgeblieben sind. Die versprochenen Besuche werden mit der Zeit immer dürftiger, der Kontakt mit dem alten Daheim schläft immer mehr ein.

Dann kommt die Zeit, da vielleicht ein Ehepartner verstirbt und man ist plötzlich alleine. Irgendwann muss man eventuell ins Altersheim, mit fortgeschrittener Demenz fehlen plötzlich die Englischkenntnisse, die man vielleicht nur dürftig hatte oder man vergisst sie. Das ist nun keine Schwarzmalerei, sondern einfach Tatsachen, die man bedenken muss und auch genauso leider schon geschehen sind.

Nachdem wir aus Irland zurückgekommen waren, wohnten wir für einige Jahre in Berchtesgaden. Dort kamen wir mit einer alten Dame ins Gespräch, die immer Urlaub mit ihrem Mann in Berchtesgaden machte. Beide hatten beschlossen, nach der Pensionierung ihren Wohnsitz dorthin zu verlegen und es kamen genau die Probleme – wie Sehnsucht nach den Kindern und Enkelkindern. Die Situation verschlimmerte sich nach dem Tod des Mannes derart, dass die Dame mit Depressionen zu kämpfen hatte. Sie hatte auch keinen Führerschein und saß nun abgeschnitten in der “Einöde”, denn sie wollten ja eine ganz ruhige Wohnung haben.

Leider haben wir die Dame nie wieder getroffen, sie wird wohl Bayern Richtung Heimat verlassen haben,nehme ich an. Also, wie ich schon neulich sagte, jedes Ding hat seine 2 Seiten, aber diesmal ist es leider die deutsche, nicht die irische Version, die ja eine viel positivere Aussage hat. Deshalb sollte man mit der Erfüllung seiner Sehnsüchte vorsichtig umgehen! Ich hatte ja auch schon beschrieben, dass selbst ich mit meiner starken Bindung zu Irland nicht IMMER in Irland sein möchte (zumindest heute nicht mehr) und ich habe immerhin in Irland gelebt und gearbeitet.

Ich brauche zwischendurch auch mal mein Deutschland, in dem ich in der Stadt einen Einkaufbummel machen kann – wo mich allerdings nach nicht allzu langer Zeit die vielen Menschen nerven!! Ich brauche meinen Quark (den man notfalls mit guter irischer Frischmilch selber machen kann), Matjesheringe, deutsches Brot. – Alles nicht unbedingt LEBENSNOTWENDIG, aber…! Allerdings möchte ich die meisten Monate des Jahres lieber irische Luft atmen, nur mal wieder eine Stipvisite während des Winters in Deutschland machen. Vielleicht würde mir auch ein Besuch alle 2 Jahre reichen! So ist es nur leider nicht gekommen, nur das Heimweh und MEINE Sehnsucht nach Irland.

Hätten wir damals geahnt, dass Irland goldenen Zeiten entgegen geht, wären wir geblieben. Allerdings hätte mein Mann nicht in seinem Beruf arbeiten können, er war Werkzeugmacher-Meister und die dazu nötige Industrie war damals nur sehr, sehr spärlich vorhanden. Hätte mein Mann aber auch die gute medizinsiche Versorgung wie in Deutschland gehabt, als er 1998 so schwer erkrankte? Aber so wie es gekommen ist, das ist eben Leben – unser Leben! Und ich will zufrieden sein, wenn ich Irland besuchen kann, solange es noch möglich ist. Ich bin dann froh, dass es in Irland nicht diese vielen Menschen gibt wie in Deutschland und ich die Weite und Ruhe irischer Strände und Landschaften genießen kann.

Wenn Björn das lesen würde müsste ich mich für mein Verständnis von “Weite” bei ihm entschuldigen. Denn was ist schon Irland im Vergleich mit Patagonien und der Wüste!!! Aber in die Wüste möchte ich nie im Leben: tagsüber zu heiß und in der Nacht zu kalt – da lob ich mir doch den irischen Regen! Übrigens, in Irland regnet es nur immer zwischen den Schauern, sonst nie!! In diesem Sinne, ein warmer Frühlingsregen ist doch schön! Elke”

PS: Das heutige Irland-Photo stammt von Thomas.