Am vergangenen Donnerstag starb Babs. Sie war  94 Jahre alt, eine der ältesten Bewohnerinnen von Glengarriff, West Cork, Irland. Babs starb aus heiterem Himmel, am Nachmittag, nach einer Dusche, eingehüllt in ein großes, warmes Badetuch. Ihre letzten Worte waren: “Oh, this is lovely” (“Das ist herrlich”).  So möchte man sterben, dachte ich mir.

Gestern wurde Babs beerdigt. Gleich drei Pfarrer und eine Menge Menschen versammelten sich in der Sacred Heart-Kirche, um Babs zu verabschieden. Glengarriff ist auch heute noch ein gottesfürchtiger Ort. Mitten im Herrgottswinkel von Irland kümmert die Säkularisierung hier wenig. Die Kirche füllt sich jeden Sonntag wie von Zauberhand, der Pfarrer bleibt eine Autorität. Babs ging jeden Sonntag in die Kirche, und ein Teil des neuen Kirchendachs ist sicher ihr zu verdanken. Wir waren gestern in der Kirche, um Babs zu verabschieden. Es war ein kalter, sonniger Tag, die Luft frisch und trocken. An einem Tag wie diesem möchte man beerdigt sein, dachte ich mir.

Glengarriff, kleiner Ort im Herrgottswinkel Irlands

Glengarriff, kleiner Ort im Herrgottswinkel Irlands

Babs einziger Sohn heißt Jim. Jim wird 67 Jahre alt. Jim ist ein kleiner rundlicher Mann mit großem Wortschatz und viel Courage. Jim hat Babs in den letzten Jahren gepflegt.  Jim sagt, es sei ihm Pflicht und Ehre zugleich gewesen. Jim sitzt ganz alleine in der ersten Bank der großen Kirche. Keine Verwandten, niemand. Jim ist das egal. Er spricht alle Rollen der katholischen Lithurgie selber. Wo Jim ist, lebt das Wort. Er spricht leise und angemessen, lange und einfühlsam. Er würdigt, er scherzt, er zitiert und er trauert. Jim stiehlt den drei Pfarrern, die in der ewigen Lithurgie verharren, gewissermaßen die Show beim Heimspiel.  Am Ende gibt es lange anhaltenden tosenden Applaus für einen kleinen couragierten und wortmächtigen Mann, der seine Mutter verabschiedet. Ein Novum für einen Trauergottesdienst im Herrgottswinkel von Irland. So möchte man verabschiedet werden, denke ich mir.

Gestern wurde Babs beerdigt. Es war ein kalter, sonniger Tag, die Luft frisch und trocken. Die Worte des Abschieds sind geschrieben im Buch Koholet, Kapitel 3:

 

There is a time for everything,

and a season for every activity under heaven:

a time to be born and a time to die,

a time to plant and a time to uproot,

time to kill and a time to heal,

a time to tear down and a time to build,

a time to weep and a time to laugh,

a time to mourn and a time to dance,

a time to scatter stones and a time to gather them,

a time to embrace and a time to refrain,

a time to search and a time to give up,

a time to keep and a time to throw away,

a time to tear and a time to mend,

a time to be silent and a time to speak,

a time to love and a time to hate,

a time for war and a time for peace.

Ein jegliches hat seine Zeit,

und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde:

geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit;

pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit; 

töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit;

abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit; 

weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit;

klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit;

Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit;

herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit;

suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit;

behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit;

zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit;

schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit;

lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit;

Streit hat seine Zeit, Frieden hat seine Zeit.

 

Fotos: Markus Bäuchle. Das Foto oben zeigt den Friedhof von Kilcathrine auf der Beara Halbinsel an einem frischen sonnigen Tag. Babs wurde auf dem Friedhof von Kilmocomogue beerdigt, dort, wo sie im Jahr 1967 einmal sagte: “Das wäre ein schöner Ort für einen Campingplatz”.