14 Gründe, warum ich Irland liebe und hier lebe. Der Beitrag vom Wochenende (hier nachzulesen) warf bei Lesern die Frage auf, warum ich den eigenen Schritt, von Deutschland ins ländliche Irland umzuziehen, nicht unbedingt zur Nachahmung empfehle. Um mich nicht der fahrlässigen Schwärmerei verdächtig zu machen, heute ein Blick auf die dunkle Seite der grünen Wiese. Und die Einschränkung: Ich rede vom Leben auf dem Land, die Rede ist nicht von Arbeitsmigration in den urbanen Großraum Dublin. Meine generelle Antwort:
:: Weil die Menschen verschieden sind: Was für den einen passt, kann für den anderen höchst unpassend sein.
:: Weil man immer auch Glück braucht: Grenzüberschreitende Umzüge bergen mehr Risiken als Binnenumzüge. Schön, wenn alles klappt, doch Garantien dafür gibt es natürlich nicht.
:: Nur weil man „die Iren“ lustig und nett findet, gehört man nicht automatisch schon dazu. Jenseits der kommunikativen Freundlichkeiten im Pub oder beim Schwatz auf der Straße hört die Verbindlichkeit schnell auf. Manche reden vom Closed Family Shop. Isolation kann die Folge sein.
:: Weil die irischen Winter lang, dunkel und meistens nass sind. Nicht Jeder erträgt dieses Klima.
:: Weil nicht Jeder gut mit sich allein sein kann und nicht Jede das Fehlen von Zerstreuung als Bereicherung empfindet.
:: Oder deswegen: Weil Träume hier enden.
All das spricht nicht gegen den Schritt. Es spricht aber nicht automatisch dafür. Träumen muss erlaubt sein, die Realität sieht dann meist ganz anders aus. Auch im landschaftlich wunderschönen Irland gibt es einen Alltag zu leben, gibt es viele Dinge, die nerven, gibt es Nachbarn, TÜV, Zeitdruck, Stress und überfüllte Krankenhäuser — und gibt es für die meisten Menschen den Zwang, ihren Lebensunterhalt zu verdienen (wenn man nicht gerade zu dem einen Prozent der Weltbevölkerung gehört, das mittlerweile 50 Prozent des weltweiten Wohlstands besitzt — und damit mehr als alle anderen zusammen*.) Das habe ich versucht, im Grund 9 positiv auszudrücken:
Weil hier zu leben eine Herausforderung ist: Vollkasko-versichertes Leben geht anders. Ohne eigene Initiative geht nicht viel. Trotz der vielen schönen Natur. Das spornt stets an.
Den einen spornt es an, es kann aber auch lähmen. Die Zahl sicherer Arbeitsplätze an der Atlantikküste im ländlichen Irland ist sehr überschaubar, die Zahl prekärer Lebensverhältnisse umso größer. Während viele Iren gut geschulte Überlebenskünstler sind und im Zweifelsfall, wenn es eng wird, sich ins Flugzeug setzen und dorthin reisen, wo sie Verwandte, Arbeit und eine bessere Zukunft vermuten, gehen Kontinental-Europäer lieber erst mal aufs Arbeitsamt.
Viele Umsiedler und Einwanderer machten die Erfahrung: Wenn das Feriengefühl erst einmal aufgebraucht ist, beginnt das wirkliche Leben in der Wahlheimat, und das kann ganz schön ent-täuschend im besten Wortsinne sein. Das wäre zu bedenken, bevor man/frau die Koffer packt und die Umzugsampel auf grün springt.
Wer hat Erfahrung? Eure Meinung ist gefragt.
* Spiegel Online vom 19. Januar 2015: http://www.spiegel.de/wirtschaft/ungleichheit-superreiche-besitzen-mehr-als-die-anderen-99-prozent-a-1013655.html
Mein Mann und ich haben in den letzten zehn Jahren ganzzeitig in Irland gelebt, davor, seit 1989 waren wir zweimal im Jahr zum Urlaub in Irland.
Alles was schon gesagt wurde stimmt: Das Wetter ist schwer zu verkraften, obwohl es nirgends so schoen ist wie in Irland wenn die Sonne scheint. Aber die grauen, nassen und kurzen Tage in den langen Wintermonaten koennen auch dem optimistischten Menschen Depressionen vermitteln.
Man wird nie volkommen in der Gemeinde integriert obwohl die Iren furchtbar nett sind.
Man weiss nje so recht was eigentlich vor sich geht. Gutes Beispiel ist die Einfuehrung der neuen Postleitzahlen die wenig Sinn machen. Aber niemand – soviel ich weiss – hat vorher die Bevoelkerung informiert oder gefragt was die Logik hinter den Zahlen ist oder sein soll. Die Iren selbst geben keine echten Nachrichten an die blow-ins weiter, die Zeitungen sind schwer zu entziffern, und die Regierung ist nicht offen gegenueber der Bevoelkerung – Beispiel Wassergeld.
Aber die echten Probleme kommen mit zunehmenden Alter, speziell auf dem Lande. Wenn man nicht mehr Auto fahren kann ist man aufgeschmissen oder tota lauf die Hilfe anderer angewiesen. Der naechste schwerwiegende Punkt its das Gesundheitswesen. Fuer ernste Probleme kommt nur das Krankenhaus in Cork in Frage was zwei Autostunden weit weg ist.
Hallo Markus,
ich muss mich Tina anschließen und dir auch ein Lob aussprechen, dass du offen und ehrlich über die Realität in Irland bist. Auch ich bin 2000 hierher ausgewandert. Nachdem ich seit Jahrzehnten eng mit der Insel verbunden war. Hier hin und wieder tolle Aufenthalte zu verbringen, steht in keinem Verhältnis, hier auch zu leben. MIR geht es gut. Ich habe mich toll eingelebt, aber ich habe über die vergangenen 15 Jahre viele Kontinental-Europäer kommen und gehen sehen. Hier herrscht nun mal KEINE deutsche Ordnung und das ist was den meisten Deutschen (ob sie es zugeben oder nicht) letztendlich fehlt. Das ist jetzt nicht bös gemeint, sondern eine Feststellung. Wenn man eine gewissen Ordnung gewöhnt ist und dann in ein „geordnetes“ Chaos wie Irland eintaucht, muss man erst mal schwimmen lernen. Schaffen tut das letztendlich jeder, doch viele haben nicht die Ausdauer dazu.
Viele liebe Grüße
Wolfgang
Muss ich auch sagen: sehr gut auf den Punkt/die Punkte gebracht!
Ein paar gelungene Urlaube sollten niemanden dazu verleiten zu glauben, er/sie könne gut in Irland leben.
Leider können es sich die meisten Menschen allerdings auch nicht leisten, mal ein paar Monate (im Winter!) auf Probe nach Irland zu kommen um festzustellen, ob sie „irlandfest“ sind.
Ich denke in der Tat, dass es ein Riesenunterschied auf verschiedenen Ebenen ist, ob man als Besucher in Irland ist oder hier lebt. Um herauszufinden, ob man für das Leben in Irland taugt (ländlich oder urban? Wilder Westen oder zahme Midlands? Automatischer Sozialkontakt und gegebenenfalls Rat oder Unterstützung durch Arbeit oder Familenanschluss?) kann vor allem auch viel Austausch mit vielen verschiedenen Menschen helfen, die den Schritt schon hinter sich haben.
Viele sinnvolle Informationen und Hinweise finde ich immer wieder auf dieser Seite :-)
Du hast das git ausgedrueckt, ich lebe schon seit 30 Jahren hier in Irland, habe viele kommen und gehen sehen, denn die Traeme ueberleben oft nicht die Realitaet . Es ist nicht einfach hier zu leben, und du hast sehr gut die Qualitaeten beschrieben die noetig sind. Anerkennung.
alles Gute sabine
Keine Ursache….was wahr ist muss wahr bleiben. Meine Frau arbeitet als Fachkrankenschwester auf einer Intensivstation in Stuttgart. So mancher würde die Ohren anlegen über die Zustände in deutschen Krankenhäusern. Das mit dem Hospiz klingt wunderbar und nach wahrer Berufung !
In Deutschland hat sie fast überhaupt kein Standing. Sie leistet außergewöhnliches ( gerade in Krankenhäusern) und steht trotzdem 10 Stufen unter jedem dahergelaufenen Assistenzarzt den sie fachlich locker in die Tasche steckt. Aber das hat mit dem deutschen Obrigkeitsedenken zu tun……
Danke für die Anerkennung unserer Arbeit !! Ich habe schon vor längerem vordem Krankenhausaltag kapituliert und hatte das Glück ein Hospiz mit aufbauen zu können . Dort arbeiten wir Hand in Hand mit den Ärzten, auch wenn wir uns einige erst haben „erziehen“ müssen ;-)
Hallo Tina, die Krankenschwester (Nurse) hat in Irland einen starken Status und mehr Kompetenzen als in anderen Ländern ;-)
Ich finde es sehr gut, dass du dieses „Auswandern“ nach Irland nicht nur durch die Berüchtigte rosarote Brille beschreibst .
Ich habe zwar nicht vor es zu tun , gönne mir aber immer wenn es mal wieder besonders „eklig“ zu geht im Alltag, davon zu Träumen…..Ob ich es aber wirklich tun würde ist was ganz anderes.
Bei dir passt ja auch das Arbeitsfeld nach Irland ( oder du hast es dir passend gemacht) . Ich bin mit ganzem Herzen Krankenschwester, und wenn ich so lese was da in Irland zum teil für Zustände herrschen…ich glaube da will ich nicht arbeiten…Also träum ich weiter und da ist dann alles so wie es sein sollte !!