Flut Irland 2015

Das Hochwasser in Irland steigt vielerorts noch immer, die Flut-Krise am Shannon bleibt äußerst bedrohlich, und nun merkt endlich auch die Regierung in Dublin, dass ihr das Wasser bis zum Hals steht. Denn die Menschen in den überfluteten Regionen sind nicht nur traurig, erschöpft und ratlos, sie haben auch eine große Wut auf die Regierenden, die sich gerade wieder übertrumpfen im Ankündigen von Plänen und im Gründen neuer Kommissionen und Expertenrunden. Die allgemeine Wahrnehmung in den Hochwassergebieten ist bedrohlich für Enda Kennys Kabinett: Die Ankündigungs-Weltmeister liefern einfach nicht und quasseln nur.

Flood 2009Keine Frage: Das Hochwasser 2015 hat seine primäre Ursache in der Regenmenge. Der Dezember brachte weiten Teilen Irlands in einem Monat soviel Regen wie in einem durchschnittlichen Winter in einem Vierteljahr fällt. Ob der ganz offensichtlich vom Klimawandel verursachte Dauerregen im Winter 2015/16 aber nun die schlimmsten Überflutungen seit Menschengedenken verursacht hat, wie Regierungspolitiker gerne behaupten, ist zumindest in der vorgebrachten Verallgemeinerung fraglich. Das aktuelle Wetter in immer neuen Rekord-Dimensionen zu beschreiben, ist irischer Volkssport und hat mit den Fakten nicht immer viel zu tun. Für einzelne Regionen am Shannon stimmt der Superlativ wahrscheinlich sogar — und doch ist nicht vergessen, dass weite Teile Irlands im Jahr 2009 unter einer Hochwasserkatastrophe litten, deren Ausmaße bis heute nicht erreicht sind; und auch in den Jahren danach gab es schlimme Überflutungen.

Wer die Menschen in der Hauptstraße von Bandon im County Cork fragt, bekommt eine gute Vorstellung von der Hochwasser-Historie der vergangenen Jahre, während die Politik so tut, als wäre das Problem gerade vor wenigen Wochen aufgetaucht. Auch im Winter 2009 gab es große Reden und viele Ankündigungen. Sehr viel ist seitdem in Sachen Hochwasser-Prävention und Katastrophenschutz allerdings nicht passiert.

Dem irischen Regierungspräsidenten Enda Kenny wurde vor zwei Wochen schon vorgeworfen, er lasse sich in den überluteten Gebieten nicht blicken, weil ihn die Hochwasserkrise am Shannon wenig interessiere. Er ließ darauf hin ausrichten, er habe sehr wohl Hochwassergebiete besucht —  wahrscheinlich beim Sonntags-Spaziergang daheim im County Mayo.

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Gefahr droht. Inzwischen haben die Regierenden die Gefahr für die eigenen Interessen erkannt. Denn demnächst wählt Irland ein neues Parlament. Der Wahltermin ist aus taktischen Gründen noch nicht bekannt gegeben worden, muss aber auf alle Fälle vor dem 8. April liegen. Spekuliert wird auf eine Wahl im März, sehr bald also haben die Bürger das Wort — und nun, da das Wasser einfach nicht abfließen will, sorgen sich die Regierungspolitiker in Dublin um ihre Pfründe und fluten das Land mit Geld: 100 Millionen Euro sollen verteilt werden: zur Reparatur von kaputten Straßen und Brücken, für Soforthilfe, für Flutopfer und für geschädigte Geschäfte, für die Verbesserung der Stimmung im Land.

Die Ankündigung der Geldorgie wird orchestriert mit der Bekanntgabe von allerlei Plänen. Aktionismus ist das Gebot der Stunde — und vieles klingt nach schnellen Lösungen, die man auf dem Kontinent nach vielen leidvollen Erfahrungen schon vor einem Jahrzehnt für gescheitert erklärt hat. Das Ausbaggern und Vertiefen von Flüssen etwa klingt wie eine Patentlösung — ist es aber nicht. Es lässt die Hochwasserprobleme auf lange Sicht sogar eskalieren und zerstört zudem wertvolle Lebensräume von Tieren und Pflanzen.

Wütend: Der Sheen River bei Kenmare

Die traurige Wahrheit ist: Neben dem Klimawandel sind Profitgier und Planlosigkeit die Hauptursachen für die aktuelle irische Hochwasserkrise. Viele nun unter Wasser stehende Häuser wurden in den letzten 15 Jahren an Orten gebaut, an denen noch vor 30 Jahren kein vernünftiger Mensch hingebaut hätte, weil diese Flächen als Überflutungszonen bekannt waren. Doch die Aussicht auf schnelles Geld machte und macht blind und vergesslich.

Diese Erkenntnis wird die Regierung allerdings nicht davon abhalten, die Flut in den kommenden Wochen mit einem Geld-Starkregen zu bekämpfen, um sich selber über Wasser zu halten . . .

Fotos: Markus Bäuchle; Google (oben)