Sommer Irland

Sommer in Irland: Badefreuden in Kilkee, County Clare.

Irlandnews.comIrischer Sonntag: Wir haben unseren Jahresurlaub genommen. Vier Tage im VW-Bus durch Irland. Mitten im Sommer, einem fabelhaften Sommer, von dem viele Iren nicht wissen, womit sie ihn eigentlich verdient haben. Der vergangene Sommer war doch schon so gut, und so viel Wetterglück muss man sich eigentlich mit viel schlechtem Wetter erarbeiten. Leben wir gerade mal wieder auf Kredit?

Das Land wirkt optimistisch, die Urlauber aus dem Ausland strömen in Massen und lassen die Tourismus-Strategen der Insel über zweistellige Zuwachsraten jubeln. Auch die Iren reisen endlich wieder, sie genießen die Ferien und feiern. An den Stränden und auf den Piers pulsiert das Leben. Die Pubs und Restaurants sind voll wie seit Jahren nicht. Es ist August. Es geht wohl wieder aufwärts — und keiner weiß so genau mit welchem Ziel und wo eigentlich oben ist.

Sommer in Irland: Die Blechlawine rollt auch auf der Insel.

Sommer in Irland: Die Blechlawine rollt auch auf der Insel.

Irlands Westküste: Oh la la. Ein Land an der Schwelle zum Massentourismus — oder bereits darüber hinaus. Die gnadenlos simple und bestechend wirksame Marketing-Kampagne “Wild Atlantic Way” (WAW) lockt eine gänzlich neue Klientel an die Küste. Wohnmobile satt. In der Felsenlandschaft des Burren und an den Klippen zwischen Liscannor und Doolin wird geurlaubt, dass der Asphalt glüht. Die Parklätze wachsen, die Straßen verstopfen, wild ist hier bald nur noch der Wind. Am Poulnabrone Dolmen: Ein Monument wird betrachtet. So viel Aufmerksamkeit hat die Grabstätte in den letzten 5000 Jahren selten erhalten.

Poulnabrone Dolmen

Am Poulnabrone Dolmen: Viele Steine, viele Menschen.

Der Bio-Bauer Christopher in Westmeath hat für den Werberummel um den “Wild Atlantic Way” (WAW) an Irlands Westküste nur Spott übrig: Wenn die Leute von Failte Ireland in Dublin die Aufgabe bekommen haben, die Touristenzahlen mit möglichst geringem Aufwand kräftig zu steigern, dann kommen Grässlichkeiten wie der “Wild Atlantic Way” heraus. Der Farmer erkennt an, dass die Masche funktioniert, nachhaltige Tourismusförderung, von der das ganze Land profitieren würde, wähnt er allerdings am entgegengesetzten Ende des Strategie-Spektrums. Der Mann hält den WAW für ein “zynisches Projekt”.

Immerhin: Die irische Fine Gael-/Labour-Regierung hat ein recht gutes Verständnis dafür entwickelt, wie die Rohstoffe des Landes jenseits der Häuserbau-Ära besser ausgebeutet werden können: Das Ocean Wealth-Projekt (OW, oder Oh weh) kümmert sich erstmals systematisch um die “Nutzbarmachung” der atlantischen Küsten- und Hohheitsgebiete; der Wild Atlantic Way (WAW) beutet derweil die touristischen Rohstoffe des Landes aus. Ein Schild, ein Parkplatz und ein Besucherzentrum für jede Sehenswürdigkeit. Wo bleibt da die nachhaltige Entwicklung? Eine interessante Frage. Man will sie sich in Dublin mal notieren. Aber lassen wir die Politik. Es ist Sommer.

Full Irish Breakfast

Full Irish: Hüftgold der Lounge-Kämpfer.

Im Familien-Hotel. Rosses Point, Yeats County. Alle Mutmaßungen, das Full Irish Breakfast würde nur noch von Touristen verspeist, erweisen sich als grottenfalsch. Im großen Speisesaal sitzen große Drei-Generationen-Familien um große runde Tische. Ein kurzer Rundblick bestätigt jüngste Statistiken: Jeder zweite Inselbewohner kämpft mittlerweile mit dem Monster Übergewicht. Full Irish, Burger, Pints und Sweets hinterlassen breite Spuren in den Körpern von Mary und Paddy.

Irish Lounge

Lounge-Lümmeln in der Hotel-Lobby: Fast noch schöner als Wohnen.

Gekämpft wird gerne im Armsessel und auf dem Sofa. Wenn die Deutschen das Wohnen als Leidenschaft erfunden haben (welche andere Nation kennt ein Wohnzimmer?), so halten die Iren mit dem Lounge-Lungern dagegen. In den Hotel-Lobbies (“Lounge”) flätzen und lümmeln sie sich trinkend, lutschend, kauend und schauend in tiefe Armsessel und auf noch tieferen Sofas und frönen dem Nichtstun. Lounging hat eine erkennbar breite Fan-Gemeinde. Lounging ist wie Chillen ohne Altersbeschränkung. Lounge Lolling, Lounge-Lümmeln wirkt noch gemütlicher und gewichtiger als wohnen.

Mide irland

No Line On The Horizon: U2 lassen die Fans seit 2009 auf ein neues Album warten. Wir fuhren 14 Jahre um das Herzland herum.

Wir fahren über Land. Zeit für ein Bekenntnis. Ich habe U2, die größte Rockband der Welt, oft angehört, aber nie wirklich von Herzen gemocht. Ich habe alle Alben von Bono-Edge-und-Co gekauft, und doch imponierten mit ihre Mega-Bühnenshows mehr als ihre Musik (Ausnahme: One, mit Mary J). Warum das erwähnenswert ist? Weil es in den vergangenen Tagen viel Spaß gemacht hat, zur Musik von  No Line On the Horizon  durch die irischen Midlands zu fahren.

Where I came from there were no hills at all.
The land was flat, the highway straight and wide.  

Es fühlt sich  an wie der Beginn einer neuen Liebe. Vielleicht verspätet zum bislang letzten und von Fans geschmähten Album von U2, das im Februar vor fünf Jahren erschien, wahrscheinlicher aber zum ruhigen grünen Herzland Irlands, der Mitte der Insel, Mide. Ich habe mir 14 Jahre lang Mühe gegeben, in Küstennähe um die Midlands herum zu reisen. Ein Irrtum.

Und übrigens: Die Gerüchte verdichten sich, dass das neue U2-Album “Sirens” heißt und endlich im September oder Oktober erscheinen wird. Bono hat es in seinem Ferienhaus in Südfrankreich auf unnachahmlich exzentrische Weise einem unfreiwillig mithörenden Publikum am Strand vorgestellt. Same procedure as last time. Bonos Marketing-Fritzen werfen die Werbeaggregate an und lassen hier und da verlauten: Die neue U2 ist — was sonst — einsame Klasse. Ganz anders und doch unverkennbar U2. Hören wir mal. Demnächst.

Euch allen einen schönen Sonntag! Der Wanderer.