Heute schreibt Patrick Steinbach im Irish Music Corner über den Film-Klassiker Braveheart, der in Schottland spielt und viel Irland enthält. 

Man kann vom australischen Schauspieler und Regisseur Mel Gibson halten, was man mag. Seine persönliche, weltanschauliche oder religiöse Meinung ist sicherlich nicht jedermanns Geschmack. Mel Gibson bleibt aber davon unangetastet ein hervorragender Regisseur, der jedes seiner Projekte perfekt zu inszenieren weiß. Neben gewaltiger Bildsprache überrascht Gibson auch durch die genial ausgesuchte Musik, mit der er seine Filme unterlegt.

Sein epochales Schlachtenepos Braveheart aus dem Jahr 1995, das an zentraler Stelle auch ordentlichen Humor beweist, als in einer kaum zu gewinnenden Schlacht mehrere hundert Schotten blank ziehen und den verdutzten Engländern ihre nackten Hintern zeigen, hat einst völlig berechtigt mehrere Oscars gewonnen.

Der Komponist James Horner wurde für die Filmmusik mit einem Oscar nominiert. Einfach genial, wie Gibson das Titelthema – eine herzzerreißende Dudelsackmelodie – einführt. Der Film läuft da bereits über eine Viertelstunde. Die Eltern von William Wallace wurden ermordet, und der kleine Junge steht tapfer, gefasst und doch zutiefst traurig am Grab.

Als die aus wenigen Menschen bestehende Trauergemeinde die Beerdigung verlässt, bleibt der Junge zunächst alleine zurück. Dann kehrt ein kleines, hübsches und blondes Mädchen um, pflückt eine Distel vom Wegesrand (die Distel ist ein Sympol des schottischen Widerstands) und überreicht sie William. In diesem Augenblick setzt die Dudelsackmelodie ein. Sie geht durch Mark und Bein und trifft exakt – verstärkt durch das überaus traurige Bild des Verlassenseins durch den Tod der Eltern – einen Nerv, der mich selbst jetzt beim Schreiben noch zum Heulen bringen könnte. Diese Schlüsselszene des Films kommt völlig ohne Worte aus und gehört zu den ergreifendsten Momenten des gesamten Films.

 


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Jedesmal, wenn diese Melodie von nun an im weiteren Film auftaucht, ob als bombastisch aufgeblasene Orchesterfassung, oder auch als stille kaum wahrnehmbare Variation, gespielt von einem einzelnen Instrument, wird der Zuschauer unbewusst an die Beerdigungsszene und seine überwältigenden Gefühle erinnert und zurückversetzt. Später, als William als Mann in sein Dorf zurückkommt und das Mädchen aus der Kindheit wieder trifft, gibt er ihr die Distel zurück, die er wohl die ganzen Jahre bei sich getragen hat.

Die Blicke der Protagonisten treffen sich, und man sieht darin die gleiche unerschütterliche Liebe und Zuneigung wie in der Kindheit, nur dass beide nun erwachsen geworden sind. Wieder ertönt die zauberhafte Melodie, ein Kreis scheint sich zu schließen. Bloß darf diese Liebe nicht lange leben. Der Frau wird später brutal von einem Engländer die Kehle durchgeschnitten. Die Rache beginnt ebenso wie der Kampf um Unabhängigkeit.

Tod, Trauer, Einsamkeit, Liebe und Hoffnung, Mut und Verzweiflung, selten habe ich eine Filmmusik gehört, die in der Lage ist, solche Stimmungen so genial einzufangen und in Verbindung mit den überwältigenden Naturbildern zu einem Gesamtkunstwerk zu verschmelzen.

Gedreht wurde der Film über Schottland übrigens auch in Irland. Die meisten Innenaufnahmen entstanden in den Dubliner Ardmore Studios, auf deren Gelände auch einige Schlachten inszeniert wurden.

Das Dudelsackthema heißt im Original: A Gift of a Thistle und wurde von Tom Tunstal auf einem irischen Dudelsack (Uillean Pipes) zusammen mit dem London Symphony Orchestra eingespielt.

Mehr zu irischen Melodien im Film demnächst hier im Music Corner.