Irland liegt in EuropaIrland liegt in Europa. Der Ouzo bei Alexis will manchen Zeitgenossen in Berlin und Frankfurt nicht mehr richtig schmecken, seit sie das Gefühl haben, sie hätten dafür via Transfer-Union schon bezahlt, lange bevor sie das “Artemis” oder das “Akropolis” betraten. In Madrid und Neapel wird wieder vom hässlichen Fritz geredet, wird gerne der alte Adolf bemüht. In Dublin wird diskutiert, ob man nicht doch zu weit westlich liegt, um sich die Direktiven aus Berlin abholen zu müssen. Die Menschen in Europa definieren sich derzeit zunehmend über das Unvereinbare, das Trennende, die nationale Eigenart. Allenfalls die Abneigung gegen den gelben Wirtschafts-Imperialismus eint sie. Dabei haben wir Europäer allen Grund, unsere inneren  Filme besser zu kontrollieren und die eigenen Sinne zu schärfen: Wir haben einen großen Vorrat an Gemeinsamkeiten, an Werten und Befindlichkeiten, die wir sowohl in Richtung Osten als auch in Richtung Westen selbstbewusst vertreten können — und dieser Kampf beginnt in uns selbst, bei der Auswahl der inneren Filme, die wir uns täglich kreieren und ansehen und die unser Verhalten bestimmen, er beginnt damit, wie wir der Welt um uns herum tagtäglich begegnen.

Wie funktioniert das mit dem Kopfkino? Wir sehen drei, 30, 300 Griechenland-kritische Sendungen — und irgendwann entscheiden wir / wird entschieden, nicht mehr zu Alexis zu gehen. Weil wir eigentlich schon bezahlt haben. Wir lesen fünf, 50, 500 Solidaritätsadressen für Griechenland und gehen mit dem guten Dennoch-Gefühl zu Alexis. Denn wir sind solidarisch — über die Schuldenkrise hinaus.  Oder wir lesen gar nix, weil der Grieche schon immer  . . .

Nein, sagt der Holländer, der in Irland seit über 20 Jahren ein B&B betreibt, nein, irische Gäste möchte er keine mehr haben. Die seien . . . Der Mann nennt seine zehn Gründe, warum er in seiner Herberge in Irland am liebsten nur ausländische Gäste vom Kontinent begrüßt. Wie viele schlechte Erfahrungen hat der Mann wohl gemacht, und welche inneren Erwartungen haben ihm bestätigt, dass er schlechte Erfahrungen machte?  Wie viele dieser Erfahrungen benötigte er, um den Schalter umzulegen und “die Iren” im eigenen Land in die Kategorie “schlechte Gäste” zu stecken? Wie viele negative Bestätigungen braucht es, bevor ein Blog-Autor “Irrland ist Sch***e” als Programm über seine Website schreibt? Wie viele Kontakte mit Einheimischen benötigte die Frau des deutschen Industriellen, die jährlich einige Monate in Irland verbringt, um den Glaubenssatz zu formulieren: Irland ist schön, wenn bloß die Iren nicht wären”?  Ab wann werden einzelne Erfahrungen Programm?

Wir können — und sei das Ego noch so groß — als einzelne Menschen Griechenland nicht retten, und Irland nicht, und Europa schon gar nicht. Wir können noch nicht einmal die Einsichtsfähigkeit einiger weniger “Gutmenschen” um uns herum verbessern, damit der gewünschte Lernerfolg bei ihnen eintrete. Wir können aber dieses:

Wir bestimmen, was uns wichtig ist und wofür wir eintreten wollen. Wir können sorgfältig darüber wachen, welchen Einflüssen wir uns aussetzen. Wir können fragen, wer mit welchem Interesse Einfluss auf unser inneres Kino nehmen will, auf unsere Bilder und Meinungen, unsere Haltungen und Werte; wir können erkennen, ab wann wir uns bequem einrichten, das Denken einstellen und einfach eine ewige Meinung kultivieren; wann wir aufhören, uns aufgeschlossen und offen neuen Fakten auszusetzen. Wir sind die Regisseure unserer eigenen inneren Filme — und damit unseres Lebens. Tag für Tag neu.

Kürzlich verließ ein deutscher Umsiedler Irland nach zehn Jahren in Richtung alte Heimat — verbittert, erleichtert und mit den Worten: ” Ich habe dieses Land vom ersten Tag an gehasst.” Das klang wie ein Programm — und es war Programm. Die Selbstbeschwörung hat gnadenlos funktioniert.